Fragen zur chronischen Polyarthritis: Wann soll eine Therapie mit TNF-alpha-Blockern begonnen werden?
Im März überwies mich mein Hausarzt mit Verdacht auf chronische Polyarthritis (cP) an einen Rheumatologen, der dies bestätigte. Bis vor ca. 4 Wochen bekam ich folgende Medikamente:
Anfangs 15 mg Methotrexat (Mtx) wöchentlich und 20 mg Kortison täglich. Das Kortison wurde im Laufe der Behandlung auf 15 mg und später dann auf 10 mg reduziert, das Mtx auf 17,5 mg erhöht.
Meine Schmerzen wurden aber nicht besser, im Gegenteil, am Wochenende nach Einnahme von Mtx (freitags) hatte ich samstags und sonntags fast unerträgliche Schmerzen in beiden Füßen.
Jetzt bekomme ich seit ca. 4 Wochen täglich Sulfasalazin und nehme freitags noch 10 mg Mtx.
Meine Schmerzen am Wochenende haben sich dadurch etwas gebessert, aber ohne Kortison geht gar nichts.
Nun meine Fragen an Sie:
1. In Ihren ganzen Ausführungen kommt Sulfasalazin nicht vor, können Sie mir darüber mehr sagen?
2. Würden Sie in meinem Fall schon auf Infliximab oder Enbrel zurückgreifen?
3. Wie lange kann ich noch Kortison einnehmen?
4. Kommen diese Reaktionen auf Mtx häufiger vor?
Für die Beantwortung meiner Fragen schon jetzt besten Dank.
Kommen diese Reaktionen auf Mtx häufiger vor?
Um mit der letzten Frage zu beginnen: Solche wie von Ihnen beschriebenen Reaktionen auf Methotrexat (Mtx) sind selten, aber bekannt und letztendlich nichts Ungewöhnliches.
In Ihren ganzen Ausführungen kommt Sulfasalazin nicht vor, können Sie mir darüber mehr sagen?
Sulfasalazin gehört wie Methotrexat in die Gruppe der langwirksamen Antirheumatika. Umfangreiche Informationen zu Sulfasalazin findet man bei rheuma-online: rheuma-online.de/sulfasalazin/.
Sulfasalazin wird entweder als alleiniges Medikament, d.h. als sogenannte Monotherapie, oder in der Kombination mit anderen langwirksamen Antirheumatika eingesetzt. Nach der Erfahrung ist Sulfasalazin in der Monotherapie in der Regel nicht ausreichend wirksam, wenn vorher relativ hohe Dosen von Methotrexat in Verbindung mit relativ hohen Dosen Cortison nicht zu einer ausreichenden Remission der Krankheitsaktivität geführt haben.
Die Kombination von Sulfasalazin mit Methotrexat ist eine oft eingesetzte und oftmals auch gut wirksame langwirksame antirheumatische Kombinationstherapie. Sehr häufig erfolgt die Kombination nach dem O´Dell-Schema als Dreier-Kombination von Mtx, Sulfasalazin und Hydroxychloroquin (z. B. Quensyl), in Deutschland auch mit Chloroquin (z.B. Resochin). Die Zweier- und insbesondere auch die Dreierkombination sind der Monotherapie mit Mtx und / oder der Monotherapie mit Sulfasalazin deutlich überlegen. Allerdings steht zu befürchten, dass eine solche Kombinationstherapie dann nicht ausreichend greift, wenn die übliche Methotrexatdosis von mindestens 15 mg pro Woche wegen Nebenwirkungen nicht voll ausgeschöpft werden kann.
Würden Sie in meinem Fall schon auf Infliximab oder Enbrel zurückgreifen?
Zu Ihrem speziellen Krankheitsbild und dem therapeutischen Vorgehen im individuellen Einzelfall können, dürfen und wollen wir nicht Stellung nehmen.
Allgemein kann man aber unter Bezug auf internationale Empfehlungen und die für Deutschland relevanten entsprechenden Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie ihre zweite Frage dahingehend beantworten, dass die Behandlung mit einem Präparat aus der Gruppe der neuen TNF-alpha-Blocker (z.B. Etanercept = Enbrel oder Infliximab = Remicade) immer dann angezeigt ist, wenn eine traditionelle langwirksame antirheumatische Therapie ausreichend lange und mit ausreichend hohen Dosierungen durchgeführt wurde und nicht zu einer ausreichenden Kontrolle der Krankheitsaktivität geführt hat. Dazu gehört als Mindestvoraussetzung eine Behandlung mit Methotrexat in einer Dosis von mindestens 15 mg pro Woche (bei parenteraler Gabe, d.h. in Spritzenform, bzw. 25 mg in Tablettenform) über einen Zeitraum von mindestens 3 Monaten (die Empfehlungen unterscheiden sich hier z.T., indem teilweise auch eine (durch klinische Studien nicht belegbare) Mindestbehandlungsdauer von 6 Monaten gefordert wird).
Im individuellen Einzelfall ist es notwendig, von diesen Empfehlungen abzuweichen. So wird man bei einer hohen Krankheitsaktivität, vorliegenden Risikofaktoren für einen ungünstigen Krankheitsverlauf (z.B. Nachweis des immungenetischen Risikomarkers HLA DR4 und der sogenannten shared epitopes, schlechte Funktionskapazität, hoher Cortisonbedarf etc.) und sozialen Risikokonstellationen (z.B. langandauernde Arbeitsunfähigkeit, drohender Verlust des Arbeitsplatzes etc.) schneller auf eine Therapie mit biologischen Substanzen wechseln als bei prognostisch nicht ganz so ungünstig einzuschätzenden Krankheitsbildern.
Wie lange kann ich noch Kortison einnehmen?
Zur Cortisontherapie gilt der Grundsatz, dass die Dauer so kurz wie möglich und die Dosis so niedrig wie möglich sein sollte. Andererseits kommt man manchmal bei einer hohen, anders nicht zu kontrollierenden Krankheitsaktivität gerade bei Beginn einer antirheumatischen Therapie oder bei hochaktiven Krankheitsbildern nicht um höhere Cortisondosen herum.
Generelle Dosisempfehlungen und Empfehlungen zu einer „gerade noch unschädlichen Cortisondosis“ und einer „gerade noch unschädlichen Behandlungsdauer mit Cortison“ gibt es nicht.
Jeder Körper reagiert auf Cortison anders, insbesondere kommt es bei jedem einzelnen Menschen bei sehr unterschiedlichen Cortison-Mengen zum Auftreten von cortisontypischen Nebenwirkungen bzw. eben nicht. Früher war man der Meinung, dass es eine sogenannte „Cushingschwelle“ gäbe, d.h. eine Cortisondosis, wo es oberhalb auf jeden Fall zu Cortisonnebenwirkungen kommen würde, und auf der anderen Seite zum Ausbleiben von Cortisonnebenwirkungen, wenn man mit der Dosis unterhalb dieser Schwelle bliebe.
Heute wissen wir, dass es eine solche generelle Cushing-Schwelle nicht gibt und dass jeder Mensch seine eigene Cortison-Grenzdosis, oder wenn man sagen will, individuelle Cushing-Schwelle hat, an der sich „gut“ und „böse“ bei der Cortisontherapie trennen lassen.
Als ganz grober Anhalt vielleicht trotzdem die folgende Faustregel:
Bei der Dauertherapie mit Cortison hängen die Nebenwirkungen von der sogenannten „Fläche unter der Kurve“ ab, d.h. einerseits der Höhe der Cortisondosis und andererseits der Therapiedauer. Rein praktisch kann man sich das so vorstellen oder sogar selber aufmalen, indem man auf einem Blatt Papier eine Graphik anfertigt und dabei die Höhe der Cortisondosis auf der y-Achse aufträgt und auf der x-Achse die Zeit. Wenn man nun in wöchentlichen Abständen die Cortisondosis aufzeichnet und die Punkte durch eine Linie verbindet, erhält man darunter eine Fläche, die man errechnen kann bzw. über die man die wahrscheinlich „kritische“ Cortisonmenge über eine bestimmte Zeit abschätzen kann.
Als im Regelfall sicher gelten Cortisonmengen von 5 mg Prednisolon (z.B. Decortin H oder einem entsprechenden Präparat) auch bei der Dauertherapie, d.h. einer Cortisonbehandlung länger als einige Wochen. Deshalb wird die Cortisontherapie mit 5 mg oder weniger auch als „low-dose-Therapie“ bezeichnet. Allerdings gibt es Rheumatologen, die auch höhere Dosierungen von Cortison, z.B. mit 7,5 mg oder 10 mg pro Tag, noch als low-dose-Therapie bezeichnen.
Die vorliegenden Daten sprechen aber dafür, dass bei den zuletzt genannten Dosierungen bei einer längerdauernden Therapie bei einer großen Zahl von Patienten doch mit ernsteren Nebenwirkungen zu rechnen ist. Wir selber sind deshalb der Meinung, dass man eine Therapie mit 7,5 mg oder 10 mg Prednisolon nicht als low-dose-Therapie bezeichnen sollte. In dieser Meinung folgen wir im übrigen dem deutschen „Cortison-Papst“ Prof. Dr. med. Hanns Kaiser aus Augsburg.
In Ihrem Beispiel kann man mit einer hohen Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass die laufende Cortisondosis bei einer Beibehaltung der derzeitigen Dosis auf Dauer zu cortisontypischen Nebenwirkungen führen wird und dass die bisherige Behandlungsdauer mit den genannten Dosierungen jetzt schon in einem problematischen Bereich anzusiedeln ist. Dies ist ein wesentliches Argument für die Intensivierung der langwirksamen antirheumatischen Therapie und einer der zusätzlichen Gesichtspunkte, die für einen eher frühen Einsatz von biologischen Medikamenten aus der Substanzklasse der TNF-alpha-Blocker sprechen.