Bericht zum 33. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie, Dresden, 14. – 17. September 2005
Interdisziplinärer Einsatz der Radiosynoviorthese: Wirksame Therapie bei schmerzhaften Gelenkentzündungen
(Berlin/Dresden, im Oktober 2005 – hhp) Diagnose entzündliche Gelenkerkrankungen: Häufig leiden hier die Patienten unter chronischen Schmerzen, die Beweglichkeit ist in vielen Fällen stark eingeschränkt. Gefragt sind wirksame Therapien und die Facharzt -übergreifende Zusammenarbeit. So auch bei der Radiosynoviorthese (RSO), die insbesondere dann angezeigt ist, wenn medikamentöse Therapien nicht mehr ausreichen oder starke Nebenwirkungen verursachen. Gerade bei der rheumatoiden Arthritis und bei aktivierten Arthrosen führt die RSO bei 80% der teils stark vorbehandelten Patienten zu guten Resultaten. Über das breite Indikationsspektrum der RSO, ihre Durchführung und aktuelle Studiendaten berichteten der Nuklearmediziner Prof. Gynter Mödder, Köln, und der Rheumatologe PD Dr. Hans-Eckhard Langer, Düsseldorf, auf einem Symposium im Rahmen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie. Das gemeinsame Fazit: Die Radiosynoviorthese ist ein wichtiger Therapiebaustein in der Rheumatologie – je früher sie im Krankheitsverlauf eingesetzt wird, desto besser.
Zum Einsatz der RSO erläuterte der Rheumatologe PD Dr. Langer: „Insbesondere bei einer entzündlichen Symptomatik, wie sie für die rheumatoide Arthritis und die Osteoarthritis typisch ist, kann eine Radiosynoviorthese sinnvoll sein. Die Indikation ist dann gegeben, wenn sechs Monate nach der systemischen Basis- und der Kortisontherapie die Entzündung in den betroffenen Gelenken nicht gestoppt werden kann.“[1]
Hier bietet sich die RSO als zusätzliche Option an. Charakteristisch für die RSO ist ihre Interdisziplinarität, in der dem zuweisenden Arzt eine wichtige Rolle zukommt: Er stellt die Diagnose und sucht die Patienten für eine Überweisung aus. Die genauere Indikationsstellung erfolgt in der Regel im engen Austausch mit dem Nuklearmediziner. Dabei lokalisiert dieser die Entzündungsherde mit einer Weichteilszintigrafie, bevor er üblicherweise ambulant die RSO durchführt. Dabei finden drei verschiedene Nuklide mit unterschiedlicher Strahlungsreichweite und -energie Anwendung: Yttrium-90, Rhenium-186 und Erbium-169. Welches Radionuklid eingesetzt wird, hängt von der Größe des zu behandelnden Gelenks ab. Der zuweisende Arzt setzt nach der RSO die rheumatologische Basisversorgung fort.
Was genau geschieht bei einer Radiosynoviorthese? „Der Erguss im Gelenk wird zuerst punktiert. Danach werden die radioaktiven Kolloide in das entzündete Gelenk injiziert“, beschrieb der Nuklearmediziner Prof. Mödder die Anwendung. „Das behandelte Gelenk muss abschließend zwei Tage ruhig gestellt werden. Nebenwirkungen sind bei diesem gering invasiven Eingriff selten, die Strahlung verbleibt im Gelenk.“ Kontraindiziert ist die Behandlung bei Schwangerschaft, Laktation, Infektion des zu behandelnden Gelenks sowie bei Vorliegen einer Bakerzyste mit Ventilmechanismus. Kinder und Jugendliche sollten nur in Ausnahmefällen einer RSO unterzogen werden.
Generell gelte, so Mödder, dass die Therapieergebnisse der RSO umso besser sind, je früher sie eingesetzt wird. Die RSO kann zerstörte Knorpel und Knochen nicht reparieren, aber sie kann das Fortschreiten der Zerstörung aufhalten oder verzögern. Damit wird bei vielen Rheumapatienten nicht nur der Schmerz gelindert, sondern auch die Gelenkfunktion erhalten. In vielen Fällen reicht die Basistherapie wieder aus, wenn mithilfe der RSO die schlimmsten Entzündungsherde behandelt wurden.
Fallbeispiel aus der rheumatologischen Praxis
Die anhaltende Wirkung einer Radiosynoviorthese, die in der Regel innerhalb weniger Wochen einsetzt, dokumentierte Langer anhand eines Fallbeispiels aus seiner Praxis. Der Patient, 67 Jahre alt, wies eine seropositive rheumatoide Arthritis auf. Trotz der Dreifachkombination mit Methotrexat, Sulfasalazin und Chloroquin nach dem O’Dell- Schema und einer zusätzlichen Therapie mit niedrig dosierten Steroiden und NSAR litt der Mann unter Schwellungen und Schmerzen. Das Weichteilszintigramm zeigte eine deutliche synovialitis-typische Mehranreicherung im rechten Handgelenk und in der Handwurzel sowie in PIP III rechts und PIP IV links. Nach zwei aufeinander folgenden Behandlungen mit Rhenium-186 und Erbium-169 ergab sich unter Fortführung der medikamentösen Therapie einschließlich 2,5 mg Prednisolon eine klinisch anhaltende Vollremission, die Gelenke schwollen ab, der Patient war praktisch schmerzfrei. Die Remission hält danach weitgehend an, in den behandelten Gelenken ist kein Rezidiv und auch noch sechs Jahre später kein radiologischer Progress nachweisbar.
Prospektive Studien spiegeln den hier gezeigten Behandlungserfolg wieder. Eine Analyse, die 36 mit Yttrium-90 behandelte Kniegelenke einschloss, dokumentiert eine deutliche Schmerzreduktion bei 78% der Patienten.[2] In einer weiteren Studie, bei der Erbium-169 zur Behandlung von MCP und PIP eingesetzt wurde (n=166), zeigt sich eine deutliche Verbesserung bei 86%.[3] Auch im direkten Vergleich schneidet die RSO überzeugend ab: Eine 2jährige Placebo-kontrollierte, randomisierte Follow-Up-Studie verdeutlicht, dass eine RSO mit Rhenium-186 nach 18 und 24 Monaten Cortivazol gegenüber Placebo signifikant überlegen ist. So kam es in der RSO-Gruppe in 94% der Fälle zu einer deutlichen Schmerzreduktion und in 82% zum Rückgang der Schwellung bei 129 Schulter-, Ellenbogen-, Hand- und Sprunggelenken nach der Behandlung.[4]
In der abschließenden Diskussion waren sich die Referenten einig, dass die Radiosynoviorthese ein unverzichtbarer Baustein in der Behandlung rheumatischer Gelenkerkrankungen ist. Wesentlich für den Therapieerfolg ist dabei die enge, interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Nuklearmediziner und Rheumatologen – zum Nutzen des Patienten.
Quelle:
Symposium „Rheumatische Erkrankungen und Radiosynoviorthese“, 15. September 2005, Dresden, 33. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie, 14.-17. September 2005.
Autoren:
Satu Kaarina Schmidt
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Corinna Dünges
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Literatur:
[1] Mödder G, Die Radiosynoviorthese. Nuklearmedizinische Gelenktherapie in Rheumatologie und Orthopädie, 1995
[2] Farahati et al., Nuklearmedizin 2002;41:114-9
[3] Göbel et al. Z. Rheumatol, 1997;56:207-213
[4] Tebib et al. Clin Exp Rheum, 2004;22:609-616