Rituximab (z.B. MabThera)
Rituximab (Handelsname z.B. Mab Thera) ist ein Antikörper, der ursprünglich für die Therapie von bösartigen Erkrankungen des lymphatischen Systems (Lymphdrüsenkrebs, maligne Lymphome) entwickelt wurde und innerhalb der vielen Zellen des lymphatischen Systems eine einzige Zellreihe, nämlich sogenannte B-Zellen (B-Lymphozyten noch genauer: Zellen mit dem Merkmal CD20) ausschaltet.
Im Hinblick auf die Rheumatologie sind B-Zellen insofern interessant, als sie für die Produktion des Rheumafaktors verantwortlich sind.
In der Vergangenheit war man sich nie darüber im klaren, ob B-Zellen für die Krankheitsentstehung und Chronifizierung von rheumatischen Erkrankungen verantwortlich sind bzw. welche Rolle sie dabei spielen.
Nachdem man wegen des Rheumafaktors zunächst eine mehr oder weniger bedeutsame Rolle vermutet hatte, kamen mit der Zeit immer mehr Zweifel an dieser Annahme, u.a. deshalb, weil der Rheumafaktor nur bei der rheumatoiden Arthritis nachweisbar ist und auch dort nur bei etwa der Hälfte der Patienten, weiterhin der Beobachtung, daß es Patienten ohne Rheumafaktor mit sehr schweren Verlaufsformen einer rheumatoiden Arthritis gibt und solche mit sehr hohen Rheumafaktorwerten und vergleichsweise milden Verlaufsformen, nicht zuletzt dann auch wegen der zunehmenden Fokussierung auf die T-Zelle als der Zelle innerhalb des Immunsystems, der man die wesentliche Bedeutung bei der Entstehung und Ausbreitung von Autoimmunprozessen zuschrieb. Nicht zuletzt mit der Entdeckung der Zytokine, z.B. von TNF-alpha, und ihrer zentralen Rolle für die Pathogenese entzündlich-rheumatischer Erkrankungen, wurde die B-Zelle fast völlig aus den Augen verloren.
Allerdings gab es einige wenige Wissenschaftler, die die Fahne der B-Zelle hochhielten und darauf hinwiesen, daß es doch irgendwie nicht völlig ohne Bedeutung sein kann, wenn bei einer rheumatoiden Arthritis ein Rheumafaktor gebildet wird, und im statistischen Mittel Patienten mit Rheumafaktornachweis im Blut auch eine ungünstigere Prognose haben als solche ohne Rheumafaktor. Mein Eindruck war dabei aber der, daß sie von den anderen Forschern, speziell der gesamten T-Zell-Armada, immer etwas mitleidig belächelt wurden.
Am den letzten Tag des US-amerikanischen Rheumatologenkongresses vor Jahren in San Francisco präsentierte ein Engländer namens Edwards in einem sogenannten „late breaking abstract“, also einer wissenschaftlichen Mitteilung, die noch nach dem offiziellen Anmeldeschluß für den Kongress angenommen war (dies ist immer ein Hinweis darauf, daß es sich um eine bedeutende Angelegenheit handelt) die Ergebnisse einer kleinen klinischen Studie. Darin waren Patienten mit einer schweren rheumatoiden Arthritis, bei der alle bisherigen Therapien nicht gewirkt hatten, mit Rituximab behandelt worden. Bekommen hatte er diesen Antikörper von einem Kollegen aus der benachbarten Hämatologie-Onkologie, d.h. der Krebsabteilung der Klinik.
Die Ergebnisse, die Edwards von der Rituximab-Therapie dieser vorher völlig ausbehandelten Patienten berichtete, waren so gut, daß man Stimmen hörte, die eine Manipulation der Resultate unterstellten. Insgesamt war die Reaktion auf den Vortrag sehr kontrovers.
In der Folge dieses Vortrages Rituximab wurde bei einer Patientin mit einer schwersten rheumatoiden Arthritis eingesetzt, bei der zuvor alle bis dato eingesetzten langwirksamen antirheumatischen Substanzen einschließlich der konventionellen Medikamente wie intramuskuläres Gold, Methotrexat, Leflunomid, Ciclosporin, Azathioprin, z.T. in Kombination, dann TNF-alpha-Blocker und später Anakinra als Il-1-Blocker, zudem eine kontinuierliche Cortisonbehandlung in höheren Dosierungen nicht zu einer Kontrolle der anhaltend hohen Krankheitsaktivität geführt hatten.
Die Therapie mit Rituximab (in Verbindung mit einem Cortison-Bolus und unter Fortführung der zu diesem Zeitpunkt laufenden Therapie mit Azathioprin) waren wirklich verblüffend: Es kam zu einer mehr als 50% Verbesserung in allen relevanten Aktivitätsindices und damit zu einer für diese Situation wirklich überraschenden ACR-50-Response, die im Verlauf über mehrere Monate anhielt. Nach Wiederholung der Rituximab-Therapie ließ sich die anfänglich gute Wirkung dann mehrfach reproduzieren.
Erwähnenswert ist vielleicht noch, daß die geschilderte Patientin über viele Jahre hinweg seronegativ war und auch zum Therapiezeitpunkt nur sehr niedrige Rheumafaktorwerte aufwies. Deshalb ist der Wirkmechanismus nicht unmittelbar eingängig. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist die Wirksamkeit des Präparates nicht unmittelbar über die Reduktion des Rheumafaktors zu erklären. Da der Wirkmechanismus andererseits über die CD-20-Antikörperwirkung eindeutig definiert ist, muß es in irgendeiner Weise etwas mit einer B-Zell-Blockade zu tun gehabt haben.
Zwischenzeitlich wurden die Ergebnisse von Edwards in größeren klinischen Studien bestätigt. Wir haben in rheuma-online in unseren rheuma-news bereits über diese Studien berichtet.
Rituximab ist ein sehr teures Medikament (noch erheblich teurer als TNF-alpha-Blocker). Da es für die Therapie einer rheumatoiden Arthritis nicht offiziell zugelassen ist, werden die Kosten im Regelfall von den Kostenträgern nicht erstattet. Vor Beginn einer solchen Behandlung sollte bzw. muß deshalb unbedingt vorher die Kostenübernahme geklärt werden.
Dazu gehört im Regelfall die Voraussetzung, daß die üblichen Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft wurden. Dauz gehört neben der Anwendung der konventionellen langwirksamen Antirheumatika auf jeden Fall auch die Therapie mit den anderen, bereits jetzt schon für die rheumatoide Arthritis zugelassenen biologischen Medikamenten (z.B. Infliximab = z.B Remicade, Adalimumab = z.B. Humira oder auch Anakinra = z.B. Kineret). Deshalb sollte zunächst eine Therapie mit diesen Substanzen erfolgt sein, bevor eine Therapie mit Rituximab ernsthaft in Erwägung gezogen wird.