Therapie mit Humira und Vorgehen bei geplanten operativen Eingriffen
Wegen einer rheumatoiden Arthritis werde ich derzeit mit Arava behandelt. Nun soll zusätzlich eine Behandlung mit Humira begonnen werden. Gleichzeitig ist jetzt eine Operation geplant. Bei mir soll eine kleine Zyste am Zeh operiert werden, und ich soll Arava eine Woche vorher absetzen.
Muss Humira auch vor einer OP abgesetzt werden? Wenn ja, wie lange vorher?
Wäre es sinnvoll, den Beginn auf später zu verschieben? Der Chirurg fand in seinem Computer und in seinen Büchern zu Humira keine Info.
Es gibt derzeit noch keine gesicherten allgemeinen Empfehlungen zum Vorgehen bei geplanten operativen Eingriffen und einer Therapie mit TNF-alpha-Blockern.
Ich habe gerade ganz aktuell für Enbrel eine ganz ähnliche Frage beantwortet und gebe sie im folgenden wieder. Anschließend dann eine Antwort von unserem Experten und Beiratsmitglied Dr. Hübner, die er anlässlich einer Anfrage im TIZ-Experten-Telefon gegeben hat. Dort findet sich auch eine Anhaltszahl dazu, wann unter einer Therapie mit Humira vor einer geplanten Operation die Behandlung unterbrochen werden sollte und wann nach der Operation damit wieder begonnen werden kann / begonnen werden sollte.
Grundsätzlich richtet sich das Vorgehen aber unabhängig von diesen generellen Empfehlungen nach der Art des Eingriffs (z.B. groß – klein, Weichteileingriff – Knochenoperation etc.) und nach der Erkrankung, insbesondere der aktuellen Krankheitsaktivität und dem therapeutischen Ansprechen auf die bisherige Behandlung (z.B. schnelles oder nur verzögertes Ansprechen auf die Therapie mit dem TNF-alpha-Blocker, sofortige Zunahme der Krankheitsaktivität bei Therapiepausen in der Vorgeschichte oder relativ problemloser Verlauf unter solchen Therapiepausen), eventuell vorliegenden Begleiterkrankungen (z.B. Diabetes mellitus = Zuckerkrankheit) mit einem erhöhten Risiko für Wundheilungsstörungen und Infektionen sowie der sonstigen Medikation (z.B. Cortison oder Kombination mit anderen langwirksamen antirheumatischen Substanzen / DMARDs und / oder Immunsuppressiva, für die ein erhöhtes Risiko für Wundheilungsstörungen und Infektionen bekannt ist).
Wenn eine Therapie mit Humira erst geplant und noch nicht begonnen worden ist und der Operationszeitpunkt in nicht allzu weiter Ferne liegt, wäre meine Empfehlung, in einem solchen Fall zunächst die Operation durchzuführen und mit der Humira-Therapie mit Abschluß der Wundheilung zu beginnen, da man dann auf jeden Fall auf der sicheren Seite ist.
Meine Antwort auf die Frage zur Therapie mit Enbrel vom 8. März 2004:
Wenn eine Operation geplant werden kann, z.B. eine Gelenkersatz-Operation (künstlicher Gelenkersatz, TEP = totale Endoprothese) oder andere planbare Eingriffe, sollte zwischen der letzten Enbrel-Spritze und der Operation ein Zeitraum von mindestens einer Woche liegen, bei Remicade ein Zeitraum von mindestens 4 Wochen.
Im Hinblick auf das Vorgehen bei geplanten operativen Eingriffen gibt es für die Therapie mit Enbrel keine allgemeinverbindlichen Empfehlungen, da es dazu auch noch zu wenig Erfahrungswerte gibt.
Generell kann man sagen, daß es sehr von der Art des Eingriffs und der individuellen Situation im Einzelfall abhängt, ob die Therapie mit Enbrel vor der Operation unterbrochen / ausgesetzt werden sollte oder ob die Behandlung unverändert fortgeführt werden kann. Eine Rolle spielt dabei u.a. auch die Grunderkrankung, wegen derer die Therapie mit Enbrel durchgeführt wird, die aktuelle Krankheitsaktivität und die Krankheitsaktivität in der Vergangenheit, die Art des therapeutischen Ansprechens auf Enbrel (schnell oder nur zögerlich) und auch das Alter des Patienten und Begleiterkrankungen sowie mögliche Komplikationen im bisherigen Krankheitsverlauf.
Hintergrund der Frage, ob vor der Operation eine Therapiepause mit Enbrel gemacht werden sollte sind vor allem zwei Aspekte:
· zum einen die Frage, ob die Fortführung der Therapie mit Enbrel einen Einfluß auf die Wundheilung hat
· zum anderen die Frage, ob bei einer Fortführung der Therapie mit Enbrel perioperativ und postoperativ, d.h. während und nach der Operation, mit einem erhöhten Infektionsrisiko zu rechnen ist.
· Dieses erhöhte Infektionsrisiko kann sich einerseits unmittelbar auf das Operationsgebiet beziehen, d.h. Infektionen im Bereich der Operationswunde / im Bereich der Naht, zum anderen aber auch auf nicht unmittelbar betroffene Organe wie die Lunge oder die Harnwege, die aber mittelbar im Zusammenhang mit der Operation auch eine Rolle spielen (die Lunge insbesondere dann, wenn eine Intubationsnarkose durchgeführt wird, d.h. eine Narkose mit Beatmung, speziell auch, wenn es sich um längere operative Eingriffe mit entsprechend längeren Narkosezeiten und u.U. sogar Nachbeatmungen und postoperativen Überwachungen auf der Intensivstation handelt).
Im Fall der Operation eines grauen Stars handelt es sich um einen vergleichsweise unkomplizierten Eingriff mit einem allgemein sehr niedrigen Infektionsrisiko und einem allgemein relativ niedrigen Risiko hinsichtlich Wundheilungsstörungen. Unter diesem Gesichtspunkt ist es in der Tat möglich, die Therapie mit Enbrel unverändert fortzuführen, wenn dies aus rheumatologischer Sicht sinnvoll ist. Dabei sollte man allerdings das Timing der Operation und / oder der Enbrel-Injektionen so wählen, daß die Enbrel-Injektion nicht gerade auf den Operationstag fällt.
Eine mögliche Problematik im Zusammenhang mit der Operation eines Grauen Stars mit Einsetzen einer neuen Linse oder einer Hornhaut-Transplantation ist eine entzündliche Reaktion als Reaktion auf das Implantat oder Transplantat. Theoretisch ist von der Enbrel-Therapie als einer entzündungshemmenden Therapie zu erwarten, daß diese Behandlung das Risiko für solche entzündlichen Reaktionen im Bereich der Hornhaut reduziert. Allerdings gibt es dazu meines Wissens bislang keine systematischen Untersuchungen oder Fallberichte etc. Allerdings wäre dies ein Argument dafür, die Enbrel-Therapie unverändert fortzusetzen.
Ich übernehme diese Überlegung von den Stellungnahmen einer ganzen Reihe von Augenärzten zur Frage der Fortsetzung einer Methotrexat-Therapie im Zusammenhang mit der Operation eines Grauen Stars. Hier wird von den Operateuren oft so argumentiert wie oben, nämlich daß sie annehmen, daß es unter der Fortsetzung der Methotrexat-Therapie möglicherweise in einem geringeren Maße zu der beschriebenen entzündlichen Reaktion im Auge kommt.
Eine weitere Frage im Zusammenhang mit einer Enbrel-Therapie und Operationen behandelt die Frage zu Etanercept vom 17. Februar 2004:
Therapiepause von Etanercept vor Operationen?
Keywords: Etanercept * Enbrel * Operationen * perioperative Vorgehensweise * Augenoperation * Katarakt-Op
Hier nun die Antwort von Dr. Hübner vom 17. Februar 2004:
In den „Überarbeitete(n) Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie zur Therapie mit Tumornekrosefaktor-hemmenden Wirkstoffen bei entzündlich rheumatischen Erkrankungen (Stand Juli 2002)“ heißt es:
“ Zum Einsatz von TNF-Blockern vor, während und nach operativen Eingriffen liegen keine ausreichenden Erfahrungen vor; im Falle einer geplanten Operation sollten die behandelnden Ärzten miteinander Kontakt aufnehmen.“
Aus der unsicheren Situation heraus entstanden so in diesem geschilderten Fall unterschiedliche Empfehlungen.
Da unter einer solchen Therapie gelegentlich Wundheilungsstörungen und vermehrt Infekte auftreten können, pausieren wir in der Rheumaklinik Ratingen TNF – hemmende Therapien prä- und postoperativ in Abhängigkeit von der Wirkdauer bzw. „Halbwertszeit“ der verabreichten Substanz, der Aktivität der Arthritis und dem Operationsgebiet.
So ist bei einer Fußoperation in der Regel mit einer größeren Rate von Infektionen und Wundheilungsstörungen zu rechnen als bei Operationen an der Hand und daher eher eine längere Therapiepause ratsam.
Ist die Gelenkentzündung sehr aktiv und eine Therapiepause sehr wahrscheinlich oder erfahrungsgemäß mit einer heftigen Reaktivierung der Arthritis verbunden, ist auch, wie hier vom behandelnden Rheumatologen bei einer Handoperation empfohlen, eine nur unmittelbar perioperative Therapiepause gerechtfertigt.
Wir nehmen in der Regel die TNF – hemmende Therapie postoperativ bei komplikationsloser Wundheilung ohne Infekthinweis wieder auf.
Eine Hilfestellung in der Entscheidung bieten die Informationen der „Arbeitsgemeinschaft Regionaler Kooperativer Rheumazentren in der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie“. Hier heißt es für Etanercept (Enbrel):
„Es liegen noch keine Daten bezüglich des Infektionsrisikos bei chirurgischen Eingriffen unter Etanercepttherapie vor. Insofern sollte eine Etanercepttherapie bei elektiven Eingriffen (d.h. planbaren Wahloperationen) mindestens 1 Woche vorher pausiert werden.“
Analog wird für Infliximab (Remicade) ein Zeitraum von 4 Wochen genannt, und für Adalimumab (Humira) sind 2 Wochen im Gespräch (die offizielle Empfehlung ist noch nicht verabschiedet) und eine Wiederaufnahme der Therapie frühestens 2 Wochen postoperativ.
Experte: Dr. med. Georg Hübner