r-o Special: Langwirksame Antirheumatika in der Schwangerschaft und Stillzeit Teil1: Antimalariamittel, Sulfasalazin, Leflunomid
Die langwirksamen Antirheumatika (LWAR, früher Basistherapeutika genannt) haben eine lang anhaltende Wirkung. Das heißt also, dass die Wirkung der Therapie auch anhält, nachdem die Medikamente abgesetzt worden sind. Daraus ergibt sich bereits die Problematik für eine Schwangerschaft. Wird die Schwangerschaft geplant, muss das LWAR gegebenenfalls rechtzeitig genug abgesetzt werden. Tritt die Schwangerschaft während der LWAR-Therapie ein, ist in Abhängigkeit von dem Therapeutikum eine gezielte Vorgehensweise erforderlich. Das Prozedere für die einzelnen LWAR haben Experten während einer Konsensus-Konferenz in Stresa im September 2004 festgelegt.
In der Rheumatologie kommen vor allem Chloroquin (z.B. Resochin®) und Hydroxychloroquin (z.B. Quensyl®) zur Anwendung.
Mögliche mutagene und teratogene Effekte
In der Literatur sind einige Hundert Schwangerschaften unter 250 mg Chloroquin oder 200 bis 400 mg Hydroxychloroquin täglich während des ersten Trimenon beschrieben, ohne dass es zu Fehlbildungen gekommen wäre [1-6]. Bei Verabreichung von höheren Chloroquindosen (500 mg/die) sind ototoxische Schäden beschrieben [7].
Stillen
Unter Chloroquintherapie in der empfohlenen Dosierung wurde die Menge, die durch das Stillen auf das Kind übergeht mit 2,2 bis 4,2% der mütterlichen Dosis errechnet [6, 8]. Von Hydroxychloroquin wurden 0,35 und 0,0005% der mütterlichen Dosis in der Muttermilch gefunden [9, 10].
Langzeiteffekte beim Kind
In verschiedenen Studien wurde der Langzeiteffekt auf das Kind untersucht, nachdem es in utero oder während der Stillzeit Hydroxychloroquin ausgesetzt worden war. Es wurden weder Seh- noch Hörstörungen gefunden [11-14].
Schlussfolgerungen und Empfehlungen:
• Die Antimalariamittel sollten – wenn angezeigt – während der Schwangerschaft und Stillzeit weiter gegeben werden.
• Hydroxychloroquin ist das Mittel der Wahl während der Schwangerschaft und Stillzeit
• Unter beiden Antimalariamitteln ist das Stillen möglich
Mögliche mutagene und teratogene Effekte
Eine Reihe von Studien bei verschiedenen Indikationen ergab keine Hinweise für kindliche Schädigungen unter Sulfasalazin [15-20]. Es sind jedoch auch Einzelfälle von Kindern mit Missbildungen beschrieben, wenn die Mutter während der Schwangerschaft mit Sulfasalazin behandelt worden war [21, 22]. Da Sulfasalazin die gastrointestinale Resorption und zelluläre Aufnahme von Folsäure hemmt, können Folsäuremangelsyndrome nicht ausgeschlossen werden.
Von einigen Fachleuten wird das Absetzen von Sulfasalazin während des letzten Trimenon (den letzten 3 Schwangerschaftsmonaten bzw. im letzten Schwangerschaftsdrittel) empfohlen, da eine durch Sulfasalazin induzierte neonatale Gelbsucht befürchtet wird. Die in der Nabelschnur gemessenen Konzentrationen von Sulfasalazin und Sulfapyridin sind jedoch so gering, dass man diese Befürchtung negieren kann [23]. Einzelfälle von aplastischer Anämie und schwerer Neutropenie sind beschrieben [24, 25].
Stillzeit
In der Muttermilch sind keine signifikante Mengen des vollständigen Sulfasalazin-Moleküls gefunden worden. Der Sulfapyridinanteil lag zwischen 30-60 % der mütterlichen Dosis [26]. Gesunde Kinder erleiden keinen Schaden, wenn die Mutter während der Stillzeit mit Sulfonamiden behandelt wird. Bei kranken oder zu früh geborenen Kindern und bei Kindern mit Hyperbilirubinämie oder Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel sollte auf die Therapie während der Stillzeit verzichtet werden [27].
Fertilität
Sulfasalazin hat keinen Einfluss auf die weibliche Fertilität. Im Human- und im Tierversuch führte die Therapie mit Sulfasalazin zu Oligospermie, reduzierter Spermienmotilität, erhöhtem Anteil anormaler Formen und zur Unfruchtbarkeit [28]. Dieser Effekt ist auf den Sulfapyridin-Anteil zurückzuführen und kann durch Folsäuregabe behoben werden. Die Spermatogenese ist zwei Monate nach Absetzen von Sulfasalazin wieder normalisiert [28].
Schlussfolgerungen und Empfehlungen:
• Es ist unwahrscheinlich, dass die Fortführung der Sulfasalazintherapie während der Schwangerschaft zu Schädigungen des Kindes führt.
• Vor und während der Schwangerschaft ist eine Folsäuresupplementation erforderlich.
• Zur Vorbeugung einer Neutropenie des Neugeborenen sollte die Dosis 2 g pro Tag nicht überschreiten
• Die durch Sulfasalazin hervorgerufene Unfruchtbarkeit des Mannes ist nach Absetzen des Medikamentes reversibel. Bei der Planung einer Schwangerschaft sollte der Mann drei Monate vorher das Sulfasalazin absetzen.
• Gesunde, voll ausgetragene Kinder dürfen während der Therapie mit Sulfasalazin gestillt werden.
Leflunomid (z. B. Arava®)
Mögliche mutagene und teratogene Effekte
Leflunomid bewirkte an Mäusen und Ratten in Dosen, die der Humandosierung äquivalent waren, Fehlbildungen des Skeletts und des ZNS. 1% der Humandosis führte zu vermindertem Geburtsgewicht und vermehrter perinataler Mortalität. [29].
Von 10 Schwangerschaften, die während einer Behandlung mit Leflunomid eintraten, wurden bei fünf Kindern keine Fehlbildungen berichtet. Der Verlauf der anderen fünf Schwangerschaften ist nicht bekannt [30].
In einem unpublizierten Bericht des pharmazeutischen Herstellers wird von 428 Schwangerschaften mit Leflunomidexposition berichtet. Von 165 Schwangerschaften ist der Verlauf bekannt. 21 Schwangerschaften traten ein, während der Mann Leflunomid einnahm. Ein Schwangerschaftsabbruch wurde bei 44 Frauen vorgenommen. In 36 Fällen kam es zu einer Fehlgeburt. Von den 86 Schwangerschaften, die ausgetragen wurden, wurden bei sieben Kindern Fehlbildungen festgestellt. Zurzeit läuft eine prospektive Studie in Kanada, um mögliche fetale und neonatale Wirkungen von Leflunomid während der Schwangerschaft zu untersuchen.
Schlussfolgerungen und Empfehlungen:
• Leflunomid ist während der Schwangerschaft kontraindiziert, d.h. es darf auf keinen Fall eingenommen werden. Der pharmazeutische Hersteller empfiehlt zuverlässige kontrazeptive Maßnahmen, d.h. sichere Methoden der Empfängnisverhütung bei Mann und Frau.
• Wenn eine Schwangerschaft geplant wird, muss Leflunomid abgesetzt werden. Da der aktive Metabolit von Leflunomid bis zu zwei Jahre nach dem Absetzen im Serum nachweisbar ist, muss eine Therapie mit Colestyramin zur Beschleunigung der Ausscheidung durchgeführt werden, bis kein Leflunomid im Plasma mehr messbar ist.
• Da für die Stillzeit keine Daten vorliegen, wird das Stillen während der Leflunomidbehandlung nicht empfohlen.
Literatur und Links
Die komplette Publikation finden Sie unter folgendem Link:
Anti-inflammatory and immunosuppressive drugs and reproduction.
Arthritis Res Ther. 2006;8(3):209. Epub 2006 May 11.
Ostensen M, Khamashta M, Lockshin M, Parke A, Brucato A, Carp H, Doria A, Rai R, Meroni P, Cetin I, Derksen R, Branch W, Motta M, Gordon C, Ruiz-Irastorza G, Spinillo A, Friedman D, Cimaz R, Czeizel A, Piette JC, Cervera R, Levy RA, Clementi M, De Carolis S, Petri M, Shoenfeld Y, Faden D, Valesini G, Tincani A.
Department of Rheumatology and Clinical Immunology/Allergology, University Hospital of Bern, Switzerland.
Full Text
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