8-Jahresdaten bei der Rheumatoiden Arthritis zu Humira®
"Sieht man die Fortschritte der letzten knapp 20 Jahre, so ist es wohl keine Illusion mehr, dass die Entmachtung der Entzündung dazu führt, dass wir in den nächsten Jahren bestimmten Patienten mit rheumatoider Arthritis eine Heilung in Aussicht stellen können, den anderen Patienten eine bessere, individualisiertere Therapie denn je." Dr. med. Florian Schuch, Hamburg, 17. September 2010
Die rheumatoide Arthritis, chronische Polyarthritis, oder im landläufigen Sinn „Rheuma“, ist die häufigste entzündliche autoimmun-vermittelte Systemerkrankung. Ca. 800.000 Menschen, also ein Prozent der Bevölkerung, sind in Deutschland von dieser Erkrankung betroffen, die sich durch Schmerzen und Schwellungen an Gelenken und Begleitstrukturen, aber auch durch unspezifische Symptome wie Abgeschlagenheit, Müdigkeit und fehlende Belastbarkeit bemerkbar macht.
Noch in den 50er Jahren war der Erkrankungsverlauf für viele Betroffene so schwer, dass Behinderung, Erwerbsunfähigkeit und auch der Rollstuhl den schicksalhaften Verlauf und die Endstrecke dieser Erkrankung darstellten. Auch heute noch sind diese Ängste und Erfahrungen der Hilflosigkeit bei den älteren Patienten bei der Betreuung zu spüren.
Moderne immunologische Grundlagenforschung hat die Erkenntnisse zur Pathogenese weit vorangebracht und damit zur gezielten Therapie in den letzten 15 Jahren beigetragen. Das bessere Verständnis der Zytokin-Netzwerke und die daraus resultierende zielgerichtete Blockade entzündungsfördernder (= pro-inflammatorischer) Zytokine hat die Therapieoptionen und Therapieziele revolutioniert.
Ende des letzten Jahrtausends wurde die neue Therapiequalität der Biologika, der Anti-TNF-Therapie, eingeführt. Über den TNF-Antikörper mit noch murinen Anteilen, über das Rezeptorkonstrukt bis hin zum komplett humanisierten Antikörper gegen Tumornekrosefaktor-alpha (TNF-alpha) konnte durch biotechnologischen Fortschritt eine sichere Therapie etabliert werden.
In der DE019-Studie, einer der Zulassungsstudien von Adalimumab (Humira®), dem ersten komplett humanisierten Anti-TNF-Antikörper, konnte die Wirksamkeit von Adalimumab und das gute Ansprechen, insbesondere in der Kombination mit Methotrexat, gezeigt werden.
Doch wie sieht der Langzeitverlauf bei einer Erkrankung aus, die noch immer nicht heilbar ist? Wie entwickelt sich die Erkrankung, wenn man schmerzhafte und geschwollene Gelenke, körperliche Funktion und den Verlauf im Röntgen betrachtet?
Die open label extension von DE019, also die Fortführung der Behandlung mit dem Wirkstoff Adalimumab (Humira®) ab dem zweiten Jahr über inzwischen mehr als acht Jahre ist die längste Anschlussbehandlung unter Studienbedingungen bezogen auf Krankheitsaktivität, körperliche Funktionen und radiologischen Verlauf.
Auch die Patienten, die im ersten Jahr eine MTX-/Placebotherapie erhalten hatten, wurden in den nächsten sieben Jahren mit der seit 2003 in Deutschland zugelassenen Standardtherapie Adalimumab 40 mg s.c. alle zwei Wochen behandelt.
44 Prozent = 242 Patienten der initial 553 Patienten wurden in das neunte Jahr der Langzeitbeobachtung eingeschlossen. Dies entspricht mehr als einem Drittel der Patienten, die initial in DE019 eingeschlossen wurden und ist über einen so langen Zeitraum ein hohe adherence Rate, was für die gute Langzeitwirkung der Therapie spricht.
60 Prozent der Patienten erreichten einen Krankheitsaktivitätsscore DAS28<2,6. Dies entspricht einer Remission! 42 Prozent der Patienten hatten gar kein geschwollenes Gelenk mehr, 40 Prozent der Patienten gaben nicht einmal mehr Druckschmerz bei der Gelenkuntersuchung nach acht Jahren an (Grafik 1).
Das Röntgenvoranschreiten, gemessen am modified Total Sharp Score, konnte deutlich reduziert werden. Bei 25 Prozent der Patienten, die eine Remission mit einem DAS28<2,6 erreicht hatten, konnte ein kompletter Stillstand erreicht werden. Bemerkenswert ist, dass das Aufhalten der radiologischen Progression in der Gruppe, die schon initial mit Methotrexat/Adalimumab (Humira®) behandelt wurde, auch im achten Jahr nach Therapiebeginn unterschiedlich zu der Gruppe war, die im ersten Jahr nur Methotrexat erhalten hatte (39 Prozent vs. 56 Prozent), Grafik 2.
In einer weiteren Subanalyse aus der ersten Studienphase konnte gezeigt werden, dass ein besseres Ansprechen erreicht werden kann bei Patienten, die innerhalb der ersten drei Jahre nach Diagnosestellung behandelt wurden. Insbesondere die radiologische Progression konnte reduziert werden. Diese Reduktion war besonders stark in Risikogruppen, die eine rasche radilogische Progression gezeigt hatten, „rapid progressors“ (Zunahme zehn TSS-Einheiten über ein Jahr). 16,2 Prozent Placebo-behandelte Patienten vs. 2,4 Prozent Adalimumab-behandelte Patienten hatten im Verlauf eine weitere Progression.
Heutzutage wird bei der frühen rheumatoiden Arthritis von einer Erkrankungsdauer unter zwölf Monaten, teils unter sechs Monaten gesprochen. Bei diesen Kollektiven sind durch noch frühere Intervention und verbesserte Risikostratifizierung weitere Verbesserungen des Therapieerfolges erreichbar.
Die gute Alltagswirksamkeit wird auch durch Daten aus der täglichen Praxis gestützt. So hatten 68,9 Prozent der Patienten im Rahmen einer NIS (non-interventional study) ein EULAR-Ansprechen nach drei Monaten (gutes oder moderates EULAR-Ansprechen), nach 24 Monaten 83,1 Prozent der Patienten.
Parallel mit den Erkenntnissen über acht Jahre in der DE019-Studie konnte in vielen nationalen und internationalen Registern eine hohe Therapiesicherheit dokumentiert werden. Dies ist bei diesem gezielten Eingriff in die Entzündungskaskade sicher keine Selbstverständlichkeit. Insbesondere hat sich gezeigt, dass gerade schwere Nebenwirkungen am ehesten in den ersten sechs Monaten nach Therapiebeginn zu finden sind.
Durch die neue Therapiequalität der Anti-TNF-Therapie haben Patienten neue Perspektiven. Neben der Reduktion von Schmerzen und Schwellungen, dem Erhalt der Gelenkfunktion und dem Verhindern der radiologischen Progression konnte gezeigt werden, dass die systemische Morbidität/Krankheitslast der rheumatoiden Arthritis reduziert werden kann.
Die erhöhte kardiovaskuläre Mortalität und begleitende Vaskulitiden konnten in den letzten Jahren gesenkt werden. Im Rahmen zahlreicher Studien konnten die Therapiealgorithmen verbessert und intensiviert werden, so dass zusammen mit der verbesserten Frühdiagnostik die rheumatoide Arthritis viel von ihrem Schrecken verloren hat. Dies spiegelt sich auch in der Reduktion von stationären Rehabilitationsmaßnahmen, Reduktion der Arbeitsunfähigkeit und dem Erhalt der Arbeitsfähigkeit wider.
Sieht man die Fortschritte der letzten knapp 20 Jahre, so ist es wohl keine Illusion mehr, dass die Entmachtung der Entzündung dazu führt, dass wir in den nächsten Jahren bestimmten Patienten mit rheumatoider Arthritis eine Heilung in Aussicht stellen können, den anderen Patienten eine bessere, individualisiertere Therapie denn je.
Literatur:
• Keystone EC P1679_ACR 2009_DE019 Long-term Eff & Safety
• Shahin J, Clinical Rheumatology 2008, 10064-10067
• Keystone EC ArthritisRheum, Vol. 50, No. 5, May 2004, pp 1400-1411
• Crowson CS et al., Arthritis Rheum 2009, Suppl. S437
• Peters MJL et al., Arthritis Care Res 2009, 61: 1571-1579
• Goekoop-Ruiterman Y, DAS-driven therapy versus routine care in patients with recent-onset active rheumatoid arthritis Ann Rheum Dis 2010 69: 65-69
• Tony H et al., RA-NIS-Daten EULAR 2010
Quelle: Vortrag Dr. Florian Schuch, Facharzt für Rheumatologie & Innere Medizin, Praxisgemeinschaft Rheumatologie-Nephrologie, Erlangen.
Pressekonferenz im Rahmen des 38. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie 2010: „Die Entmachtung der Entzündung – belegt durch 8-Jahresdaten von Humira®