r-o Special: Antirheumatika in der Schwangerschaft und Stillzeit
Wie werden Patientinnen mit rheumatischen Erkrankungen während der Schwangerschaft medikamentös weiter behandelt? Ein problematisches Thema, da die vorliegenden Daten – aus verständlichem Grund – überwiegend auf Tierversuchen basieren. 29 Fachleute aus der Rheumatologie, Gynäkologie und Kinderheilkunde haben 2004 einen internationalen Workshop einberufen, um allgemein gültige Empfehlungen zu entwickeln. Der erzielte Konsens zum Einsatz anti-entzündlicher oder immunsupprimierender Arzneimittel während der Schwangerschaft und / oder Stillzeit bei Patientinnen mit rheumatischen Erkrankungen ist das Thema dieses und der folgenden r-o Specials.
Patientinnen mit rheumatischen Erkrankungen müssen häufig während der Schwangerschaft medikamentös weiter behandelt werden. Es gilt, die Krankheitsaktivität unter Kontrolle zu halten und eine erfolgreiche Schwangerschaft zu ermöglichen. In der Stillzeit ist zu berücksichtigen, dass die notwendige Medikation unschädlich für das Kind ist.
Hier ist der behandelnde Arzt vielfach auf sich gestellt, da die vorliegenden Risikokategorien für Medikamente in der Schwangerschaft und Stillzeit [1,2] – aus verständlichem Grund – überwiegend auf Daten aus Tierversuchen basieren. Die Erfahrungen am Menschen resultieren in den meisten Fällen aus der versehentlichen Anwendung von Arzneimitteln während der Schwangerschaft oder Stillzeit.
Klinische Studien während der Schwangerschaft oder Stillzeit beim Menschen dürfen nur mit Medikamenten durchgeführt werden, die nachweislich unschädlich sind. Folglich ist die Zahl publizierter Studien hierzu gering.
Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, dass der Allgemeinheit eher negative Erfahrungen zugänglich gemacht werden als positive. Der Informationswert von einzelnen Fallberichten ist daher als kritisch einzustufen.
Ein wichtiger Aspekt betrifft auch mögliche Langzeiteffekte der Exposition in utero, die sich erst in späteren Lebensabschnitten manifestieren. Da es naturgemäß sehr schwierig ist, diese Schädigungen bis zur Schwangerschaft zurück zu verfolgen, gibt es auch hierzu für die meisten Medikamente keine Informationen. Um diese wichtige Frage zu verfolgen, sind Studien geplant.
Es gibt nur wenige Untersuchungen zu toxischen Wirkungen auf die Keimdrüsen unter anti-entzündlichen oder immunsupprimierenden Arzneimitteln. Ausnahmen sind Studien mit zytotoxischen Medikamenten und mit Sulfasalazin im Humanversuch beim Mann. Es fehlen also auch hier Daten zu einer möglichen Beeinträchtigung der Fertilität oder zu möglichen mutagenen Wirkungen.
Langfristige Studien zur Problematik von Medikamenten während der Stillzeit liegen nicht vor. Insbesondere ist nicht bekannt, inwiefern sich eine ständige Medikamenteneinnahme auf das Verhalten des Kindes und seine Entwicklung auswirkt.
Arzneimittelkonzentrationen in der Muttermilch, die 0,1% der Dosis, die die Mutter eingenommen hat, nicht übersteigen, gelten als einigermaßen sicher. Übersteigt die Konzentration 10% der mütterlichen Arzneimitteldosis ist Vorsicht geboten.
Für einige immunsupprimierende Arzneimittel und Biologicals basieren die Empfehlungen auf Fallberichten oder auf theoretischen Erwägungen. Auch hier fehlt es an adäquaten Informationen.
Diese unbefriedigende Situation hat dazu geführt, dass Experten mit Erfahrungen in der Rheumatologie und in der Behandlung schwangerer oder stillender Frauen einen internationalen Workshop einberufen haben. Ziel war, einen Konsens zum Einsatz anti-entzündlicher oder immunsupprimierender Arzneimittel während der Schwangerschaft oder Stillzeit bei Patientinnen mit rheumatischen Erkrankungen zu erzielen.
Methodik:
Während der “4th International Conference on Sex Hormones, Pregnancy and Rheumatic Diseases in Stresa, Italien, vom 20. bis 22. September 2004 trafen sich 29 internationale Experten zu einem Consensus-Workshop. Zu diesen Experten gehörten 17 Fachärzte für Innere Medizin / Rheumatologie, acht Fachärzte für Gynäkologie und Geburtshilfe, drei Kinderärzte und ein Genetikspezialist.
In separaten Workshops wurden vier Kategorien von Arzneimitteln diskutiert: nicht-steroidale anti-entzündliche wirkende Medikamente (NSAR), Glukokortikoide, immunsupprimierend wirkende Arzneimittel und Biologicals.
Als Grundlage für die Diskussionen diente eine ausführliche Datenbankrecherche zu allen relevanten Begriffen. Die daraus resultierende wissenschaftliche Literatur wurde in Form von zusammenfassenden Berichten allen Teilnehmern vorab zur Verfügung gestellt.
Literatur:
1) Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V. Arzneimittel in Schwangerschaft und Stillzeit; ROTE LISTE® 2002, Seite 405-407. Herausgeber: Rote Liste ® Service GmbH
2) FDA Drug Bulletin 1982; -25
Anti-inflammatory and immunosuppressive drugs and reproduction.
Arthritis Res Ther. 2006;8(3):209. Epub 2006 May 11.
Ostensen M, Khamashta M, Lockshin M, Parke A, Brucato A, Carp H, Doria A, Rai R, Meroni P, Cetin I, Derksen R, Branch W, Motta M, Gordon C, Ruiz-Irastorza G, Spinillo A, Friedman D, Cimaz R, Czeizel A, Piette JC, Cervera R, Levy RA, Clementi M, De Carolis S, Petri M, Shoenfeld Y, Faden D, Valesini G, Tincani A.
Department of Rheumatology and Clinical Immunology/Allergology, University Hospital of Bern, Switzerland.