Yersinien-Arthritis: Wie lange ist eine antibiotische Therapie sinnvoll? Was tun bei Unverträglichkeit von Doxycyclin?
Ich bin Ärztin für Innere Medizin und habe eine Patientin, die bei Yersinien-Arthritis mit Doxycyclin behandelt wurde, dieses aber wegen Nebenwirkungen nicht mehr einnehmen kann. Ich möchte ihr eine Alternative (z.B. Gyrasehemmer oder auch Cotrimoxazol??, Cephalosporin??) verschreiben und hätte gerne gewußt, in welcher Dosierung und über welchen Zeitraum eine Antibiotika-Therapie sinnvoll ist. Auf Ihrer Homepage habe ich gelesen, daß die Therapieempfehlungen nicht einheitlich sind und die Therapie auch in einem erfahrenen Zentrum vorgenommen oder überwacht werden sollte. Können Sie mir bitte ein solches Zentrum im Raum … empfehlen? Wie ist der gegenwärtige Stand der Erkenntnis zur Therapie der Yersinien-Arthritis?
Mittlerweile liegen mehrere klinische Studien zur Therapie einer reaktiven Arthritis mit Antibiotika vor, die zwar in ihren Ergebnissen teilweise divergieren, insgesamt aber doch zu dem Ergebnis kommen, dass eine antibiotische Therapie bei reaktiver Arthritis nicht wirksam ist.
Dies schicke ich voraus, um Ihnen den gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen Diskussion zu vermitteln.
Wenn man sich die vorliegenden Studien im Detail ansieht, fällt auf, dass die Zahl der behandelten Patienten insgesamt sehr klein ist. Außerdem wurde oft nicht zwischen den einzelnen Auslösern unterschieden, beispielsweise posturethritischen Arthritiden oder postenteritischen Arthritiden. Nicht in jedem Fall ist nachzuvollziehen, ob es sich bei den in die Studien eingebrachten Patienten auch definitiv um infektreaktive Arthritiden gehandelt hat oder um Patienten mit einer seronegativen Arthritis und serologischen Befunden, aus denen dann die Diagnose der infektreaktiven Arthritis abgeleitet wurde. Weiterhin problematisch ist die Krankheitsdauer. Eine größere Zahl von Patienten mit infektreaktiven Arthritiden kommen erst nach einem längeren Intervall, manchmal erst nach Monaten, zum Rheumatologen. Es ist bis heute ungeklärt, ob zu einem solchen Zeitpunkt die immunologische Situation bei diesen Patienten dieselbe ist wie zu Beginn der Erkrankung, d.h. bei der Manifestation der Arthritis unmittelbar im Anschluß an die initiale Infektion.
Persönlich verfüge ich über eine, leider nie systematisch ausgewertete, größere Zahl von Beobachtungen, bei denen eine längerdauernde antibiotische Therapie mit Doxycyclin (2 x 100 mg/ d über mindestens 3 Monate, in einigen Fällen 4 Monate) speziell bei einer yersinien-induzierten Arthritis zu einer anhaltenden und dauerhaften Remission führte.
Daß es sich dabei wahrscheinlich nicht nur um Spontanremissionen handelte, lässt eine älter schwedische Arbeit von Marsal et al aus Schweden vermuten (Br Med J (Clin Res Ed) 1981 Jul 11;283(6284):101-3), bei der 31 Patienten mit Yersinien-Arthritis über 4 Jahre nachuntersucht wurden. 4 Jahre später wurde bei 3 dieser 31 Patienten eine ankylosierende Spondylitis diagnostiziert, bei 3 eine radiologisch nachweisbare Sakroileitis, bei 3 eine Tenosynovitis von Extensor-Sehnen, bei 5 eine Monarthritis oder Oligoarthritis und bei 10 lokalisierte Arthralgien ohne Arthritis-Zeichen, ein Patient hatte eine erosive seropositive rheumatoide Arthritis entwickelt. Lediglich 6 der 31 Patienten waren nach Ablauf von 4 Jahren vollkommen beschwerdefrei.
Vergleichbare Effekte wie die Ergebnisse von Doxycyclin bei der Yersinienarthritis habe ich bei der antibiotischen Langzeittherapie bei anderen infektreaktiven Arthritiden persönlich nie beobachtet, obwohl wir sie eine ganz Zeit lang auch dort durchgeführt haben. Speziell schlechte Erfahrungen habe ich bei der antibiotischen Therapie von posturethritischen infektreaktiven Arthritiden in der Folge einer Infektion mit Chlamydia trachomatis.
Aus unserer Erfahrung scheint eine antibiotische Langzeittherapie mit Doxycyclin bei der yersinien-induzierten Arthritis immer dann erfolgreich zu sein, wenn es im Verlauf von 1-2 Monaten unter der Therapie zu einem Rückgang der Yersinien-IgA-Antikörper-Titer im ELISA kommt. Konnten wir umgekehrt unter der antibiotischen Therapie einen solchen Rückgang nicht beobachten, kam es bei diesen Patienten in der Regel auch nicht zu einem Rückgang der klinischen Symptome.
Die Veränderungen im ELISA gingen dabei der Besserung der klinischen Symptome um eine gewisse Zeit voraus, manchmal sogar 4 und mehr Wochen. Der Abfall der IgA-Titer im ELISA war bei einigen Patienten der Grund, sie trotz persistierender Symptome noch über den initial geplanten Zeitraum von 3 Monaten hinaus weiter mit Doxycyclin zu therapieren.
Retrospektiv und auch aktuell ist mir nicht klar, ob es sich bei der Wirkung von Doxycyclin bei der yersinien-induzierten Arthritis um eine rein antibiotische Wirkung handelt, um eine davon völlig unabhängige immunmodulatorische Wirkung (analog zur DMARD-Therapie bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen, d.h. um eine Art „basistherapeutische“ Wirkung) oder um eine Kombination von beidem.
Studien zum Einsatz von Minocyclin bei der rheumatoiden Arthritis deuten darauf hin, dass Tetracycline möglicherweise eine solche immunmodulatorische Wirkung aufweisen.
Bei unseren Patienten mit yersinien-induzierter infektreaktiver Arthritis, bei denen es unter der Doxycyclin-Therapie nicht zu einem Abfall der IgA-Titer im ELISA und nicht zu einer Besserung der klinischen Symptome kam, haben wir am Anfang auf ein anderes antibiotisches Regime gewechselt, in der Regel auf Gyrasehemmer (seinerzeit Tarivid 2 x 100 mg/d). Soweit ich mich erinnere, haben wir darunter bei keinem Patienten eine Änderung gesehen, weder im Hinblick auf die serologischen Befunde noch hinsichtlich der klinischen Symptome. Dies spräche etwas für eine zumindest zum Teil über immunmodulatorische Mechanismen vermittelte Wirksamkeit von Doxycyclin.
In der Konsequenz dieser Beobachtung haben wir diesen Behandlungsansatz, d.h. den Wechsel auf andere Antibiotika nach Therapieresistenz unter Doxycyclin, später nicht mehr verfolgt, sondern sind dazu übergegangen, solche Patienten mit einem konventionellen langwirksamen Antirheumatikum (LWAR, DMARD) analog zur Therapie einer rheumatoiden Arthritis oder insbesondere auch einer seronegativen Spondarthritis zu behandeln, vorzugsweise als Mittel der ersten Wahl mit Sulfasalazin, nicht zuletzt wegen der nosologischen Verwandtschaft der reaktiven Arthritis mit seronegativen Spondarthritiden.
Gegenwärtig scheint auch allgemein in der Rheumatologie die Therapie mit traditionellen LWAR die gängige Strategie bei der Therapie chronisch verlaufender oder sich chronifizierender infektreaktiver Arthritiden zu sein. Dabei kommt neben Sulfasalazin insbesondere auch Methotrexat zum Einsatz, wobei meine persönlichen Erfahrungen mit Sulfasalazin bei der Yersinienarthritis besser sind als diejenigen mit Methotrexat. Bei sehr hoher, anhaltender und selbst durch den Einsatz von Steroiden nicht zu kontrollierender Krankheitsaktivität deuten Einzelfallberichte auf eine z.T. exzellente Wirksamkeit von TNF-alpha-Blockern, was das Konzept unterstreichen würde, dass es sich zumindest bei diesen Fällen bzw. Krankheitsstadien primär um eine immunologisch vermittelte Erkrankung und nicht mehr um ein primär durch die Persistenz bakterieller Erreger vermitteltes Krankheitsbild handelt.
Ob die völlige Abkehr von einer antibiotischen Therapie bei V.a. eine chronische Yersinien-Infektion und bei resultierenden klinischen Symptome außerhalb der primären Infektion im Bereich des Gastrointestinaltraktes sinnvoll ist, vermag ich derzeit nicht zu beurteilen. Von vielen Mails und Fallschilderungen, die im Zusammenhang mit rheuma-online an mit herangetragen werden, bekomme ich zunehmend den Eindruck, dass Yersinien sehr lange persistieren können und die Infektion ausgesprochen chronische Verläufe entwickeln kann. Unter diesem Gesichtspunkt ist es aus meiner Sicht vermutlich sinnvoll, auch wenn eine Wirkung auf die Arthritis nicht gesichert ist, zumindestens zur Elimination der Erreger eine konsequente antibiotische Therapie durchzuführen, um wenigstens für die Zukunft einen anhaltenden Trigger für das Immunsystem auszuschalten.
Dabei gehen die Empfehlungen der Mikrobiologen dahin, in erster Linie Doxycyclin einzusetzen, alternativ Trimethoprim-Sulfamethoxazol oder Gyrasehemmer, dabei aktuell wohl in erster Linie Levofloxacin.
Adressen von Behandlern vermitteln wir bei rheuma-online grundsätzlich nicht.
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