Interview mit Prof. Dr. med. Gynter Mödder und Priv. Doz. Dr. med. H.E. Langer
In der Rheumatologie ist interdisziplinäre Zusammenarbeit gefragt
Einsatz der Radiosynoviorthese bei schmerzhaften Gelenkentzündungen – Ein Expertengespräch
Bei entzündlichen Gelenkerkrankungen leiden die Patienten unter chronischen Schmerzen, die in vielen Fällen mit konventionellen Schmerzmedikamenten oder lokalen Kortison-Injektionen nicht oder nur unzureichend behandelt werden können. Die Radiosynoviorthese kann in diesen Fällen vielen Patienten helfen: Bei rheumatoider Arthritis führt die RSO bei bis zu 80% der erfolglos vorbehandelten Patienten zu guten Resultaten. „Wichtig bei der Anwendung der Radiosynoviorthese ist eine effiziente Zusammenarbeit zwischen dem Nuklearmediziner und dem Rheumatologen. Dann ist sie eine wirksame Behandlungsalternative in der Rheumatologie “, so das gemeinsame Fazit von Prof. Dr. Gynter Mödder, Köln, und PD Dr. Hans-Eckhard Langer, Düsseldorf, bei einem Gespräch zu den Anwendungsgebieten und Chancen der Radiosynoviorthese.
Herr Prof. Mödder, Sie haben sich als Nuklearmediziner in Ihrer Praxis auf die Radiosynoviorthese spezialisiert und sind einer der führenden Experten auf diesem Gebiet. Was genau versteht man unter der Radiosynoviorthese?
M: Das Wort setzt sich zusammen aus ‚Radius’ für Strahl, ‚Synovialis’ steht für Gelenkschleimhaut und ‚orthesis’ heißt Wiederherstellung. Mithilfe einer lokalen radioaktiven Bestrahlung soll also die hypertrophierte Gelenkschleimhaut, wie sie bei schmerzhaften Gelenkentzündungen typisch ist, wieder hergestellt bzw. auf ihre normale Größe reduziert werden. Die Methode ist schon seit mehr als 50 Jahren bekannt und hat aber erst in den letzten zehn bis 15 Jahren an Bedeutung gewonnen. Allerdings könnten meiner Meinung nach noch mehr Patienten als bislang von dieser nebenwirkungsarmen Therapie profitieren.
Dr. Langer, welche Patienten sind es, denen eine Radiosynoviorthese helfen kann?
L: Das sollte man genau eingrenzen - es gibt immerhin mehr als 400 rheumatische Erkrankungen. Ausschlaggebend dafür, ob ein Einsatz der Radiosynoviorthese sinnvoll ist, ist die entzündliche Symptomatik, wie sie besonders bei der chronischen Polyarthritis typisch ist. Aber auch bei der Psoriasisarthritis, beim Morbus Bechterew mit peripherer Gelenkbeteiligung, einer aktivierten Arthrose oder bei chronischen Reizzuständen nach Prothesenimplantation kann die Radionuklidtherapie sinnvoll sein.
Hilft hier bei den meisten Patienten nicht auch schon die systemische medikamentöse Therapie?
L: Die medikamentöse Therapie mit Analgetika, Antirheumatika usw. ist in der Tat sehr wirksam und stellt einen wichtigen Baustein in der Rheumabehandlung dar. Trotzdem leiden viele Betroffene unter teils extrem schmerzhaften Gelenkentzündungen. Rheuma wird ja manchmal unterschätzt – tatsächlich kann die rheumatoide Arthritis aufgrund der bösartigen Wucherungen in Knorpel, Knochen und manchmal sogar Organen in vielen Fällen durchaus einen semi-malignen Charakter haben, einer Krebserkrankung nicht unähnlich.
Rheuma ist generell als systemische Erkrankung zu verstehen und sollte deswegen auch systemisch therapiert werden. Heißt: Moderne Konzepte der Rheumabehandlung zeichnen sich dadurch aus, dass verschiedene Methoden miteinander kombiniert werden. Der Erfolg der Behandlung hängt wesentlich davon ab, für die unterschiedlichen Krankheitsbilder und Krankheitssituationen die jeweils richtige Behandlungskombination zusammenzustellen. Jedem Patient muss seine individuelle Therapie quasi "maßgeschneidert" werden. Deswegen ist es umso wichtiger, dass wir umfassende Konzepte haben - die Radiosynoviorthese gehört hier dazu.
Herr Prof. Mödder, Sie führen die Radiosynoviorthese ambulant durch. In welcher Weise arbeiten Sie dabei mit den zuweisenden Ärzten zusammen?
M: Die Kooperation zwischen uns Nuklearmedizinern mit Rheumatologen und Orthopäden zeichnet sich dadurch aus, dass – wie dies schon mein Kollege dargestellt hat – unterschiedliche Therapien und damit verschiedene Experten gefragt sind. Ich stelle das gern mit einem Bild dar: Im Zentrum der Therapie eines Patienten steht der Rheumatologe, der wie ein Jongleur oder ein Artist mit den verschiedenen Therapieoptionen spielt und seinem Patienten die optimale Therapie zusammenstellt. Wenn diese ausgereizt sind bzw. zusätzliche Behandlungsbausteine gefragt sind, kommen andere Fachärzte zum Einsatz – wie beispielsweise der Nuklearmediziner.
Was heißt das ganz konkret – wie funktioniert die Überweisung und wer stellt die Diagnose?
L: Nun, in der Regel sorge ich dafür, dass der Patient ein stimmiges rheumatologisches Versorgungskonzept bekommt und stelle ihn auf die notwendige medikamentöse Therapie oder sonstige Behandlungen ein. Patienten, denen meiner Einschätzung nach eine Radiosynoviorthese helfen könnte, überweise ich direkt an Prof. Mödder. Die differenzierte nuklearmedizinische Diagnostik, u.a. mittels einer Weichteil- und Gelenkszinitigraphie, und die so genannte rechtfertigende Indikation erfolgt dort – da hat er die Kernkompetenz.
M: Ja, mithilfe des Weichteil-Szintigramms kann ich die Entzündungsherde exakt lokalisieren und weiß somit, wo genau ich mit der Radiosynoviorthese ansetze. Denn manchmal kann es passieren, dass ein Patient seinen Schmerz beschreibt, und der Herd sitzt eigentlich woanders.
Wie gehen Sie dabei vor? Treffen Sie bestimmte Vorbereitungen?
M:. Für die Radiosynoviorthese desinfiziere ich zuerst das Gelenk und entleere nach Punktion des Gelenks einen vorhandenen Erguss. Anschließend wird die Therapie durchgeführt, indem ich das Kolloid direkt in das Gelenk injiziere. Welches Kolloid ich appliziere – es stehen uns ja mit Rhenium, Yttrium und Erbium drei verschiedene zu Verfügung – hängt von der Gelenkgröße ab.
Behandeln Sie pro Sitzung jeweils nur ein Gelenk?
M: Nein, ich kann bei einem Termin mehrere Gelenke therapieren. Der genaue Therapieplan wird im Rahmen der Voruntersuchung mit dem Patienten abgestimmt.
Was muss nach der Behandlung beachtet werden?
M: Das Gelenk muss noch 48 Stunden nach der Therapie ruhig gestellt werden. Das ist wichtig, damit das Nuklid möglichst lange im Gelenk verbleibt.
Haben denn die Patienten keine Angst vor der radioaktiven Strahlung?
M: Nein, das Problem haben wir praktisch nie. Natürlich klären wir die Patienten über die Therapie auf und bieten auch weiterführende Literatur zu der Radiosynoviorthese an. Die Strahlung ist als unbedenklich zu bezeichnen, da die eingesetzten ß-strahlenden Radionuklide nur eine kurze Halbwertszeit besitzen und ausschließlich innerhalb des behandelten Gelenks wirken. Für das angrenzende Gewebe sind keine Schäden zu erwarten.
Was können Sie zu der Wirksamkeit der Therapie sagen? Gibt es dazu Studiendaten?
M: Viele Patienten spüren relativ schnell eine Besserung – oft schon nach wenigen Tagen. Bei anderen dauert es länger. Bis die Entzündung der Schleimhaut zurückgegangen ist, vergehen je nach Gelenk ca. zwei bis sechs Monate. Die Erfolgsraten liegen bei bis zu 80 Prozent. So hat eine Studie, die im vergangenen Jahr publiziert wurde, eine signifikante Überlegenheit von Rhenium-186 gegenüber einer intraartikulären Kortisontherapie mit Cortivazol nach 18 und 24 Monaten gezeigt.
Das zeigt, welchen hohen Stellenwert die RSO in der modernen Rheumatologie hat und auch in Zukunft haben sollte.
Vielen Dank für das Interview!