r-o-special: Biologicals in der Behandlung des M. Bechterew. Teil 1: Traditionelle Therapiekonzepte
Neue Erkenntnisse in der Krankheitsentstehung haben die Therapie von entzündlich-rheumatischen Wirbelsäulenerkrankungen revolutioniert. In diesem Special gehen wir auf die wichtigsten Neuentwicklungen bei der Behandlung des M. Bechterew und verwandter Erkrankungen ein.
Zusammenfassung
Neue Erkenntnisse über die Krankheitsentstehung haben die Therapie der entzündlich-rheumatischen Wirbelsäulenerkrankungen (Spondarthritiden, Spondyloarthritiden) revolutioniert. Dabei kommt dem körpereigenen Botenstoff TNF-alpha eine Schlüsselrolle bei der Entstehung und Ausbreitung der chronischen Entzündung auch bei den entzündlichen Wirbelsäulenerkrankungen zu.
Mit dem therapeutischen Einsatz von biotechnologisch hergestellten Substanzen („Biologicals“) ist es heute möglich, TNF-alpha spezifisch zu hemmen und damit in seiner entzündungsauslösenden und entzündungsverstärkenden Wirkung zu blockieren. Klinische Studien zeigen bei M. Bechterew und verwandten Erkrankungen die überlegene Wirksamkeit der TNF-alpha-blockierenden Medikamente Infliximab (Remicade), Etanercept (Enbrel) und Adalimumab (Humira) gegenüber der konventionellen Therapie mit cortisonfreien Entzündungshemmern (nicht-steroidalen Antirheumatika, NSAR) oder reinen Schmerzmitteln (Analgetika) sowie traditionellen langwirksamen Antirheumatika.
Die TNF-alpha-Antagonisten repräsentieren bei der Therapie der Spondyloarthritiden erstmals ein pathogenetisch ansetzendes, d.h. ursächlich orientiertes Behandlungsprinzip. Die vorliegenden Daten geben Hinweise darauf, daß mit diesen Medikamenten nicht nur eine rein symptomatische Wirkung erzielt wird, sondern daß nun bei der Therapie der Spondarthritiden ein Behandlungskonstrukt vorliegt, bei dem es zu einer echten Krankheitsmodifikation und im günstigsten Fall sogar zu einer vollständigen Krankheitskontrolle kommt.
M. Bechterew: Krankheitsbild und traditionelle Therapiekonzepte
Lange Zeit wurden bei der ankylosierenden Spondylitis (M. Bechterew) nicht nur die Häufigkeit, sondern auch die Krankheitslast und die Krankheitsfolgen erheblich unterschätzt. Neuere Studien zeigen eine Häufigkeit (Prävalenz) von Spondyloarthritiden in der erwachsenen Bevölkerung von etwa 0,5-2% (Braun et al. 1998) und damit eine vergleichbare Häufigkeit zur rheumatoiden Arthritis.
Im Verlauf führt die Erkrankung zu einer progredienten Versteifung der Wirbelsäule, zu einer zunehmenden Einschränkung der funktionellen Kapazität und einer beträchtlichen Abnahme der Lebensqualität (Taylor et al. 1998, Ward 1999, Zink et al. 2001).
Mit zunehmendem Schweregrad kommt es durch Arbeitsunfähigkeit und vorzeitige Berentung nicht nur zu einschneidenden Belastungen für die Betroffenen, sondern auch zu erheblichen Kosten für die Gesellschaft und die Systeme der sozialen Sicherung (Barlow et al. 2001, Ward 2002, Boonen 2002, Boonen et al. 2002).
Entgegen früheren Vorstellungen ist die ankylosierende Spondylitis auch im Hinblick auf die Lebenserwartung keine harmlose Erkrankung, sondern geht mit einer z.T. beträchtlich erhöhten Mortalitätsrate einher (Lehtinen et al. 1993, Braun et al. 2002).
Traditionelle Behandlungskonzepte des M. Bechterew umfassen die medikamentöse Therapie, physiotherapeutische und weitere physikalische Behandlungsmaßnahmen und ergänzende Therapiekonzepte wie die Radon-Heilstollentherapie.
Die symptomatische Wirksamkeit von NSAR ist gut belegt (Zochling et al. 2006).
Bei bis zu 50% der Patienten ist die alleinige Therapie mit NSAR jedoch nicht ausreichend (Haibel et al. 2002), außerdem haben NSAR nach gegenwärtiger Auffassung keinen Einfluß auf die systemische Entzündungsaktivität und den eigentlichen zugrundeliegenden Krankheitsprozeß (Braun und Sieper 2002).
In einer klinischen Studie zu Celecoxib konnte allerdings bei regelmäßiger Anwendung im Vergleich zu einer Bedarfsmedikation eine Verlangsamung der Röntgenprogression beobachtet werden (Wanders et al. 2005).
NSAR sind außerdem unwirksam bei extra-vertebralen Organmanifestationen (z.B. Uveitis).
Cortisonpräparate (Corticosteroide) sind bei systemischer Anwendung bei Bechterew-Patienten typischerweise nicht so wirksam wie bei der rheumatoiden Arthritis. Bei den meisten Patienten sind sie nur bei lokaler, intraartikulärer Applikation effektiv, d.h. bei unmittelbarer Injektion direkt in das Gelenk, allerdings gibt es Hinweise auf eine kurzfristige systemische Wirkung bei hochdosierter Pulstherapie (Braun et al. 1996, Akkoc et al. 2006).
Krankheitsmodifizierende Substanzen (DMARDs) werden in Analogie zur rheumatoiden Arthritis oder Psoriasis-Arthritis auch bei M. Bechterew eingesetzt, sind aber nur in wenigen Studien geprüft.
Dabei zeigten sich für Methotrexat sehr divergierende Ergebnisse mit z.T. sehr gutem, z.T. völlig fehlendem Ansprechen (Cremers et al. 1995, Biasi et al. 2000, Marshall et al. 2001, Roychowdhury et al. 2002, Gonzalez-Lopez et al. 2004, Haibel et al. 2007); ein aktuelles Cochrane-Review (Chen et al. 2006) stellt die Wirksamkeit von MTX bei der ankylosierenden Spondylitis eher in Frage.
Dies betrifft allerdings in erster Linie die axialen Manifestationen, weniger die periphere Gelenkbeteiligung. Ähnliches gilt nach den vorliegenden Studien (Dougados et al. 1995, Clegg et al. 1996, Clegg et al. 1999) und einem Cochrane-Reviews (Chen et al. 2005) auch für Sulfasalazin, nach denen in erster Linie eine Wirksamkeit auf periphere Gelenke, weniger oder gar nicht auf die vertebralen Manifestationen belegt ist.
Eine offene ILAR-Studie in Asien kommt dagegen beim Einsatz von Kombinationstherapien zu deutlich besseren Ergebnissen (Darmawan et al. 2006).
Für Leflunomid war in Studien axial keine Wirksamkeit nachweisbar, divergierende Ergebnisse liegen hinsichtlich der peripheren Gelenke vor (Haibel et al. 2005, van Denderen et al. 2005).
Bei einem großen Teil der Patienten läßt sich durch die konventionellen Therapiemaßnahmen ein chronisch-progredienter Verlauf der Erkrankung mit anhaltenden Schmerzen, zunehmender Gestaltveränderung und wachsender funktioneller Beeinträchtigung nicht verhindern.
Eine österreichische Studie belegt die verbleibende hohe Krankheitsaktivität unter diesen Behandlungsmaßnahmen (Hermann et al. 2007), die bisherigen Therapien gelten insofern als bestenfalls palliativ (Dougados et al. 2002).
Der Paradigmenwechsel bei der Therapie der Spondyloarthritiden
Durch die bahnbrechenden Forschungsarbeiten der Arbeitsgruppe um Jürgen Braun und Jochen Sieper aus der Abteilung Rheumatologie des Klinikums Benjamin Franklin der Freien Universität Berlin konnten in den letzten Jahren entscheidende Erkenntnisse zur Pathogenese der entzündlich-rheumatischen Wirbelsäulenerkrankungen gewonnen werden.
Mit dem Nachweis von TNF-alpha in den Zielstrukturen der Entzündung, insbesondere in den Ileosakralgelenken (Braun et al. 1995, Braun und Sieper 2000), aber auch in anderen entzündeten Geweben wie der Enthesitis, haben sich die therapeutischen Strategien bei den Spondyloarthritiden grundlegend verändert. Mit dem Einsatz von TNF-alpha-inhibierenden Therapiekonstrukten eröffnet sich erstmalig auch bei diesen Krankheitsbildern die Möglichkeit einer zielgerichteten Therapie und die Perspektive auf eine ätiopathogenetisch orientierte Behandlung.
Klinische Studien zeigen die überlegene Wirksamkeit der TNF-Blockade selbst in solchen Fällen, bei denen zuvor alle bisherigen konventionellen Therapiemethoden unzureichend angesprochen hatten.
Fortsetzung: Teil 2 - Der Paradigmenwechsel bei der Therapie der Spondyloarthritiden. Klinische Studien
folgt am nächsten Sonntag, dem 12.10.2008
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