Psoriasisarthritis – Wann mit einer langwirksamen antirheumatischen Therapie („Basistherapie“) beginnen?
Ich bin 28 Jahre und habe seit 12 Jahren Gelenksbeschwerden abwechselnd im linken, jetzt im rechten Knie (chronische Schwellung). Seit ich 13 bin, habe ich auch Psoriasis, die ich zurzeit jedoch gut im Griff habe (Kopfhaut, Ellbögen).
Seit 2 Jahren habe ich auch Beteiligung der Ellbogen und des Kiefergelenkes. Die Beschwerden im Kiefergelenk konnte ich jedoch mit einer Aufbißschiene lindern.
Im rechten Kniegelenk und in den Ellbogen habe ich jedoch schon
Bewegungseinschränkungen, was mir große Sorgen macht, auch im Kiefergelenk.
Ich war schon sehr früh bei Rheumatologen. Die schickten mich jedoch wegen zu wenig Beschwerden wieder nach Hause. Vor ca. 1,5 Jahren war ich bei einem Rheumatologen, der mir Deflamat verschrieben hat (2 x täglich). Da ich von dieser rein symptomatischen Therapie nicht begeistert war, brach ich sie ab.
Ich ging vor ca. einem halben Jahr zu einem Rheumatologen, der mir die Diagnose seronegative Oligarthritis stellte (Blutbefund, Kniepunktat). Er empfahl mir eine Basistherapie mit Resochin und bei Schmerzen NSAR.
Aus Angst vor den Nebenwirkungen wollte ich vorher noch eine homöopathische Behandlung probieren. Diese hat bis jetzt jedoch wenig Erfolge. Zusätzlich habe ich kürzlich meine Ernährung umgestellt nach der TCM. Ich habe das Gefühl alles ausprobieren zu müssen, bevor ich zu diesen starken Medikamenten greife (Nebenwirkungen, was ist, wenn ich ungewollt schwanger werde; komme ich von den Medikamenten wieder weg, wenn ich einmal beginne..). Und was, wenn ich dieses Medikament nicht vertrage (Augen), kommt dann das nächst stärkere?
Was raten Sie mir?
Die Psoriasis-Arthritis und Psoriasis-Spondarthritis, d.h. eine Beteiligung von Gelenken und Wirbelsäule bei einer Psoriasis (Schuppenflechte) gehören in die Gruppe der entzündlich-rheumatischen Erkrankungen. Es handelt sich damit um schwerwiegende Krankheitsbilder, die bei fehlender oder unzureichender Behandlung zu erheblichen Folgen für die Gesundheit, die Lebensqualität und das Leben der Betroffenen und zu tiefgreifenden Beeinträchtigungen bei der Haushaltsarbeit und der beruflichen Tätigkeit, aber auch in der Familie und in der Freizeit führen können.
So entwickeln im Krankheitsverlauf einer Psoriasis-Arthritis 40-57% der Patienten eine deformierende Arthritis, d.h. Gelenkverformungen und Zerstörungen von Gelenkknorpel und Knochen, bei 17% der Patienten mit deformierender Arthritis sind 5 und mehr Gelenke betroffen, und bei 11-19% der Betroffenen kommt es zu einer anhaltenden und bedeutsamen Behinderung. Andere Angaben nennen sogar einen progressiv-destruierenden Verlauf mit Beteiligung von 5 und mehr Gelenken bei mehr als 40% der Betroffenen und eine schwere funktionelle Beeinträchtigung bei 11%.
Anfangs wurde angenommen, dass es sich bei der Psoriasisarthritis um eine vergleichsweise harmlose Erkrankung handelt, die nur wenige Gelenke betrifft und in der Langzeitperspektive nur mit wenig Gelenkdestruktion (Schäden an Knochen und Gelenken) einhergeht. Zunehmend wird aber, wie bei der rheumatoiden Arthritis, deutlich, dass es sich bei der Psoriasisarthritis in vielen Fällen um ein schwerverlaufendes, folgenschweres Krankheitsbild handelt, das mit einem polyartikulären Gelenkbefall, fortschreitender Gelenkzerstörung, zunehmender Einschränkung der funktionellen Kapazität bis hin zu schwerer Behinderung und sogar mit einem erhöhten Sterblichkeitsrisiko einhergeht.
Die Diagnose einer Psoriasisarthritis wird oft erst nach längerem Krankheitsverlauf gestellt. Daraus resultiert, dass Patienten mit Psoriasisarthritis oftmals noch seltener als Patienten mit vergleichbaren entzündlich-rheumatischen Erkrankungen, beispielsweise der rheumatoiden Arthritis, eine adäquate Therapie bekommen und in der Folge entzündliche Veränderungen an den Knochen und Gelenken, der Wirbelsäule und anderen Strukturen des Bewegungssystems erleiden, die bei rechtzeitiger Einleitung einer angemessenen Behandlung in vielen Fällen zu vermeiden sind.
Die Probleme mit der Diagnose einer Psoriasis-Arthritis liegen zum einen daran, dass die Erkrankung oft nicht ganz typisch beginnt und insbesondere Ärzte, die rheumatologisch nicht sehr erfahren sind, zunächst an andere Ursachen der Beschwerden glauben. Speziell bei der Wirbelsäulenbeteiligung wird häufig zunächst eine bandscheibenbedingte Problematik vermutet.
In vielen Fällen wird auch keine Verbindung mit den Hautveränderungen und den Symptomen im Bereich des Bewegungssystems hergestellt. Selbst Betroffenen ist oft der Zusammenhang zwischen Haut und Gelenken nicht bekannt.
Weitere diagnostische Schwierigkeiten resultieren daraus, dass es charakteristische Laborbefunde für die Diagnose einer Psoriasisarthritis nicht gibt.
Das vermutlich größte diagnostische Problem bei der Psoriasis-Arthritis und der Psoriasis-Spondarthritis dürfte allerdings darin bestehen, dass diese Krankheitsbilder innerhalb der Gruppe der entzündlich-rheumatischen Erkrankungen eine Sonderstellung einnehmen.
So sind beide Erkrankungen dadurch gekennzeichnet, dass sie im Vergleich zu anderen entzündlichen Erkrankungen trotz Vorliegen einer hohen Krankheitsaktivität und raschem Fortschreiten der entzündlichen Veränderungen an Knochen, Wirbelsäule und Gelenken oft nur wenig systemische Entzündungsphänomene aufweisen. Man nennt dieses Reaktionsmuster auch „pauci-immun“ (von griech. pauci = wenig).
So sind bei einer Psoriasis-Arthritis oder Psoriasis-Arthritis selbst in hochakuten Schubsituationen z.T. nur diskrete Entzündungszeichen bei den üblichen Blutuntersuchungen nachweisbar (z.B. Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) oder c-reaktives Protein, CRP), manchmal fehlen entsprechende systemische Entzündungszeichen sogar völlig.
Hilfreich sind bei diesen Patienten zum Teil andere systemische Aktivitätsparameter, wie beispielsweise erhöhte Immunglobline im Serum, insbesondere auch erhöhte Werte für IgA (Immunglobulin A).
Da bei den Blutuntersuchungen keine Entzündungszeichen gefunden werden, wird deshalb oft ein entzündlich-rheumatisches Krankheitsbild ausgeschlossen, obwohl
ansonsten die klassischen Symptome und Befunde einer Psoriasis-Arthritis oder einer Psoriasis-Spondarthritis vorliegen.
Das Ziel der modernen Therapie einer Psoriasis-Arthritis bzw. Spondarthritis ist es, das Eintreten von röntgenologisch sichtbaren Veränderungen an Knochen, Gelenken oder Wirbelsäule zu verhindern.
Leider beginnt aber eine adäquate Therapie der Psoriasis-Arthritis oftmals erst spät, nicht zuletzt wegen der beschriebenen diagnostischen Probleme. Deshalb sieht man bei einer größeren Zahl von Patienten bereits bei der Erstdiagnose charakteristische Veränderungen im Röntgenbild, die dann die Diagnosestellung selbst bei solchen Patienten erlauben, bei denen aktuell keine Psoriasis an der Haut nachweisbar ist oder bei denen sich die Psoriasis bislang im Krankheitsverlauf noch nicht an der Haut manifestiert hatte.
Es gehört zu den wesentlichen Erkenntnissen der modernen Rheumatologie, dass sich die schwerwiegenden Folgen bei vielen entzündlich-rheumatischen Erkrankungen umso eher vermeiden oder zumindest abschwächen lassen, wenn die Erkrankung so früh wie nur irgend möglich wirksam behandelt wird. Von der rheumatoiden Arthritis weiß man, dass es bei diesem Krankheitsbild ein sogenanntes therapeutisches Fenster von ca. 12 bis 14 Wochen nach Krankheitsbeginn gibt, in dem durch eine zielgerichtete, effiziente Therapie im günstigsten Fall sogar anhaltende Remissionen erzielt werden können.
Auch im weiteren Krankheitsverlauf sind heute bei der Therapie vieler entzündlich-rheumatischer Erkrankungen erhebliche Fortschritte gemacht worden. So ist es heute auch bei bereits eingetretenen Röntgenveränderungen möglich, durch moderne Medikamente ein weiteres Fortschreiten der Entzündungsprozesse zu stoppen und unter optimalen Bedingungen sogar Heilungsphänomene einzuleiten.
Eine wesentliche Voraussetzung für einen optimalen therapeutischen Erfolg ist die möglichst frühe Diagnose. Untersuchungen zur rheumatoiden Arthritis zeigen, dass schwerwiegende Gelenkschäden bereits innerhalb der ersten ein bis zwei Jahre nach Erkrankungsbeginn auftreten. Eine hochaktive rheumatoide Arthritis kann schon während der ersten Krankheitsmonate zu irreversiblen, dauerhaften Gelenkschäden führen. Die Chancen auf eine komplette Remission und die Einleitung einer Heilung sinken mit zunehmender Krankheitsdauer und mit dem Fortschreiten der entzündlichen Prozesse.
Für die Psoriasis-Arthritis und die Psoriasis-Spondarthritis liegen derzeit entsprechende Untersuchungen noch nicht in dem Umfang wie bei der rheumatoiden Arthritis oder beim M. Bechterew vor. Zunehmend wird aber auch hier deutlich, dass sich die Prognose eines Patienten mit Psoriasis-Arthritis und Psoriasis-Spondarthritis ganz wesentlich in den ersten Monaten und in den nachfolgenden ersten ein bis zwei Jahren nach Krankheitsbeginn entscheidet.
Bei Verdacht auf das Vorliegen einer Psoriasis-Arthritis oder Psoriasis-Spondarthritis sollte deshalb mit Nachdruck eine gezielte Diagnostik erfolgen, damit frühzeitig und rechtzeitig eine wirksame Therapie eingeleitet werden kann. Im Zweifelsfalle empfiehlt es sich, lieber einmal zu viel als einmal zu wenig eine Untersuchung bei einem spezialisierten Rheumatologen zu veranlassen.
Die modernen Therapiekonzepte der Psoriasis-Arthritis können heute auf eine ganze Reihe von wirksamen Behandlungsverfahren zurückgreifen.
Die besten therapeutischen Erfolge lassen sich bei Anwendung der traditionellen langwirksamen Antirheumatika mit niedrig dosiertem Methotrexat erzielen, bei manchen Patienten ist aber auch intramuskulär verabreichtes Gold gut wirksam. Einige Patienten profitieren von Sulfasalazin. Neuere Studien zeigen eine sehr gute Wirksamkeit von Leflunomid (Arava). Für Resochin ist eine Wirkung bei der Psoriasisarthritis nicht gut belegt.
Bei Versagen der traditionellen langwirksamen Antirheumatika sollten die neuen biotechnologischen Medikamente zum Einsatz kommen. Aus dieser Gruppe ist derzeit Etanercept (Enbrel) in Deutschland für die Therapie der Psoriasisarthritis zugelassen.
Hinsichtlich der in der Regel überhaupt nicht auftretenden, möglichen Nebenwirkungen sollte man zunächst und in allererster Linie darüber nachdenken, welche sicheren „Nebenwirkungen“ durch die Krankheit selber zu erwarten sind. Der bisherige Krankheitsverlauf hat in Ihrem speziellen Fall ja bereits gezeigt, dass der Verzicht auf eine wirksame Therapie nicht ohne Folgen geblieben ist.
Eine Schwangerschaft sollte grundsätzlich bei allen genannten Medikamenten nicht eintreten. Allerdings gibt es ja heute eine Reihe von Möglichkeiten, um die Wahrscheinlichkeit einer ungewollten Schwangerschaft sehr gering zu halten.
Bei allen genannten Medikamenten handelt es sich nicht um Präparate, von denen man wie im Falle von Rauschmitteln / Drogen wie Heroin oder Kokain abhängig wird. Insofern gibt es beim Absetzen auch keinen Entzug im eigentlichen Sinne. Allerdings kann ein zu schnelles Beenden der Therapie dazu führen, dass man einen Rückfall erleidet und die Krankheitsaktivität erneut wieder auftritt.
Im übrigen rate ich im Hinblick auf die Therapie und die Notwendigkeit einer wirksamen Therapie sehr zur Lektüre des Beitrags zur chronischen Polyarthritis in Rheuma von A-Z, weil dort recht gut beschrieben ist, worum es im Kern bei der Therapie schwer verlaufender, entzündlich-rheumatischer Erkrankungen geht.
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