Sulfasalazin bei seronegativen Spondarthritiden
Der M. Bechterew und die mit ihm verwandten seronegativen Spondarthritiden waren lange Zeit die Stiefkinder einer medikamentösen antirheumatischen Therapie. Lange galt der Grundsatz, dass diese Krankheitsbilder in erster Linie mit Krankengymnastik und Bewegungstherapie und erst in zweiter Linie mit cortisonfreien Entzündungshemmern (nicht-steroidale Antirheumatika oder nicht-steroidale Antiphlogistika) behandelt werden müssten. An eine langwirksame antirheumatische und remissionsinduzierende Therapie wurde bei M. Bechterew und Spondarthritis nicht im Traum gedacht, geschweige denn, dass sie jemand durchgeführt hätte.
Andererseits war jüngeren Rheumatologen nicht klar, warum die therapeutische Strategie bei Bechterew und Spondarthritiden so vollständig anders aussehen sollte als bei einer chronischen Polyarthritis. Nachweislich gibt es zumindest bei einer Untergruppe von Bechterew-Patienten z.T. ganz erhebliche systemische Entzündungsaktivität mit sehr hoher Blutsenkung und sehr hohem CRP, und wiederum bei anderen Patienten eine Gelenkbeteiligung, die einer chronischen Polyarthritis ziemlihc ähnelte.
Und es war schon biomechanisch und auch rein lebenspraktisch nicht einsehbar, wie man mit einer halben Stunde Krankengymnastik pro Tag oder auch 2 Stunden (was zeitlich kaum einer hinbekommt und was noch weniger Patienten auf Dauer regelmäßig durchführen würden) gegen die Versteifungstendenz einer Krankheit ankämpfen will, die ihre Ursache in einer Entzündung der Wirbelsäule und der kleinen Wirbelgelenke hat, die chronisch und damit 24 Stunden am Tag vorhanden ist.
Deshalb wurden dann zunehmend auch Versuche unternommen, Patienten mit M. Bechterew und Spondarthritiden um einen kontinuierlich mit entzündungshemmenden Medikamenten zu behandeln, zunächst aus der Gruppe der rein symptomatisch wirkenden ---> cortisonfreien Entzündungshemmer, dann zunehmend auch mit langwirksamen Antirheumatika. Wegen der Ähnlichkeit zur chronischen Polyarthritis wurde dies anfangs zunächst bei Patienten mit einer sogenannten peripheren Gelenkbeteiligung durchgeführt, d.h. bei Patienten, bei denen z.B. Fingergelenke, Zehengelenke, aber auch Ellenbogengelenke, Kniegelenke, Schultern oder Hüften betroffen waren.
Zum Einsatz kamen im Prinzip alle Präparate, die auch für die Behandlung einer chronischen Polyarthritis verwendet wurden, beginnend mit intramuskulär verabreichtem Gold über Methotrexat und Azathioprin bis hin in Einzelfällen zu so aggressiven Substanzen wie Cyclophosphamid.
Systematische Untersuchungen im Sinne größerer Studien sind mir zu den einzelnen Präparaten nicht bekannt. Die eigene Erfahrung und die Zusammenfassung aus dem Erfahrungsaustausch auf Kongressen und Workshops sowie in kleinen Qualitätszirkeln oder vergleichbaren Gesprächsrunden geht dahin, dass alle oben genannten Substanzen bei der größeren Zahl der Patienten mit M. Bechterew und Spondarthritiden nicht in demselben Maße wirksam sind wie bei der chronischen Polyarthritis. Zwar haben sie häufig eine vergleichbar gute Wirkung auf die periphere Gelenkbeteiligung und z.T. auch auf die systemische Entzündungsaktivität (z.B. BSG, CRP), ebenso häufig aber auch eine nur sehr unbefriedigende oder oft sogar völlig fehlende Wirkung auf den Rückenschmerz und die Schmerzen im Bereich der Kreuz-Darmbein-Gelenke ("Stammskelett") sowie die einsprechenden entzündlichen Symptome (z.B. Sakroileitis).
Wesentlich anders ist dies bei Sulfasalazin: Hier zeigt nicht nur die tägliche praktische Erfahrung ein gutes Ansprechen der peripheren Gelenke und des Stammskeletts, sondern eine gute Wirksamkeit bei M. Bechterew, Psoriasisarthritis und anderen Spondarthritiden konnte auch in systematischen klinischen Studien belegt werden.
Dies hat zu einem völligen Umdenken bei der Therapie des M. Bechterew und der Spondarthritiden geführt. So gehen immer mehr Rheumatologen dazu über, auch Spondarthritis-Patienten nicht mehr nur rein symptomatisch zu behandeln, sondern mit dem Anspruch einer langwirksamen antirheumatischen und remissionsinduzierenden Therapie.
Für uns selber gilt mittlerweile der Grundsatz, dass jeder Patient mit einem aktiven M. Bechterew oder einer aktiven Spondarthritis mit einem langwirksamen Antirheumatikum ("Basistherapie") behandelt werden sollte. Das Medikament der ersten Wahl ist dabei Sulfasalazin (z.B. Sulfasalazin medac).