Protokoll des Experten-Chats vom 12.10.2005 zum Weltrheumatag mit dem Thema: Was hilft bei chronischen entzündlichen Gelenkerkrankungen?
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Experten:
Priv. Doz. Dr. med. H.E. Langer, Arzt für Innere Medizin und Rheumatologie, Arzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin
Schwerpunkt für Rheumatologie, klinische Immunologie und Osteologie am Evangelischen Krankenhaus Düsseldorf
Dr. med. Günter Goretzki, Arzt für Nuklearmedizin und Medizin-Physiker
Gemeinschaftspraxis für diagnostische und interventionelle Radiologie und
Nuklearmedizin Bielefeld-Zentrum ( DIRANUK)
Der Expertenchat
anonym
Ist Rheuma immer mit Entzündungen verbunden? Wie bekommt man die weg?
DR. GORETZKI / PD DR. LANGER
Es gibt etwa 400 verschiedene rheumatische Erkrankungen. Davon sind eine größere Anzahl entzündlich bedingt, es gibt aber auch sog. nicht-entzündliche rheumatische Erkrankungen. Beispiele für entzündliche rheumatische Erkrankungen sind die rheumatoide Arthritis, die Psoriasis Arthritis oder der Morbus Bechterew, Beispiele für nicht-entzündliche rheumatische Erkrankungen sind die Arthrose oder auch weichteilrheumatischeErkrankungen, hier vor allem die Fibromyalgie.
Entzündungen werden mit Entzündungshemmern behandelt. Dabei gibt es unterschiedliche Behandlungsansätze. Der stärkste Entzündungshemmer, den wir kennen, ist das Cortison. Daneben gibt es cortisonfreie Entzündungshemmer. Bei vielen rheumatischen Erkrankungen werden neben diesen beiden Substanzgruppen sog. langwirksame Antirheumatika eingesetzt (früher sog. Basistherapie).
Neben der Behandlung mit Medikamenten kann man die Entzündung, z. B. in Gelenken, auch örtlich behandeln. Dies geschieht z. B. durch Injektionen (Einspritzungen) von Cortison direkt in das betroffene, entzündete Gelenk. Eine sehr elegante Methode ist die sog. Radiosynoviorthese (RSO), über die uns jetzt Herr Dr. Goretzki genaueres sagen wird.
Ernst
Wie gut ist die RSO Therapie, wie strahlend ist man da. Ich habe Enkelkinder. Muß ich darauf Rücksicht nehmen?
DR. GORETZKI / PD DR. LANGER
Die Radiosynoviorthese ist eine lokale Behandlung entzündlich veränderter Gelenke, die ihren Einsatz findet, wenn die oben genannten Therapieformen keine ausreichende Wirkung zeigen. Der Begriff setzt sich aus drei Unterbegriffen zusammen, Radio (von lat. Radius = Strahl), Synovia (Schleimhaut) und Orthese (Wiederherstellung). Der zusammengesetzte
Sinn dieses Wortes will ausdrücken, daß eine weitgehende Wiederherstellung der zunächst entzündeten Gelenkinnenhaut durch die Strahlenanwendung erreicht werden soll. Diese Therapie ist bereits seit etwa 50 Jahren bekannt und wurde in den letzten 15 Jahren zunehmend eingesetzt. Seit etwa gut 10 Jahren kann diese Behandlung auch ambulant durchgeführt werden. Die Radiosynoviorthese ist bei angemessener Indikationsstellung eine sehr wirksame Therapie mit relativ guten Erfolgen. Die dabei eingesetzte Strahlung bzw. verwendete Strahlung ist für das Umfeld und den Patienten "minimal", weswegen auch eine ambulante Durchführung der Behandlung möglich ist. Das häusliche Umfeld wird durch den behandelten Patienten keiner unzulässigen Strahlenbelastung ausgesetzt.
sister
Hallo, erstmal ein großes Lob für die Experten-Sprechstunde. Meine Frage: Muß MTX in Tablettenform nüchtern genommen werden? Wenn ja, warum?
DR. GORETZKI / PD DR. LANGER
Zunächst erst einmal an alle unsere Patienten und ich denke auch an die User von Rheuma-Online, von denen bestimmt viele heute Abend hier dabei sind, ganz herzliche Grüße zurück. Jetzt zur Frage von Sister. Methotrexat (MTX) in Tablettenform muß nicht nüchtern eingenommen werden. Im Gegenteil empfiehlt es sich, MTX ein bis zwei Stunden nach einem Essen einzunehmen, da es dann besser verträglich ist.
Catzilla
Wenn MTX nach 6 Monaten nicht anschlägt, Dosis erhöhen oder umstellen auf anderes Basismedikament?
DR. GORETZKI / PD DR. LANGER
MTX sollte spätestens nach drei Monaten gewirkt haben. Wenn sich innerhalb dieses Zeitraums keine ausreichende Wirkung eingestellt hat, kann dies entweder daran liegen, daß es wirklich nicht wirkt oder daran, daß die Substanz in Tablettenform nicht genügend vom Körper aufgenommen wird. Deshalb macht es auf jeden Fall Sinn, dann auf die Verabreichung in Spritzenform umzustellen. Eine andere Möglichkeit wäre, die Dosis von MTX zu erhöhen. Dies führt aber oft zu Verträglichkeitsproblemen, so daß ich persönlich die Spritzenform bevorzuge. Da es Patienten gibt, die MTX schlecht resorbieren (aus der Nahrung in den Blutkreislauf aufnehmen), beginne ich eine MTX-Therapie in der Regel grundsätzlich in Spritzenform, da dann sichergestellt ist, daß die Wirksubstanz auch wirklich im Blut und in den Gelenken ankommt.
ADIGAS
Stimmt es, dass man mit Strahlen Entzündungen bekämpfen kann?
DR. GORETZKI / PD DR. LANGER
Bereits der Entdecker der Röntgenstrahlen, Herr Röntgen, hat vor etwa 100 Jahren erkannt, daß lokale Entzündungen durch Einwirkung von Röntgenstrahlen behandelbar sind. Bezüglich der RSO-Behandlung ergibt sich gegenüber der Behandlung mit Röntgenstrahlen bei entzündeten Gelenken eine deutliche Verbesserung des Wirkprinzips. Die bei der RSO eingesetzten Strahlen werden nicht von außen durch anderes Gewebe an den Entzündungsherd gebracht, sondern nach Injektion in das entzündete Gelenk gelangen sie direkt an den Entzündungsherd und entfalten so ihre Wirkung vor Ort.
uffi
Vor etwa 5 Jahren wurde ich aufgrund von Schwellungen und starken Schmerzen in beiden Füßen und erhöhten Rheumawerten mit Cortison behandelt, was mir auch sehr geholfen hat. Nach dem Besuch bei einem Rheumatologen (Internist) setzte er das Medikament ab und erklärte mir, dass das ganze eine Polyarthrose wäre. Was kann ich dagegen tun?
DR. GORETZKI / PD DR. LANGER
Leider ist es uns im Rahmen einer solchen Experten-Sprechstunde nicht möglich,
Ratschläge und Empfehlungen zu einer individuellen Diagnose oder Therapie zu geben. Insofern können wir ganz speziell zu dieser Frage nichts sagen. Allgemein sieht es aber so aus, daß Gelenkschwellungen in Verbindung mit erhöhten Rheumawerten im Blut für eine entzündlich-rheumatische Erkrankung sprechen. Dafür spricht auch, daß Cortison geholfen hat. Im günstigsten Fall ist durch die durchgeführte Behandlung die rheumatische Entzündung nicht mehr vorhanden, so daß der Rheumatologe später nur noch ein anderes Krankheitsbild sieht, z. B. eine nicht-entzündlich bedingte Polyarthrose.
Die Behandlung der Polyarthrose umfaßt ein ganzes Spektrum von Behandlungsmaßnahmen. Sie reichen von Medikamenten gegen die Schmerzen über Entzündungshemmer, wenn sich auf die Polyarthrose eine Entzündung aufpfropft, und physikalische Maßnahmen wie Wärme oder auch Bewegungsübungen bis hin zu örtlichen Behandlungsmaßnahmen, z. B. Spritzen ins Gelenk. In neuerer Zeit gehört auch die RSO, über die Dr. Goretzki eben bereits berichtet hat, zu ganz erfolgreichen Behandlungsmaßnahmen. Allerdings ist eine solche RSO nur dann ein sinnvoller Behandlungsansatz, wenn bei der Polyarthrose ständig Entzündungsschübe vorliegen.
anonym
Funktioniert diese ROS-Behandlung auch im Schultergelenk?
DR. GORETZKI / PD DR. LANGER
Wenn die Ursache für die Schulterschmerzen eine Entzündung des Gelenks ist, kann eine RSO-Behandlung auch hier erfolgreich wirken. Die Klärung dieser Voraussetzung ist durch eine entsprechende Voruntersuchung zu sichern. Die Voruntersuchung und Indikationsstellung werden in Zusammenarbeit mit einem Rheumatologen bzw. bei arthrotischen Veränderungen auch einem Orthopäden und dem für die Durchführung der Therapie zuständigen Nuklearmediziner abgestimmt.
KCC
Seit 5 Jahren immer wiederkehrende Kniegelenkentzündungen, aktuelle Diagnose: Lyme-Arthritis. Wäre die RSO-Therapie zur symptomatischen Behandlung auch hier sinnvoll?
DR. GORETZKI / PD DR. LANGER
Die Lyme-Arthritis ist nach einem kleinen Ort im US-amerikanischen Bundesstaat
Connecticut benannt. Ausgelöst wird sie durch ein Bakterium mit dem Namen Borrelia Burgdorferi. Die Behandlungsmethode der Wahl ist bei einer solchen Borreliose eine antibiotische Behandlung. Wenn diese ausreichend lange und mit dem richtigen Antibiotikum durchgeführt wird, gelingt es in der überwiegenden Mehrzahl der Patienten, die Arthritis zum Verschwinden zu bringen.
Leider gibt es aber auch chronisch verlaufende Borreliose-Arthritiden, bei denen sich dann oft die Frage stellt, ob sie überhaupt noch durch lebendige Borrelien-Bakterien verursacht werden oder ob es sich dabei um eine durch die Borrelien ausgelöste immunologische Reaktion handelt, bei der eine rein antibiotische Behandlung dann alleine nicht mehr ausreichend wirkt. Bei solchen Patienten muß man überlegen, ob man eine Behandlung wie bei anderen chronischen Arthritiden durchführt, z. B. wie bei einer rheumatoiden Arthritis. Die Frage nach einer möglichen RSO-Behandlung stellt sich dann so wie bei einer RSO bei rheumatoider Arthritis.
Hierzu wird uns nun Dr. Goretzki die entsprechende Antwort geben. Führen die oben ausgeführten Behandlungen zu keinem ausreichenden Erfolg, ist eine Voruntersuchung zur Überprüfung der Indikation einer RSO angemessen. Hierzu wird in der Regel eine Szintigraphie und Sonographie des Kniegelenks durchgeführt. Vom Ergebnis ist dann die Entscheidung zur RSO oder gegen eine RSO abhängig zu machen.
Diana
Kommt für die Entstehung eines Kastenwirbels nur der Morbus Bechterew in Frage oder gibt es hierfür auch andere Ursachen?
DR. GORETZKI / PD DR. LANGER
Ein Kastenwirbel ist Ausdruck einer Entzündung des Wirbelkörpers bzw. der zugehörigen Knochenhaut und der anliegenden Bänder. Die typische Ursache einer solchen Veränderung ist eine Wirbelkörperentzündung bei einem Morbus Bechterew. Es gibt aber auch andere Erkrankungen, die mit solchen Entzündungen von Wirbelkörpern und der angrenzenden Strukturen einhergehen. Diese Erkrankungen gehören in die größere Gruppe der sog. seronegativen Spondarthritiden, die neuerdings Spondyloarthropathien genannt werden. Auf Deutsch verbergen sich dahinter die entzündlichen Wirbelsäulenerkrankungen. Der Morbus Bechterew ist dabei die wichtigste Erkrankung aus dieser Gruppe.
Marlies
Das viele Röntgen, das bei meiner Tochter (14) offenbar nötig ist, ist mir total suspekt. Gibt es da denn keine anderen Möglichkeiten, gerade bei einem Kind in der Wachstumsphase?
DR. GORETZKI / PD DR. LANGER
Die Frage, wie oft bei einer bestimmten Erkrankung eine Röntgenuntersuchung erforderlich ist, ist nur im Einzelfall und unter Berücksichtigung dieser Erkrankung zu beantworten. Grundsätzlich gilt der Satz, daß Röntgenstrahlen nur anzuwenden sind, wenn eine streng Indikation vorliegt. Dieses wird auch behördlicherseits durch regelmäßige Kontrollen überwacht, so daß man nicht grundsätzlich davon ausgehen kann, daß in Deutschland zu viel oder unnötigerweise geröntgt wird.
m.j.
Ich bin Fibromyalgie-Patientin. Frage: Welche Schmerzmittel können bei Fibromyalgie gegeben werden? Ich bin außerdem Epileptikerin!
DR. GORETZKI / PD DR. LANGER
Auch für diese Frage gilt, daß wir keine Antwort für das individuelle Problem geben können und dürfen. Grundsätzlich ist die Behandlung einer Fibromyalgie oft sehr schwierig. Bei vielen Patienten wirken die üblichen Rheumamedikamente nicht oder nicht gut. Dies gilt auch für die üblichen Schmerzmittel. In jüngster Zeit kommen bei der Behandlung der Fibromyalgie neue Substanzen zum Einsatz, die teilweise mit Mitteln verwandt sind, die auch bei der Epilepsie eingesetzt werden. Ob solche Substanzen im Einzelfall für einen bestimmten Patienten in Frage kommen, muß vor Ort mit dem behandelnden Rheumatologen oder Schmerztherapeuten geklärt werden.
Charly
Wie stehen die Chancen auf Heilung bei einer beginnenden üftgelenksarthrose durch RSO oder sind zunächst noch konservativere Behandlungsmethoden angebracht?
DR. GORETZKI / PD DR. LANGER
Bei einer beginnenden Hüftgelenksarthrose sind grundsätzlich konservative
Behandlungsmethoden angebracht. Sollte sich jedoch zusätzlich zu den arthrotischen Veränderungen eine Entzündung des Gelenks entwickeln (aktivierte Hüftgelenksarthrose), kann eine RSO-Behandlung indiziert sein, wenn entzündungshemmende Arzneimittel keine ausreichende Wirkung zeigen.
Hypo
Wenn in einer Szintigraphie unter anderen arthritische Gelenkveränderungen an den Fingern und Händen zu sehen ist, geht das je wieder weg, auch wenn die Blutpoolphase relativ unauffällig war? Und kann man auch Gelenkveränderungen an den Sternoclavikulargelenken bei PSA bekommen? Habe dort eine heftige und hartnäckige Arthritis zur Zeit.
DR. GORETZKI / PD DR. LANGER
Aus der Frage ist zu entnehmen, daß in diesem Fall eine sog. Dreiphasen-Szintigraphie der Hände durchgeführt wurde. In der ersten sog. Perfusions- (= Durchblutungs-)phase ergeben sich bei mittelgradigen oder leichten entzündlichen Veränderungen szintigraphisch oft keine Auffälligkeiten. Die erwähnten arthritischen Gelenksveränderungen sollten dann aber in der sog. Weichteilphase (Blutpoolphase) erkannt worden sein. Diese lässt auf entzündliche Veränderungen schließen, die grundsätzlich mit entsprechenden Mitteln behandelt werden können.
In der dritten Phase der Szintigraphie (Mineralisationsphase = Knochenszinitgraphie) ergeben sich zusätzlich zu den entzündlichen Veränderungen Hinweise auf arthrotische Gelenkveränderungen.
Bei der PSA (Psoriasis-Arthritis) gehören die Sternoclavikulargelenke zu den Gelenken, die ganz typischerweise von dieser Erkrankung betroffen werden. Insofern paßt eine heftige und hartnäckige Arthritis in diesen Gelenken zur Diagnose einer Psoriasis-Arthritis. Sollte eine lokale Cortison-Behandlung der Psoriasis-Arthritis keinen ausreichenden und anhaltenden Erfolg bringen, kann eine RSO-Behandlung als nächste Maßnahme indiziert sein.
Sie sollte im Falle eines Sternoclavikulargelenks allerdings von einem mit RSO sehr erfahrenen Nuklearmediziner durchgeführt werden. Dieser letzten Bemerkung kann ich mich nur vorbehaltlos anschließen. Die RSO ist eine sehr schöne Methode in der Hand des erfahrenen Nuklearmediziners. Im Regelfalle geht sie nicht mit gefährlichen Nebenwirkungen einher. Wenn es aber zu Komplikationen kommt, ist das Sternoclavikulargelenk eine Gegend, bei der dies optisch sofort auffällt.
eule76
Seit Anfang Juli hab ich cP. Nun befürchtet mein Rheumatologe, ich könnte Antikörper haben, die die inneren Organe zerstören. Wie muss ich das verstehen?? Ich mach mir irgendwie Sorgen.
DR. GORETZKI / PD DR. LANGER
Zunächst etwas sehr Positives: Wenn die cP (chronische Polyarthritis, rheumatoide Arthritis) erst seit Anfang Juli besteht und Sie sich bereits jetzt in fachrheumatologischer Behandlung befinden, gehören Sie zu den wenigen glücklichen Rheumapatienten in Deutschland, bei denen die Erkrankung in einem sehr frühen Stadium erkannt worden ist und nun fachgerecht und wirksam behandelt werden kann. Wir wissen heute, daß es ein sog. "therapeutisches Fenster" von etwa 12 bis 16 Wochen nach Krankheitsbeginn gibt, in dem die Behandlungschancen exzellent sind. Wenn jetzt mit einer langwirksamen antirheumatischen Therapie (Basistherapie) begonnen wird, gelingt es im günstigsten Fall, eine komplette Remission zu erzielen.
Remission nennen die Rheumatologen ein Behandlungsergebnis, in dem alle Symptome verschwunden sind und auch mit Blutuntersuchungen und anderen Untersuchungen keine Krankheitszeichen mehr zu sehen sind. Bei einer rheumatoiden Arthritis können im Blut auch Antikörper gegen körpereigenes Gewebe nachgewiesen werden. Mit oder ohne solche Antikörper kann es auch zu einer Beteiligung der inneren Organe kommen. Insofern ist die Bezeichnung Arthritis (= Gelenkentzündung) etwas irreführend.
Die rheumatoide Arthritis ist eine Erkrankung, bei der das Immunsystem fehlerhaft arbeitet. Da das Immunsystem als Körperpolizei den ganzen Körper kontrolliert, kann sich eine gestörte Funktion des Immunsystems im ganzen Körper auswirken, z. B. kann es auch zu einer rheumatischen Entzündung von inneren Organen kommen. Durch eine wirksame antirheumatische Therapie kann natürlich auch eine solche mögliche Beteiligung von inneren Organen ausreichend behandelt werden. Wichtig ist nun, daß man keine Angst vor wirksamen Medikamenten hat, sondern rechtzeitig mit einer zielgerichteten Behandlung beginnt. Wer mehr zur frühen Arthritis lesen möchte, kann sich zu diesem Thema unsere speziellen Seiten auf www.rheuma-online.de anschauen.
anonym
Sind Schichtaufnahmen für eine detaillierte und umfassende Einschätzung besser, als normales Röntgen?
DR. GORETZKI / PD DR. LANGER
Es ist grundsätzlich richtig, daß moderne "Röntgen-Schicht-Aufnahmen", die als CTAufnahmen (Computertomographie) durchgeführt werden, detailliertere und umfassendere Informationen liefern als eine normale Röntgenuntersuchung. Andererseits ist es allerdings nicht erforderlich, bei jeder Fragestellung zu diesem aufwändigen Verfahren zu greifen. Es gibt viele Fragestellungen, die durch eine normale Röntgenaufnahme ausreichend und sicher beantwortet werden können.
JMCL
Muss ich nach der Einnahme eines Antibiotikums wegen einer kleinen Fußoperation mit einem Schub rechnen?
DR. GORETZKI / PD DR. LANGER
Die Frage kann so eigentlich nicht beantwortet werden, da nicht klar ist, um welche Erkrankung es sich handelt und welche Therapie durchgeführt wird. Allerdings kann man einige grundsätzliche Dinge aus der Frage herausziehen. Zum einen: Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit führt die Behandlung mit einem Antibiotikum nicht zu einem Schub einer rheumatischen Erkrankung.
Allerdings kann die Situation als solche eine kritische sein. Und zwar dann, wenn das Antibiotikum wegen einer Infektion im Operationsbereich gegeben werden muß und wenn unter Umständen auch noch wegen dieser Infektion die laufende langwirksame antirheumatische Behandlung, z. B. mit MTX, unterbrochen werden muß. Wenn es dann zu einem Schub kommt, ist dies nicht die Gabe des Antibiotikums, sondern die Pause von MTX.
Ein weiterer Punkt: Speziell bei der Psoriasis-Arthritis kann es in der Folge einer wie auch immer gearteten Infektionserkrankung zu einem Krankheitsschub kommen. Wahrscheinlich können Schübe in der Folge von Infektionen aber auch bei anderen entzündlich-rheumatischen Erkrankungen auftreten.
Rahtjens_1
Rheuma ist doch eine autoimmun Erkrankung. Warum will sich der Körper selbst zerstören?
DR. GORETZKI / PD DR. LANGER
Vermutlich ist es so, daß sich der Körper nicht selber zerstören will. Unabhängig davon gibt es aber Auslöser, die dazu führen, daß das Immunsystem nicht mehr ordnungsgemäß arbeitet und bei einer sog. Auto-Immunerkrankung beginnt, körpereigenes Gewebe anzugreifen. Es gibt zunehmende Hinweise darauf, daß es eine ganze Reihe von Viren sein können, die zu einer solchen Störung des Immunsystems führen können. Bei den sog. infekt-reaktiven Arthritiden führen bakterielle Erreger in der Folge einer fehlerhaft "verarbeiteten" Infektion zu einer Arthritis. Gut belegt ist das beispielsweise für Infektionen mit Salmonellen, Yersinien, oder auch Chlamydien, daneben weiteren Keimen. Es kann aber auch durch andere Faktoren zu einer Störung des Immunsystems kommen. Ganz neu ist die Erkenntnis, daß Rauchen (Nikotinkonsum) nicht nur die Gefäße schädigt und zu Lungenkrebs führen kann, sondern auch das Risiko für eine rheumatoide Arthritis erhöht. Durch diese neuen Forschungsergebnisse sind die Möglichkeiten noch weiter gewachsen, gezielt nach den Ursachen für rheumatische Erkrankungen zu suchen und dann auch gezielt besser zu behandeln.
tulpe
Habe ich das erste Zeitfenster schon verpasst, wenn bei einer einfachen Röntgenaufnahme schon Erosionen an Händen und Füßen zu sehen sind? Diagnose CP habe ich erst jetzt bekommen. Kann man davon ausgehen, dass bei jedem Schub Schädigungen bleiben?
DR. GORETZKI / PD DR. LANGER
Wenn auf einer einfachen Röntgenaufnahme von Händen und Füßen bereits Erosionen zu sehen sind, d. h. wenn das Röntgenbild eine beginnende Zerstörung von Knorpel und Knochen zeigt, ist das sog. "therapeutische Fenster" leider tatsächlich schon verpaßt worden. Damit dieses bei möglichst wenigen Patienten passiert, engagieren sich die Rheumatologen ganz besonders, daß die Diagnose so früh wie möglich gestellt und daß die Erkrankung so früh wie möglich wirksam behandelt wird.
Sehr erfreulich ist, daß einige Krankenkassen die Bedeutung dieser frühzeitigen Diagnose und einer rechtzeitigen Therapie erkannt haben. Wegen des herausragenden Engagements der DAK und HMK (Hamburg-Münchner-Krankenkasse) in dieser Frage der Früherkennung und Frühbehandlung möchte ich das von ihnen initiierte Projekt einer integrierten Versorgung der frühen Arthritis, das zusammen mit der kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein und unserer Früharthritis-Klinik durchgeführt wird, besonders erwähnen.
Vielleicht ist wegen der besonderen Bedeutung dieses Projektes Werbung an dieser Stelle ausnahmsweise erlaubt. Eine wirksame antirheumatische Behandlung kommt aber in keinem Krankheitsstadium einer rheumatoiden Arthritis zu spät. Mit den modernen Behandlungsmethoden und neuen Medikamenten gelingt es mittlerweile sogar bei einer größeren Zahl von Patienten, die Erkrankung auch bei bereits eingetretenen Gelenkschäden vollständig zu stoppen und ein weiteres Fortschreiten der im Röntgenbild sichtbaren Veränderungen zu verhindern.
Ganz neue Daten, die u.a. auf dem diesjährigen Kongress der europäischen Rheumatologen in Wien vorgestellt wurden, zeigen, daß mit diesen neuen Therapieansätzen sogar Heilungsprozesse in den Gelenken eingeleitet werden können und es zu einer Rückbildung und "Heilung" von solchen Erosionen kommt.
Cala
Kann man Rheuma bestrahlen und dadurch Linderung bekommen?
DR. GORETZKI / PD DR. LANGER
Da es sich bei Rheuma in der Regel um eine systemische Erkrankung handelt, d. h. den ganzen Körper letztlich betreffend, kann diese Erkrankung nicht grundsätzlich primär mit einer Bestrahlung behandelt werden. Zum Einsatz kommen zunächst systemisch wirkende Medikamente, wie in der heutigen Sprechstunde schon mehrfach ausgeführt, die das Krankheitsgeschehen insgesamt positiv beeinflussen können.
Sollte trotz solch einer systemischen Behandlung an einzelnen Gelenken ein Entzündungsprozess verbleiben und nicht ausreichend auf die Medikamente ansprechen, sind lokale Behandlungen dieser Gelenke indiziert. Hierbei kommen Injektionen (Einspritzungen) in das Gelenk in Betracht, wobei zunächst zumeist eine örtliche Cortison-Behandlung indiziert ist. Sollte auch hierdurch keine ausreichende und anhaltende therapeutische Wirkung erzielt werden, ist z. B. eine RSO-Behandlung in Erwägung zu ziehen.
Die Voruntersuchungen und Indikationsstellungen hierzu werden in Kooperation zwischen den behandelnden Rheumatologen und einem in der RSO erfahrenen Nuklearmediziner durchgeführt. Die Behandlung selbst erfolgt in diesem Fall durch den Nuklearmediziner, was durch den Einsatz radioaktiver Substanzen und der Einhaltung der hierfür geforderten Strahlenschutzmaßnahmen notwendig ist, da eine entsprechende Ausbildung nur bei dem Nuklearmediziner vorliegt. Eine Linderung der Beschwerden ist in diesem Fall bei ordnungsgemäßer Durchführung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten.
Quelle: www.experten-sprechstunde.de