Parvovirus B19
Das humane Parvovirus B19 wurde 1974 von der australischen Virologin Yvonne Cossart entdeckt; die Erstbeschreibung erfolgte 1975 in einem Artikel in der hochangesehenen Zeitschrift „The Lancet“ (Cossart et al. 1975).
Bei Kindern führt eine Parvovirus-B19-Infektion zum Krankheitsbild der Ringelröteln (Erythema infectiosum). Die Ringelröteln, die nicht mit den Röteln verwechselt werden dürfen, gehören zu den häufigsten Kinderkrankheiten. Allerdings können auch Erwachsene daran erkranken.
Die Übertragung des Virus erfolgt von Mensch zu Mensch, üblicherweise durch eine Tröpfcheninfektion bei direktem Kontakt. Eine Ansteckung ist allerdings auch durch verunreinigte Hände möglich. Ein seltener Übertragungsweg sind Blutprodukte (z.B. Blutkonserven, die von infizierten, das Virus tragenden Spendern gewonnen wurden).
Die virulenteste Phase, d.h. die Phase der höchsten Ansteckungsfähigkeit, sind die ersten vier bis zehn Tage nach einer Infektion. Als Inkubationszeit (Zeit zwischen der Ansteckung und dem Auftreten der ersten Symptome) werden vier bis 14 Tage (maximal 3 Wochen) angegeben.
Typisch ist ein charakteristischer Hautausschlag mit großen roten Flecken auf der Wange, bei denen wie bei einem Schmetterlingserythem die Mundpartie ausgespart bleibt (Abbildungen: Dermatology Information System DermIS). Im Verlauf kommt es dann zu roten, z.T. leicht erhabenen Flecken im Bereich der Extremitäten (stammbetont; Schultern, Oberarmer, Oberschenkel, Gesäß), die eine Tendenz haben, zusammenzufließen und zentral abzublassen. Die Bezeichnung Ringelröteln stammt von den dabei entstehenden girlandenartigen Mustern. Zum Teil treten die Hauterscheinungen nur kurzzeitig auf, sie können aber auch länger bestehen bleiben und bis zu 7 Wochen andauern.
Eine Parvovirus-B19-Infektion kann mit einem weiten Spektrum an klinischen Manifestationen einhergehen, die von mehr oder weniger schwer ausgeprägten hämatologischen Symptomen und Komplikationen über eine Beteiligung von Herz, Leber, Niere und Nervensystem bis hin zu rheumatologischen und immunologischen Symptomen und Krankheitsbildern reichen können. Beobachtet werden insbesondere Veränderungen des roten und weißen Blutbildes mit Anämie (Blutarmut), Neutropenie (Abfall der weißen Blutkörperchen) bis hin zu aplastischen Krisen (stark beeinträchtigte Blutbildung bis hin zum vollständigen Aufhören der Blutbildung), Anstiege der Transaminasen („Leberwerte“), Myokarditiden (Herzmuskelentzündungen), Glomerulonephritiden (Entzündungen der Nierenschlingen) und Gelenkbeteiligungen (Kerr 2000). Andere rheumatologische und immunologische Manifestationen betreffen die Entwicklung von Antiphospholipid-Antikörpern und antinukleären Antikörpern; auch SLE-artige Krankheitsbilder (systemischer Lupus erythematodes) sind beschrieben.
Weitere mögliche Folge einer Parvovirus-Infektion sind ausgeprägte Leistungsminderungen, starke Müdigkeit und schwere Erschöpfungszustände, die die Kriterien für ein chronisches Müdigkeitssyndrom (CMS, CFS = chronic fatigue syndrome) erfüllen (Kerr et al. 2002). Bei diesen Patienten finden sich im Serum erhöhte Spiegel von zirkulierendem TNF-alpha und Interferon-y (Kerr et al. 2001).
In der Mehrzahl der Fälle (ca. 50-60%) kommt es aber nach einer Infektion mit Parvovirus B19 nicht zu Krankheitszeichen, d.h. die Infektion verläuft asymptomatisch.
Bei den meisten Patienten klingt die Infektion nach der ersten Phase mit sehr hohen Viruslasten folgenlos ab. Bei einem Teil der Infizierten folgt jedoch eine zweite Phase, in der die Infektion unterschwellig mit einer sehr viel niedrigeren Viruslast bestehen bleibt (persistiert). Die Viren können dann Lymphozyten, Makrophagen und Endothelzellen befallen, daneben auch das Herz (mit der Folge einer Herzmuskelentzündung = Myokarditis).
Rheumatologisch bedeutsam ist der mögliche Befall von Synovialzellen (Zellen der Gelenkinnenhaut) mit Entwicklung einer Parvovirus-Arthritis, d.h. einer durch das Virus hervorgerufenen Gelenkentzündung.
Eine spezifische Therapie ist nicht bekannt. Die Behandlung erfolgt symptomatisch. Bei schweren Krankheitsverläufen wird der Einsatz von Immunglobulinen diskutiert.
Literatur:
Cossart YE, Field AM, Cant B, Widdows D. Parvovirus-like particles in human sera. Lancet 1975; 1:72–3.
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Kerr JR. Pathogenesis of human parvovirus B19 in rheumatic disease. Ann Rheum Dis 2000; 59:672–83.
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Kerr JR, Bracewell J, Laing I, et al. Chronic fatigue syndrome and arthralgia following parvovirus B19 infection. J Rheumatol 2002; 29:595–602.
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Kerr JR, Barah F, Mattey DL, et al. Circulating tumour necrosis factor-alpha and interferon-gamma are detectable during acute and convalescent parvovirus B19 infection and are associated with prolonged and chronic fatigue. J Gen Virol 2001; 82:3011–9.
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Kerr JR, Mattey DL, Thomson W, Poulton KV, Ollier WE. Association of symptomatic acute human parvovirus B19 infection with human leukocyte antigen class I and II alleles. J Infect Dis 2002; 186:447–52.
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Kerr JR und Mattey DL: Preexisting Psychological Stress Predicts Acute and Chronic Fatigue and Arthritis following Symptomatic Parvovirus B19 Infection. Clinical Infectious Diseases 2008;46:e83–e87
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Zusätzliche Informationen und verwandte Links:
r-o-special: Parvovirus-Arthritis
Psychischer Streß: Risikofaktor für die Chronifizierung einer Parvovirus-Arthritis
rheuma-news vom 27.04.2008
Centers for Disease Control: Parvovirus B19 (Fifth Disease)
wikipedia: Parvovirus B19
Wikipedia: Ringelröteln
Parvovirus B19 infection and systemic lupus erythematosus: Activation of an aberrant pathway?
Spyros Aslanidis, Athina Pyrpasopouloua, Kostas Kontotasiosa, Stella Doumasa and Chryssanthos Zamboulisa, European Journal of Internal Medicine, Volume 19, Issue 5, July 2008, Pages 314-318
Guter Übersichtsartikel zur Auslösung von SLE-artigen Autoimmunphänomenen und -krankheitsbildern durch Parvovirus B19 und Ähnlichkeiten und Unterschieden zwischen beiden Erkrankungen.
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