Erhöhte TNF-alpha-Werte und weibliche Unfruchtbarkeit?
Welche Folgen kann ein erhöhter Wert von TNF- Alpha bei Menschen bewirken? Kann es bei Frauen zu Unfruchtbarkeit führen?
Vielleicht eine ganz kleine Geschichte zu Anfang:
Vor einigen Wochen rief mich am TIZ-Telefon ein Bechterew-Patient mit einem schwerem Krankheitsverlauf an, bei dem über 15 Jahre ein unerfüllter Kinderwunsch bestand. Vor einem knappen halben Jahr wurde dann zur Behandlung des M. Bechterew eine Therapie mit Etanercept (Enbrel) begonnen. Jetzt ist die Ehefrau seit kurzer Zeit schwanger, nachdem sie und ihr Mann eigentlich die Hoffnung auf ein Kind schon fast aufgegeben hatten. Dieser Verlauf spricht für die Hypothese, daß sich eine Therapie mit TNF-alpha-Blockern möglicherweise positiv auf die männliche Zeugungsfähigkeit bzw. eine männliche Infertilität auswirken könnte.
Zu den von Ihnen gestellten Fragen:
Welche Folgen kann ein erhöhter Wert von TNF- Alpha bei Menschen bewirken?
TNF-alpha (Tumor-Nekrose-Faktor alpha) ist eine körpereigene Substanz aus der Gruppe der sogenannten Zytokine. Die Wirkung von TNF-alpha ist pro-inflammatorisch, d.h. durch TNF-alpha wird eine Entzündung im Körper ausgelöst oder verstärkt.
Bei chronischen entzündlich-rheumatischen Erkrankungen wie der rheumatoiden Arthritis, der Psoriasis-Arthritis und der ankylosierenden Spondylitis (M. Bechterew) ist es in großer Menge in den befallenen Geweben nachweisbar. Dort wird es von Zellen des Immunsystems (synovialen Makrophagen und Lymphozyten) produziert (Synovialis, Synovialmembran = Gelenkinnenhaut). TNF-alpha ist in den Gelenken von Patienten mit einer rheumatoiden Arthritis und Psoriasis-Arthritis, wahrscheinlich aber auch bei anderen entzündlich-rheumatischen Erkrankungen wesentlich am Prozeß der entzündlichen Gelenkzerstörung beteiligt.
TNF-alpha vermittelt die chronisch-rheumatische Entzündung aber auch in anderen betroffenen Strukturen. So finden sich erhöhte Spiegel von TNF-alpha in den entzündeten Kreuz-Darmbein-Gelenken von Bechterew-Patienten. Identische Befunde werden in entzündeten Sehnenansätzen (Enthesitis) und Bandverbindungen gesehen. Bei der Schuppenflechte (Psoriasis) sind in den Haut-Plaques ebenfalls erhöhte TNF-alpha-Spiegel nachweisbar.
Im Verlauf entwickeln sich unter dem Einfluß von TNF-alpha zunehmende Gewebsschädigungen, die schließlich in eine fortschreitende Zerstörung von Gelenken, Gelenkknorpel oder Knochen einmünden.
Diese Erkenntnisse haben Eingang in die Therapie gefunden und ermöglichen eine zielgerichtete Behandlung der Erkrankung. Mit biotechnologisch hergestellten Medikamenten, sogenannten TNF-alpha-Blockern, ist es möglich, die krankheitsauslösende und krankheitsverstärkende Wirkung von TNF-alpha spezifisch zu hemmen und in Schlüsselmechanismen der rheumatischen Entzündung einzugreifen.
Dies erfolgt durch unterschiedliche Mechanismen. Das Wirkprinzip der monoklonalen TNF-Antikörper Adalimumab (z.B. Humira) und Infliximab (z.B. Remicade) ist die Blockade von TNF-alpha durch das Andocken eines TNF-alpha-Antikörpers an TNF-alpha. Das Wirkprinzip von Etanercept (z.B. Enbrel) ist die Blockade von TNF-alpha durch einen löslichen TNF-alpha-Rezeptor.
Weitere Informationen, u.a. auch mit einer ausführlichen Graphik zur biologischen Wirkung von TNF-alpha:
Quelle: Mein Beitrag zu TNF-alpha in rheuma-online, Rheuma von A-Z, Stichwort TNF-alpha (http://www.rheuma-online.de/a-z/t/tnf-alpha.html)
Kann TNF-alpha bei Frauen zu Unfruchtbarkeit führen?
Eine Unfruchtbarkeit (Infertilität) hat bei Frauen eine ganze Reihe von unterschiedlichen Ursachen.
Eine der häufigsten Ursachen einer erworbenen Infertilität von Frauen ist eine abgelaufene Infektion mit Chlamydia trachomatis, einem Keim, der durch ungeschützten Geschlechtsverkehr übertragen wird und mit dem je nach Statistik und untersuchter Altersgruppe bis zu einem Drittel der sexuell aktiven Erwachsenen infiziert sind.
Die Infektion führt bei Männern u.a. zu eitrigem Ausfluß aus der Harnröhre, einer Entzündung der Vorsteherdrüse (Prostatitis) oder auch einer Nebenhodenentzündung (Epididymitis). Da dies in der Regel schmerzhafte Zustände sind, wird beim Mann die Erkrankung meistens diagnostiziert und in der Regel auch ausreichend therapiert. Leider wird dabei aber nicht selten nicht berücksichtigt, auch die Partnerin auf eine Chlamydien-Infektion zu untersuchen und zu behandeln.
Da bei der Frau eine Chlamydieninfektion oft asymptomatisch oder oligosymptomatisch verläuft, d.h. keine oder nur geringe, uncharakteristische Symptome macht, geht diese von sich aus nicht zum Arzt. Erstreckt sich dann die Chlamydien-Infektion auf die Eileiter, kommt es dort zu einer Eileiter-Entzündung (Salpingitis). In der Folge können die Eileiter verkleben und sind dann für die Eier, die nach dem Eisprung aus der freien Bauchhöhle vom Eileiter „aufgefangen“ und durch ihn in die Gebärmutter gelangen, nicht mehr durchgängig. Damit können sich weibliche Eizelle und männliches Spermium nicht mehr vereinigen; es resultiert eine erworbene Unfruchtbarkeit, obwohl sowohl gesunde Eizellen als auch gesunde Spermien vorhanden sind.
Es gibt mittlerweile einige Befunde, die darauf hinweisen, daß TNF-alpha bei diesem Entzündungsprozeß des Eileiters und bei der Verklebung eine wichtige Rolle spielt.
Ähnliches gilt für andere Infektionen im Bereich der Harnwege und Geschlechtsorgane sowie weiteren sexuell übertragbaren Erkrankungen, z.B. der Gonokokken-Infektion (Gonorrhoe, „Tripper“).
Eine weitere bedeutende Ursache für die weibliche Unfruchtbarkeit ist die Endometriose.
Die Endometriose ist ein relativ häufiges und zugleich vermutlich erheblich unterschätztes Krankheitsbild. Die Endometriose-Selbsthiflegruppe (Endometriose-Vereinigung Deutschland e.V.) spricht von einer Betroffenenzahl von 7% - 15% in Deutschland und von etwa 30.000 Neuerkrankungen jährlich (http://www.endometriose-vereinigung.de/).
(Zur Endometriose ein Text von der Homepage der Vereinigung:
„Endometriose ist eine chronische, aber gutartige Erkrankung von Frauen. Gewebe, ähnlich dem der Gebärmutterschleimhaut (Endometrium) tritt dabei im Unterleib auf und siedelt sich dort an den Eierstöcken, Eileitern, Darm, Blase oder dem Bauchfell an. In seltenen Fällen sind auch andere Organe betroffen, wie z.B. die Lunge. In den meisten Fällen werden diese Endometrioseherde von den Hormonen des Monatszyklus beeinflußt. So können die Herde zyklisch wachsen und bluten.
Die Folge davon sind Entzündungsreaktionen, die Bildung von Zysten und die Entstehung von Vernarbungen und Verwachsungen. Darüber hinaus können dieselben oder ähnliche Befunde in manchen Fällen auch ohne den Einfluß von Hormonen auftreten.
Der Krankheitsverlauf ist von Fall zu Fall verschieden. Dabei stehen die Beschwerden nicht immer im direkten Verhältnis zum Grad der Ausbreitung der Endometriose.
Endometriose ist außerdem eine der häufigsten Ursachen für Unfruchtbarkeit.
Ab Eintritt der Regelblutung bis zu den Wechseljahren, aber auch danach, können Frauen von der Krankheit betroffen sein. Nach Schätzungen leiden etwa 7-15 % aller Frauen im geschlechtsreifen Alter an Endometriose. Das sind in Deutschland etwa 2-6 Mio. Frauen. Mehr als 30.000 Frauen erkranken jährlich an Endometriose. Dennoch wird die Krankheit leider immer noch viel zu wenig beachtet und es vergehen vom Auftreten der ersten Symptome bis zur Diagnosestellung im Mittel 6 Jahre (bei Sterilitätspatientinnen 3 Jahre, bei Schmerzpatientinnen bis zu 10 Jahre!).
Da Endometriose eine sehr komplexe Erkrankung ist, können die Symptome und Folgen sehr vielfältig sein.“ http://www.endometriose-vereinigung.de/index.php?mod=4“)
Erste Untersuchungen deuteten bereits Ende der 80er Jahre darauf hin, daß TNF-alpha eine wesentliche Ursache für die weibliche Infertilität sein könnte, die sich in der Folge einer Endometriose entwickelt.
Mittlerweile haben sich diese Befunde so verdichtet, daß man relativ sicher von einer wesentlichen ursächlichen Bedeutung von TNF-alpha für die Unfruchtbarkeit von Endometriose-Patientinnen sprechen kann.
Es gibt sogar schon allererste Therapieansätze in dieser Richtung. So habe ich bei meinen Recherchen eine erste tierexperimentelle klinische Studie an Affen mit einer spontanen Endometriose gefunden, die mit dem TNF-alpha-Blocker Etanercept (Enbrel) behandelt wurden und bei denen sich unter Therapie im Vergleich zu Placebo die Endometriose signifikant zurückbildete.
Weitere Überlegungen gehen dahin, TNF-alpha-Blocker bei Frauen mit Endometriose zur Therapie einer Infertiltität einzusetzen. Da ich kein Reproduktionsmediziner bin, weiß ich nicht, ob dies in der Praxis heute bereits geschieht. Sicher weiß ich allerdings, daß Etanercept (Enbrel) bislang weltweit für diese Anwendung noch nicht offiziell zugelassen ist und daß es sich damit bei einer solchen Behandlung um einen experimentellen Therapieversuch handeln würde, für den auch in arzneimittelrechtlicher Sicht spezielle Regeln zu beachten sind. Da umgekehrt bislang noch nicht abschließend geklärt ist, ob Etanercept im speziellen und TNF-alpha-Blocker im allgemeinen überhaupt im Hinblick auf eine Schwangerschaft sicher und unbedenklich sind, ist ein solcher Therapieversuch nicht ohne Risiken und beinhaltet auch haftungsrechtliche Implikationen.
Auf Websites vorwiegend aus dem US-amerikanischen Raum wird zunehmend eine Behandlung mit Etanercept (Enbrel) für die Therapie von unterschiedlichsten Formen der weiblichen Infertilität empfohlen, sofern sich Hinweise auf eine mögliche immunologische Ursache ergeben (beispielsweise eine Verminderung der Zahl von sogenannten natürlichen Killerzellen, „NK-Zellen“). Eine solche Empfehlung ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt rein spekulativ und gründet sich nicht auf irgendwelche rationalen Daten oder systematische experimentelle oder klinische Untersuchungen. Auch und gerade wenn man die Not von Paaren versteht, die sich dringlich ein Kind wünschen und bei denen die unterschiedlichsten therapeutischen Ansätze bislang nicht zum Ziel geführt haben, kann gegenwärtig nicht dazu geraten werden, in einer solchen Situation eine Therapie mit TNF-alpha-Blockern außerhalb von offiziellen klinischen Studien durchzuführen. Leider gibt es meines Wissens solche Studien gegenwärtig noch nicht. Die wachsenden Erkenntnisse zu den biologischen Effekten von TNF-alpha und die zunehmenden Erfahrungen mit dem therapeutischen Einsatz von TNF-alpha-Blockern lassen aber vermuten, daß die Zeit bald reif sein wird für erste Pilotstudien zur TNF-alpha-Blockade bei einigen definierten Ursachen einer weiblichen Infertilität.
Beiträge und Antworten zu ähnlichen Fragen und weiterführende Links:
- TNF-alpha mitverantwortlich für die Unfruchtbarkeit bei Endometriose (Link)
- Einfluss von Anti-TNF-Alpha- Medikamenten auf die Spermienqualität bzw. männliche Zeugungsfähigkeit (Link)
- Männliche Infertilität bei Autoimmunerkrankungen, Rolle von TNF-alpha und Therapie mit TNF-alpha-Blockern als möglicher Behandlungsansatz auch der Infertilität (Link)
- Einfluß von TNF-alpha-Blockern und von Efalizumab auf die Spermienqualität (Link)