r-o-Special: Tocilizumab – IL-6-Blockade als vollkommen neues Behandlungsprinzip bei rheumatischen Erkrankungen
Der von Roche gemeinsam mit Chugai entwickelte Interleukin-6-Blocker Tocilizumab (Actemra®) ist eine Substanz aus der Gruppe der Biologicals (biotechnologisch hergestellte Medikamente), der ein vollkommen anderes Wirkprinzip als die bisherigen Behandlungsansätze verfolgt. Hier einige Informationen zum Wirkprinzip und die Ergebnisse erster Studien zur rheumatoiden Arthritis.
Tocilizumab ist ein humanisierter monoklonaler Antikörper (s. Immunglobulin), der die Interleukin-6- (IL-6)-Rezeptoren blockiert und dadurch die Bindung von Interleukin-6 an seine Rezeptoren und die daraus resultierenden Reaktionen verhindert.
IL-6 ist ein körpereigener Botenstoff (ein sogenanntes Zytokin), das von einer Vielzahl von Zellen produziert wird. Es spielt u. a. eine wichtige Rolle bei der Stimulation der Differenzierung von B-Zellen in antikörperbildende Plasmazellen und bei der Regulation der angeborenen Immunantwort. IL-6 hat darüber hinaus zahlreiche Effekte auf Zellen, die nicht zum Immunsystem gehören.
So induziert es in der Leber die Produktion des C-reaktiven Proteins (CRP), das bei Entzündungen, Gewebszerfall und beim Absterben von Zellen erhöht ist. Das CRP selbst hat pro-entzündliche Eigenschaften und ist an der endothelialen Dysfunktion beteiligt (Fehlfunktion des Endothels = Gefäßinnenwand).
Hierin besteht wahrscheinlich auch die Gemeinsamkeit von entzündlich- rheumatischen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Es wird zunehmend deutlich, daß bei der Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, insbesondere bei der Arteriosklerose (Gefäßverkalkung), aber auch bei der Auslösung von Herzinfarkten und verwandten Gefäßkomplikationen entzündliche Prozesse eine Rolle spielen. So geht ein anhaltend erhöhtes CRP auch bei ansonsten gesund erscheinenden Patienten mit einem erhöhten Herzinfarktrisiko einher.
Als Trigger oder Promotoren der entzündlichen Prozesse kommen im Prinzip eine ganze Reihe von entzündungsauslösenden und entzündungsverstärkenden Botenstoffen in Betracht, so z.B. auch das sehr stark pro-inflammatorische Zytokin TNF-alpha oder Interleukin-1.
Bei einer Untersuchung an 67 RA-Patienten konnte nun aber gezeigt werden, daß im Hinblick auf die kardiovaskulären Komplikationen (Herz-Kreislauf-Komplikationen, Gefäßerkrankungen) Interleukin-6 wahrscheinlich eine wesentlich größere oder sogar die vorrangige Rolle spielt.
So stellte sich in dieser Studie nur IL-6 - und nicht TNF-alpha oder Interleukin-1 (IL-1) als Risikofaktor für eine endotheliale Dysfunktion heraus - und zwar unabhängig von den traditionell bekannten kardiovaskulären Risikofaktoren (Dessein PH et al 2005).
Auf dem ACR 2006 in Washington wurden nun die Ergebnisse von drei japanischen Studien präsentiert, in denen der humanisierte Anti-IL-6- Antikörper Tocilizumab zur Behandlung einer rheumatoiden Arthritis (RA) eingesetzt wurde. Die Wirksamkeit wurde mit Hilfe der ACR-Response-Kriterien und des DAS28 evaluiert.
In der ersten Studie wurden 163 Patienten 12 Wochen lang kontrolliert mit 4 oder 8 mg / kg KG Tocilizumab oder mit Plazebo behandelt.
In der zweiten kontrollierten Studie mit 125 Patienten wurde Tocilizumab in einer Dosis von 8 mg / kg KG mit Methotrexat (MTX) verglichen.
In der dritten kontrollierten Studie erhielten die 302 Patienten mit früher RA entweder Tocilizumab 8 mg / kg KG oder konventionelle DMARDs (SAMURAI-Studie).
Unter Tocilizumab 8 mg / kg KG wurde eine signifikante Verbesserung der klinischen Symptome im Vergleich zu Plazebo, MTX und konventionellen DMARDs festgestellt.
In allen drei Studien wurden übereinstimmende Remissionsdaten ermittelt: 59% der Patienten waren nach 52 Behandlungswochen in klinischer Remission (DAS28 <2,6, s. Tabelle im Originalabstract).
Das klinische Ansprechen und die Remissionsraten waren generell für die analysierten Untergruppen gleich.
Basisdaten wie IL-6, CRP, MMP-3 (Matrix-Metalloproteinase - ein Marker für die Knorpelzerstörung), and DAS28 korrelierten jedoch nicht mit einer Krankheitsverbesserung (ACR70 oder DAS28-Remission).
Die häufigsten unerwünschten Wirkungen waren Infektionen – überwiegend Infektionen des oberen Respirationstraktes. Außerdem wurde häufig ein leichter Anstieg der Leberfunktionswerte und des Lipidstoffwechsels beobachtet, die sich nach Absetzen der Therapie wieder normalisierten.
Schlussfolgerung:
In diesen drei kontrollierten Studien wurde ein übereinstimmendes Ansprechen auf die Therapie mit Tocilizumab bei RA beobachtet. Die Remissionsraten lagen nach 52 Wochen > 50% bei einer akzeptablen Verträglichkeit.
Die Autoren schließen daraus, dass die Blockade von Interleukin-6 ( IL-6) ein wirksamer Therapiensatz für die rheumatoide Arthritis ist.
Link zum Abstract:
945/204. Consistent Clinical Response Resulted From Three Japanese Randomized Controlled Trials Of Tocilizumab, Humanized Anti-il-6 Receptor Antibody, in Active Rheumatoid Arthritis (RA) Patients
Norihiro Nishimoto, Nobuyuki Miyasaka, Kazuhiko Yamamoto, Shinichi Kawai, Tsutomu Takeuchi, Junichi Azuma, Tadamitsu Kishimoto.
Aus der SAMURAI-Studie liegt auch eine Untersuchung zu den biochemischen Markern vor, die charakteristisch für den Knorpelstoffwechsel und die Gelenkentzündung sind. Es wurde analysiert, inwieweit frühzeitige Veränderungen dieser Parameter den Effekt von Tocilizumab auf die fortschreitende Gelenkzerstörung nach einem Jahr abschätzen lassen.
Hierzu wurden Röntgenaufnahmen zu Beginn und nach der 28. und 52. Woche angefertigt und von zwei unabhängigen Spezialisten mit Hilfe der nach van der Heijde modifizierten Sharp Methode ausgewertet.
Ausgewählte biochemische Marker (s. Originalabstract) wurden nach 12, 24, 36, 48 und 52 Wochen gemessen.
Die Statistik ergab, dass das MMP-3 (Matrix-Metalloprotein, Marker für die Knorpelzerstörung) signifikant mit der Verschmälerung des Gelenkspaltes korrelierte.
Schlussfolgerung:
Das frühzeitige Messen von Markern für den Knorpelabbau stellt möglicherweise ein nützliches Instrument dar, mit dem man die Wirksamkeit von Tocilizumab auf die Gelenkzerstörung bei Patienten mit früher RA abschätzen kann.
Link zum Abstract und weitere Literatur:
944/203. Early Changes in Biochemical Markers of Cartilage Turnover and Synovial Inflammation Predict the Effects of Tocilizumab Monotherapy on One-Year Radiographic Progression in Patients with Early Pheumatoid Arthritis
Jun Hashimoto, Patrick Garnero, Nobuyuki Miyasaka, Kazuhiko Yamamoto, Shinichi Kawai, Tsutomu Takeuchi, Norikazu Murata, Hideki Yoshikawa, Tadamitsu Kishimoto, Norihiro Nishimoto
Anti-interleukin-6 receptor antibody therapy in rheumatic diseases
Nakahara H, Nishimoto N
Endocr Metab Immune Disord Drug Targets. 2006 Dec;6(4):373-81
Tocilizumab: blockade of interleukin-6 signaling pathway as a therapeutic strategy for inflammatory disorders.
Paul-Pletzer K
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Double-blind randomized controlled clinical trial of the interleukin-6 receptor antagonist, tocilizumab, in European patients with rheumatoid arthritis who had an incomplete response to methotrexate.
Maini RN, Taylor PC, Szechinski J, Pavelka K, Broll J, Balint G, Emery P, Raemen F, Petersen J, Smolen J, Thomson D, Kishimoto T; CHARISMA Study Group
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Interleukin-6 and rheumatic diseases.
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Biomarkers of endothelial dysfunction, cardiovascular risk factors and atherosclerosis in rheumatoid arthritis
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