Das r-o-Special: Von Borreliosen und Pseudo-Borreliosen
... oder: Die Diagnose einer Borreliose ist ganz einfach und ganz schwierig. Im Forum gibt es einen interessanten Thread über die Borreliose, insbesondere zu der Frage, wie eine Borreliose diagnostiziert wird, was dazu im einzelnen nötig und unnötig ist, über die Sinnhaftigkeit von eingreiferenden diagnostischen Maßnahmen wie beispielsweise eine Lumbalpunktion (Entnahme von Liquor = Gehirnwasser) und die entsprechenden therapeutischen Konsequenzen. Da das Thema von allgemeinem Interesse ist, nehmen wir dies zum Anlaß einer kleinen Serie über die Borreliose, obwohl (oder vielleicht gerade) weil im Augenblick formal Winter ist und alle denken, Borreliose wäre ein Thema für die wärmere Jahreszeit. Wir beginnen mit dem Prolog: Borreliengeschichten. Drei typische Fälle aus dem täglichen Leben.
Die Diagnose einer Borreliose ist ganz einfach und ganz schwierig.
Fall 1
Ganz einfach ist sie, wenn alles zusammenpasst.
Nach einer längeren Wanderung im Schwarzwald bemerkt man abends auf dem Oberschenkel eine Zecke, die sich offensichtlich schon ziemlich vollgesogen hat und entfernt sie. Vier Tage später entdeckt man um die Stelle herum eine Rötung, die in den nächsten Tagen immer größer wird und sich kreisförmig immer weiter ausdehnt.
Eine Blutuntersuchung zeigt einen IgM-Antikörper gegen Borrelien, der Borrelien-IgG-Antikörper ist negativ. In einer Westernblot-Untersuchung bestätigt sich dieser Befund.
Unter einer Behandlung mit Penicillin verschwindet der Hautausschlag; weitere Symptome treten in der Folge nicht auf.
Bei einer Laborkontrolle einige Wochen später ist der Borrelien-IgM-Antikörper noch nachweisbar, nun sieht man aber zusätzlich auch einen Borrelien-IgG-Antikörper.
Damit ist eine durch die Zecke übertragene Borrelieninfektion mit einer rechtzeitig und erfolgreich behandelten Borreliose im Frühstadium mit nahezu 100% Sicherheit bewiesen.
Fall 2
Ganz schwierig ist es, wenn ein Patient mit unklaren Symptomen, z.B. unklaren Muskel- oder Gelenkschmerzen oder einer zunehmenden Müdigkeit, Abgeschlagenheit und Leistungsschwäche zum Arzt kommt und im Rahmen einer umfangreichen Diagnostik auch eine Laboruntersuchung auf Borrelien durchgeführt wird.
Hier zeigt sich im ELISA ein positiver Borrelien-IgM-Befund bei negativem IgG-ELISA, der Borrelien-IgM-Westernblot wird nach dem Laborbefund als positiv bezeichnet, der IgG-Blot als negativ.
Der Hausarzt diagnostiziert eine Borreliose und behandelt zunächst mit Penicillin, ohne daß sich irgendeine Wirkung zeigt. Er kontrolliert den Laborbefund, der praktisch identisch zum Vorbefund ist.
Unter der Vorstellung einer Unwirksamkeit von Penicillin wird nun auf Doxycyclin gewechselt und über 8 Wochen mit 2x100 mg therapiert. Darunter geht es vielleicht etwas, aber nicht überzeugend besser.
Die anschließende Laborkontrolle zeigt erneut einen positiven Borrelien-IgM-ELISA, auch der IgM-Blot ist nach dem Laborausdruck unverändert als positiv gekennzeichnet, sowohl IgG-ELISA als auch IgG-Blot sind weiterhin negativ.
Es erfolgt eine dreiwöchige Infusionstherapie mit Rocephin, die im Ergebnis weder das Befinden noch die Laborbefunde verändert.
Nach Wechsel des Hausarztes gelangt der Patient unter der Fragestellung einer Fibromyalgie zu einem Rheumatologen.
Hier zeigt sich, daß im Westernblot nur eine einzige Bande, nämlich die 41kD-Flagellin-Bande positiv ist und damit ein vollkommen uncharakteristischer Befund vorliegt (hinsichtlich einer Borreliose ein „falsch-positiver“ Befund).
Da der Rheumatologe bei einem Mann eine Fibromyalgie für eher unwahrscheinlich hält, vertieft er die Diagnostik und findet als Ursache des gesamten Krankheitsbildes eine Hashimoto-Thyreoiditis, eine Autoimmunerkrankung der Schilddrüse, die zur Weiterleitung an einen Endokrinologen führt und nun gezielt behandelt wird.
Fall 3
Eine weitere Krankheitsgeschichte klingt praktisch genauso.
Auch hier kommt der Patient mit unklaren Symptomen, z.B. unklaren Muskel- oder Gelenkschmerzen oder einer zunehmenden Müdigkeit, Abgeschlagenheit und Leistungsschwäche zum Arzt, auch bei ihm wird im Rahmen einer umfangreichen Diagnostik eine Laboruntersuchung auf Borrelien durchgeführt.
Allerdings zeigt sich hier im ELISA-Test ein negativer Borrelien-IgM-Befund, der IgG-Antikörper ist sehr stark erhöht. Der Borrelien-IgM-Westernblot ist negativ, der IgG-Blot ist positiv.
Der Internist empfiehlt vor diesem Hintergrund die Vorstellung bei einem ihm bekannten Rheumatologen, von dem er weiß, daß er sich mit Borreliose auskennt.
Dort berichtet der Patient, daß er sich an einen Zeckenbiß nicht erinnern kann, dies betrifft auch länger zurückliegende Zeiträume.
Der Rheumatologe bemerkt dazu, daß sich nur ein Drittel der Patienten mit einer gesicherten Borreliose an einen Zeckenbiß erinnern kann und die überwiegende Mehrzahl der Betroffenen damit nicht.
Darauf antwortet der Patient, er habe mit seiner beruflichen Tätigkeit und auch wegen seiner Lebensweise kaum eine Chance, von einer Zecke befallen zu werden, so sei er in seiner ohnehin spärlich bemessenen Freizeit kein Naturmensch und eigentlich selten außerhalb von Flughäfen und Tagungshotels unterwegs; seine Wohnung liege mitten in der Stadt, und viel Grün gäbe es dort nicht.
Bei der Untersuchung findet sich ein Kniegelenkserguß rechts, der bei der vorausgehenden, gezielten Befragung nicht angegeben worden war, da der Patient ihn für den aktuellen Zusammenhang nicht für relevant hielt.
Die Knieprobleme waren irgendwann in letzter Zeit aufgetreten, deswegen hatte er auch schon einen Orthopäden aufgesucht, der Verschleiß oder einen Meniskusschaden vermutete und eine arthroskopische Abklärung vorgeschlagen hatte, zur der der Patient bislang aber noch keine Zeit hatte.
Der Rheumatologe überprüft in seinem eigenen Speziallabor die Borrelien-Serologie und bestätigt den Befund eines negativen Befundes im IgM-ELISA sowie eines hochpositiven Befundes im IgG-ELISA.
Im IgG-Westernblot finden sich die folgenden Banden: VlsE positiv, p 83 positiv, p 31 (OspA) positiv, p 30 positiv, p 25 (OspC) positiv, p 19 positiv.
Auffällig ist daneben eine erhöhte Blutsenkung (BSG) und ein erhöhtes CRP, so daß eine entzündliche Erkrankung anzunehmen ist.
Der Rheumatologe hält in der Gesamtkonstellation eine Borreliose für sehr wahrscheinlich, der Kniegelenkserguß ist damit als Lyme-Arthritis (Arthritis im Rahmen der Borreliose) zu erklären.
Nach Krankheitsverlauf und Befunden liegt eine Borreliose im Stadium III vor.
Standardtherapie ist damit eine 3-wöchige Infusionsbehandlung mit dem Antibiotikum Rocephin.
Da sich der Patient wegen seiner beruflichen Situation dazu absolut nicht in der Lage sieht (wozu der Rheumatologe bemerkt, daß es bei einem Beinbruch auch keine Alternative zu der notwendigen chirurgischen Versorgung geben), erfolgt stattdessen der Vorschlag einer längerdauernden Therapie mit höherdosiertem Doxycyclin, zumal es Hinweise darauf gibt, daß bei „unkomplizierten“ Borreliosen, d.h. bei fehlenden schweren Organmanifestationen, auch im Stadium III eine solche Therapie einer Rocephin-Therapie nicht unterlegen ist.
Die Therapie mit Doxycyclin scheint anfangs unwirksam zu sein.
Nach 3 Wochen, die Therapie soll gerade schon wegen Ineffektivität beendet werden, hat der Patient dann aber den Eindruck, daß die Gelenk- und Muskelschmerzen zurückgehen und er sich insgesamt fitter fühlt. Deshalb wird die Behandlung fortgesetzt und führt zu einem zunehmenden Rückgang der Beschwerden.
Allerdings bleiben noch für Monate wechselnde Beschwerden, so daß der Patient erst etwa ein Jahr später seine volle Leistungsfähigkeit zurückgewonnen hat.
Was bedeuten nun ELISA und Westernblot? Was sagen die sogenannten Banden im Westernblot aus? Was ist der Unterschied zwischen einem Borrelien-IgM- und einem Borrelien-IgG-Antikörper? Warum ist es möglich, daß man keine Borreliose hat, obwohl doch die Blutteste positive Werte zeigen, und warum ist es möglich, daß die gesamte Krankengeschichte und alle klinischen Befunde für eine Borreliose sprechen, man aber bei den Laboruntersuchungen nichts findet? Was steckt hinter einer PCR-Diagnostik, was kann sie mehr als die üblichen Tests, und wann ist sie sinnvoll?
Diese und weitere Fragen in Teil 2 des r-o-Specials zur Borreliose am kommenden Sonntag, dem 17. Februar 2007 mit dem Thema: Labordiagnostik der Borreliose.
Der Forumsbeitrag zur Borreliose:
Weitere r-o-Beiträge zur Borreliose:
- Stichwort "Borrelien" in Rheuma von A-Z
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