Läßt die Wirkung einer Therapie mit TNF-alpha-Blockern im Behandlungsverlauf nach? Oder ist das Gegenteil der Fall?
Einige Anwender sprechen nach einer gewissen Anwendungszeit von einer
nachlassenden Wirkung. Des weitern habe ich einen Bericht von einer
Lernfähigkeit des Immunsystems gelesen und der damit verbundenen Möglichkeit der späteren Dosisreduzierung/verlängerte Zeitintervalle.
Welche Erfahrungen haben Sie?
Grundsätzlich gibt es bei der Therapie mit TNF-alpha-Blockern keinen Gewöhnungseffekt oder vergleichbare Effekte, die im Behandlungsverlauf zu einer nachlassenden Wirksamkeit führen.
Aus den klinischen Studien zur Therapie der rheumatoiden Arthritis (chronischen Polyarthritis) mit Etanercept (Enbrel), die mittlerweile einschließlich der anschließenden Nachbeobachtungsphasen Therapiezeiträume von mehr als 6 Jahren überschauen, wissen wir, daß die hohe Wirksamkeit dieser Substanz unverändert über den gesamten Behandlungszeitraum anhält und hinsichtlich einiger Wirksamkeitsparameter, z.B. der funktionellen Kapazität, im Verlauf z.T. sogar immer weiter zunimmt.
Vergleichbare Daten liegen auch für die beiden anderen TNF-alpha-Blocker Infliximab (Remicade) und Adalimumab (Humira) vor, wobei hier z.T. etwas kürzere Beobachtungszeiträume publiziert sind.
Ein spezielles Problem des monoklonalen TNF-alpha-Antikörpers Infliximab ist der produktionstechnisch bedingte geringe Mausanteil, gegen den der Körper Antikörper bilden kann. Diese Antikörper nennt man HACA´s (Humane Antichimäre Antikörper, nach der Chimäre aus der griechischen Fabelwelt benannt; eine Chimäre ist ein Lebewesen mit menschlichen und tierischen Anteilen).
HACA´s können dazu führen, daß der Antikörper selber in seiner Wirkung abgeschwächt wird oder sogar weitgehend seine Wirkung verliert. Im Verlauf der Therapie äußert sich dies dadurch, daß die Dosisintervalle immer kürzer werden, d.h. die Remicade-Infusionen immer häufiger erfolgen müssen und / oder die Dosis pro Infusion gesteigert werden muß, um denselben therapeutischen Effekt zu erzielen wie zu Therapiebeginn.
Bei der Therapie der rheumatoiden Arthritis kommt es in geringerem Maße zu einer HACA-Bildung, wenn die Remicade-Therapie in Kombination mit Methotrexat (Mtx) erfolgt. Dies ist der Grund, warum Remicade für die Therapie der rheumatoiden Arthritis nur in Kombination mit Mtx zugelassen ist.
Antikörper gegen den Antikörper bzw. den löslichen Rezeptor können auch bei den anderen beiden Substanzen auftreten. Wie bei Infliximab unterscheidet man auch hier sogenannten neutralisierende Antikörper, die die Wirksamkeit der TNF-alpha-Blockade abschwächen oder aufheben, von sogenannten nicht-neutralisierenden Antikörpern, die nicht mit einem Wirkungsverlust der Substanz einhergehen.
Da der lösliche TNF-alpha-Rezeptor Etanercept (Enbrel) vollständig biotechnologisch synthetisiert wird und keine nicht-menschlichen Anteile enthält, ist die Häufigkeit von neutralisierenden Antikörpern sehr niedrig. Adalimumab ist ein sogenannter vollständig humanisierter Antikörper und enthält damit auch keine Mausanteile. Auch bei dieser Substanz kommt es nur in einem niedrigen Prozentsatz zum Auftreten von neutralisierenden Antikörpern.
Ob es bei der Therapie mit TNF-alpha-Blockern eine Art Lernfähigkeit des Immunsystems gibt, die zu einer Dosisreduktion im Verlauf führt, ist nicht bekannt und auch theoretisch schwer vorstellbar.
Bekannt ist allerdings, daß mit nachlassender Krankheitsaktivität im Verlauf einer Behandlung mit TNF-alpha-Blockern bei einem Teil der Patienten die Therapieintervalle verlängert werden können, z.B. im Fall von Enbrel die Injektionen nicht mehr zweimal pro Woche gegeben werden müssen, sondern nur noch alle 5 Tage oder jede Woche oder bei einigen Patienten in sogar noch viel längeren Zeitabständen (in Einzelfällen nur alle 4 oder 6 Wochen oder sogar in noch größeren Zeitabständen).
Allerdings gibt es gegenwärtig keine klinische Studien dazu, die beweisen, daß eine solche Verlängerung der Injektionsintervalle auch dieselbe schützende Wirkung gegen ein Fortschreiten der Erkrankung an Gelenkknorpel und gelenknahem Knochen hat wie die Standardtherapie. Man kann zwar vermuten, daß es bei einer kompletten klinischen Remission auch zu einem Stop der radiologisch sichtbaren Gelenkdestruktion kommt. Es gibt allerdings auch Studien, die auf eine Entkopplung von klinisch sichtbarer Krankheitsaktivität und radiologisch dokumentierbarer Gelenkdestruktion hindeuten.
Damit sollten alle Abweichungen von der normalen Behandlungsstrategie eingehend mit dem Patienten besprochen und sowohl klinisch als auch radiologisch sorgfältig dokumentiert werden.