Bahnbrechender Fortschritt bei der Versorgung der rheumatoiden Arthritis – Bundesweit erster Vertrag zur integrierten Versorgung der frühen rheumatoiden Arthritis unterzeichnet
In Düsseldorf wurde am 26. Juli 2005 der bundesweit erste Vertrag zur integrierten Versorgung der frühen rheumatoiden Arthritis unterzeichnet. Vertragspartner sind die Rheumatologische Schwerpunktpraxis am Evangelischen Krankenhaus Düsseldorf (Priv. Doz. Dr. med. H.E. Langer), das Evangelische Krankenhaus Düsseldorf, die Krankenkassen DAK und HMK (Deutsche Angestellten Krankenkasse und Hamburg-Münchner Krankenkasse) sowie die KV Consult der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein. Mit diesem Modellprojekt im Rahmen innovativer Versorgungsformen (Integrierte Versorgung) verwirklichen die Vertragspartner zusammen mit weiteren Kooperationspartnern ein völlig neuartiges Konzept zur frühzeitigen Diagnostik und zur rechtzeitigen, wirksamen Therapie der frühen rheumatoiden Arthritis.
Das Modell zur integrierten Versorgung der frühen rheumatoiden Arthritis geht auf eine Initiative der Krankenkassen zurück und bildet zusammen mit der Einrichtung einer Früharthritis-Leitstelle in der Rheumatologischen Schwerpunktpraxis für die Versicherten von DAK und HMK sowie der Früharthritis-Klinik am Evangelischen Krankenhaus Düsseldorf (Ärztlicher Leiter: Priv. Doz. Dr. med. H.E. Langer) ein Modellprojekt zur umfassenden, vollintegrierten Versorgung der frühen rheumatoiden Arthritis.
Das Konzept setzt auf Erfahrungen aus Früharthritis-Kliniken („early arthritis clinics“) in Großbritannien, den Niederlanden und Österreich sowie in den USA auf und erweitert es um einen strukturierten und integrierten Zugang zur Diagnostik und Therapie im Sinne einer komplexen und umfassenden integrierten Versorgung der frühen rheumatoiden Arthritis.
Das Modell ist in dieser Art einzigartig und realisiert wesentliche Forderungen von wissenschaftlichen Experten (z.B. Mau-Gutachten 2004) und Handlungsempfehlungen aus dem politischen Raum (einstimmiger Beschluß des Landtags NRW vom 22. September 2004, Drucksache 13/5701; Fachtagung der Düsseldorfer Gesundheitskonferenz vom 16. Juni 2004)). Es wurde in enger Abstimmung mit den Krankenkassen konzipiert und beruht auf neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Frühdiagnostik und Therapie der rheumatoiden Arthritis. Durch die Beteiligung der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein als Vertragspartner ist zugleich die Vernetzung mit der Kompetenz und Erfahrung der medizinischen Alltagspraxis sichergestellt.
Hausärzte und weitere Fachärzte als Partner
Hausärzte und weitere Fachärzte wie Internisten, Orthopäden oder Chirurgen helfen, als Kooperationspartner die Frühdiagnostik zu verbessern und den kürzesten Weg zur spezialisierten rheumatologischen Versorgung sicherzustellen. Dafür wurde ein spezielles Instrumentarium zur Arthritis-Früherkennung entwickelt.
Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein ist neben der Honorarabwicklung über ihre KV Consult für die statistische Erfassung und Dokumentation, die externe Qualitätssicherung und die Evaluation und das Berichtswesen verantwortlich.
Gemeinsames Ziel ist es, rheumatoide Arthritis in einem frühestmöglichen Stadium zu diagnostizieren und durch rechtzeitige und wirksame Therapie die Behandlungsergebnisse entscheidend zu verbessern.
Der Zugang zur Früharthritis-Klinik ist über die primär betreuenden Ärzte geregelt (Hausärzte, Internisten, Orthopäden, Chirurgen). Hier wird zugleich das Primär-Screening auf eine frühe Arthritis durchgeführt. Bei positivem Ergebnis erfolgt über einen Express-Zugang („fast track“) die Anmeldung und Aufnahme in der Früharthritis-Klinik. Dort kann nach einer differenzierten rheumatologischen Diagnostik unter Einschluß modernster Methoden in kürzestmöglicher Zeit mit einer adäquaten Therapie begonnen werden.
Neue Versorgungsmodelle als Chance
Mit neuen Versorgungsmodellen eröffnet sich die Möglichkeit, die logistischen Grenzen und strukturell bedingten Begrenzungen der traditionellen rheumatologischen Versorgung zu überwinden. Mit dem Modell einer integrierten Versorgung der frühen rheumatoiden Arthritis, der Einrichtung der Früharthritis-Klinik am Evangelischen Krankenhaus Düsseldorf und einem integrierten Versorgungsmanagement der frühen Arthritis beschreiten die Rheumatologische Schwerpunktpraxis am Evangelischen Krankenhaus Düsseldorf, das Krankenhaus und die beteiligten Krankenkassen DAK und HMK zusammen mit der KV Consult der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein in einer gemeinsamen Initiative die neuen Wege, die heute vor dem Hintergrund begrenzter Ressourcen und dem Druck des medizinischen Fortschritts für eine leistungsfähige Rheumatologie der Zukunft erforderlich sind.
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Literatur
- P Emery P et al:
Development of an evidence-based referral recommendation (ERR) for the optimum DMARD treatment of patients with early stage RA. Poster presentation (abstract FRI0045), EULAR Congress, Prague, 13-16 June 2001. - P Emery, F C Breedveld, M Dougados, J R Kalden, M H Schiff and J S Smolen
Early referral recommendation for newly diagnosed rheumatoid arthritis: evidence based development of a clinical guide
Annals of the Rheumatic Diseases 2002;61:290-297 - Prof. Dr. med. Wilfried Mau
Direktor des Instituts für Rehabilitationsmedizin
Medizinische Fakultät der Martin Luther-Universität Halle-Wittenberg
Bereiche und Kosten der Fehl-, Unter- und Überversorgung
von Patientinnen am Beispiel der rheumatoiden Arthritis
Wissenschaftliches Gutachten
für die Enquetekommission „Zukunft einer frauengerechten
Gesundheitsversorgung in NRW“ des Landtags
von Nordrhein-Westfalen
vom 18.2.2004
(online verfügbar, PDF)
Öffnungsklausel - Beitritt weiterer Vertragspartner
Alle Beteiligten sind sich darin einig, daß die Vorteile aus dem hier abgeschlossenen Vertrag nicht nur den Versicherten von DAK und HMK in Düsseldorf und Umgebung offen stehen sollen. Deshalb beinhaltet der Vertrag eine Öffnungsklausel nicht nur für andere Rheumatologen und andere Krankenhäuser, sondern auch für andere Krankenkassen. Sie können dem Vertrag beitreten, wenn sie die entsprechenden Voraussetzungen (z.b. sozial- und leistungsrechtliche Voraussetzungen, medizinische Voraussetzungen) erfüllen und die Regelungen dieses Vertrages für sich akzeptieren.
Hintergrund des Vertrages
Der rationale und versorgungsepidemiologische Hintergrund des Vertrages ist die in Deutschland fast dramatisch zu nennende Unterversorgung und Fehlversorgung von Patienten mit rheumatoider Arthritis und speziell auch mit früher Arthritis.
So erfolgt in Deutschland die Erstvorstellung eines RA-Patienten beim Rheumatologen im Mittel erst nach 1,8 Jahren.
Dagegen steht nach allen heute bekannten Daten bei der frühen rheumatoiden Arthritis ein therapeutisches Fenster („window of opportunity“) von 12-16 Wochen nach Krankheitsbeginn. Optimale Behandlungsergebnisse werden in der Regel nur dann erzielt, wenn die Einleitung einer wirksamen Therapie innerhalb dieses Zeitraums erfolgt.
Der rechtzeitige Beginn einer fachgerechten Therapie wird deshalb gegenwärtig bei der Mehrzahl der Patienten mit einer frühen rheumatoiden Arthritis regelhaft verpasst.
Behandlungs- und Handlungskorridore („clinical pathways“) als Zielorientierung der Versorgung
Für das integrierte Versorgungsmanagement wurden Behandlungs- und Handlungskorridore definiert („clinical pathways“), über die die gesamten Versorgungsabläufe organisiert und strukturiert sind. Sie beziehen sich auf das gesamte Leistungsspektrum und beinhalten damit formalisierte Verfahren vom Zugang / Check-In über die Diagnostik und Differentialdiagnostik, die Therapie und das follow-up bis hin zur Dokumentation. Der entsprechende Workflow ist zugleich wesentliche Basis für das integrierte Qualitätsmanagement.
Die Behandlungs- und Handlungspfade sind durchgängig evidenzbasiert. Die Ausrichtung der Behandlungskorridore ist dabei outcome-orientiert, d.h. ihre Grenzen und ihre Ziele sowie die zugehörige Therapiesteuerung und die sonstigen Interventionen definieren sich über klinische, radiologische und funktionelle Zielparameter (DAS28, HAQ, Röntgenprogression).
Der Vertrag zur integrierten Versorgung der frühen rheumatoiden Arthritis - wesentliche Elemente und Besonderheiten
Komplett sektorenübergreifende integrierte Versorgung
Zum einen bildet der Vertrag eine komplett sektorenübergreifende integrierte Versorgung ab, d.h. in einem vollständig sektorenübergreifenden Versorgungsmodell sind alle bisher getrennten drei Sektoren der rheumatologischen Versorgung integriert (ambulante, vertragsärztliche Medizin, akutstationäre Krankenhausbehandlung und Rehabilitation).
Beteiligung der Kassenärztlichen Vereinigung als Vertragspartner
Wesentlich ist die Beteiligung der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein. Damit steht die integrierte Versorgung für alle Vertragsärzte offen und beschränkt sich nicht auf einzelne Arztgruppen oder auf in bestimmten Verbänden organisierte Ärzte.
Patientenschulungsprogramm der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie als obligater Bestandteil des Leistungsangebots
Die Versorgung beinhaltet die komplementären Leistungsangebote wie Krankengymnastik, weitere physikalisch-medizinische Behandlungsmaßnahmen oder Ergotherapie. Obligater (von den Kassen eingeforderter !!!) Bestandteil der integrierten Versorgung ist eine Patientenschulung gemäß dem Schulungsprogramm der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie. Nach nunmehr 15 Jahren gemeinsamer Anstrengungen von Deutscher Gesellschaft für Rheumatologie und Deutscher Rheuma-Liga konnte damit jetzt erstmals innerhalb des vorliegenden Modells für Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung die Patientenschulung als obligater Leistungsinhalt der rheumatologischen Versorgung durchgesetzt werden.
Durchgängig strukturiertes Konzept für die Diagnostik und vollintegrierte, komplexe Therapie der frühen rheumatoiden Arthritis
Das Modell entwickelt erstmals ein durchgängig strukturiertes Konzept für die Diagnostik und vollintegrierte, komplexe Therapie der frühen rheumatoiden Arthritis. Es greift damit die Forderungen von Wissenschaftlern und wissenschaftlichen Fachgesellschaften, Fachgutachtern und von Selbsthilfe-Organisationen auf, insbesondere auch der Deutschen Rheuma-Liga, und verwirklicht die aktuellen Handlungsempfehlungen aus dem politischen Raum, beispielsweise die fraktionsübergreifend von allen Parteien einstimmig beschlossenen Empfehlungen der Enquete-Kommission des Landtags NRW vom September 2004 oder auf lokaler Ebene die Ergebnisse und Empfehlungen einer Fachtagung der Düsseldorfer Gesundheitskonferenz vom Juni 2004.
Primat der Rheumatologie bei der spezialisierten rheumatologischen Versorgung
Die rheumatoide Arthritis ist eine schwere und schwerverlaufende Erkrankung mit weitreichenden Folgen für die Betroffenen, ihre Angehörigen und das System der sozialen Sicherung. Wie bei vergleichbar schweren Erkrankungen, beispielsweise Krebs, schweren Herzerkrankungen oder AIDS werden optimale Behandlungsergebnisse nur durch eine stringente, durchgängige und engmaschige spezialisierte rheumatologische Betreuung erzielt. Im vorliegenden Modell überträgt die integrierte Versorgung der frühen rheumatoiden Arthritis die Gesamtverantwortung für die rheumatologische Diagnostik und Therapie und das umfassende Management der rheumatologischen Versorgung auf den spezialisierten Rheumatologen und definiert damit die Arbeitsteilung zwischen spezialisierter fachärztlicher Versorgung und hausärztlicher und sonstiger primärärztlicher Versorgung unzweifelhaft eindeutig sowie strikt outcome-orientiert zugunsten der spezialisierten rheumatologischen Versorgung. Mit dieser Festlegung ist zugleich sichergestellt, daß die originär hausärztlichen und sonstigen primärärztlichen und sekundärärztlichen, anderen fachärztlichen Versorgungsleistungen und alle anderen Maßnahmen außerhalb der engbegrenzten, integrierten rheumatologischen Versorgung unverändert und unangetastet in der Verantwortlichkeit und im Leistungsbereich der hier immer schon zuständigen Ärzte verbleiben.
Screening-Instrument zur Arthritis-Früherkennung auf der primären Versorgungsebene
Ebenfalls neu ist ein speziell für das Versorgungsmodell entwickeltes Screening-Instrument zur Arthritis-Früherkennung auf der primären Versorgungsebene (Hausärzte, andere primär versorgende Fachärzte wie Internisten, Orthopäden oder Chirurgen). Das Instrument basiert auf der klinischen Leitlinie „Management der frühen rheumatoiden Arthritis“ der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie, berücksichtigt zugleich aber auch die internationalen Erfahrungen aus den Früharthritis-Kliniken (early-arthritis clinics) in Großbritannien, den Niederlanden, Frankreich und Österreich und die daraus resultierenden Empfehlungen, speziell aus der CARE-Initiative (Collaboration to Assess and Refer Early, Emery et al 2001, Emery et al 2002).
Einfache Abläufe – keine bürokratischen Hürden – Vergütung außerhalb des Budgets
Das Screening-Instrument steuert den Zugang zur Früharthritis-Klinik, optimiert den limitierten Einsatz der rheumatologischen Ressourcen, fokussiert zugleich auf die primäre Zielgruppe und reduziert dadurch die Rate an Fehlzuweisungen. Der Screening-Fragebogen ist zugleich der Anmeldebogen für die Früharthritis-Klinik und der Beleg für die Honorarabrechnung über die Kassenärztliche Vereinigung. Die Vergütung der Vertragsärzte erfolgt mit der normalen Kassenabrechnung. Dazu wurde von der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein die Pseudoziffer 93010 vergeben. Da es sich um eine besondere und außerhalb der Regelversorgung durchgeführte Leistung handelt, erfolgt die Vergütung außerbudgetär, d.h. außerhalb des vorgegebenen und begrenzten Budgetrahmens.
Integriertes Versorgungsmanagement: Die individualisierte Antwort auf Subjektverlust und Entpersonalisierung der Medizin durch Disease Management statt Krankenbehandlung
Weiterhin neu ist ein Integriertes Versorgungsmanagement, das in einem durchgängigen Algorithmus die rheumatologische Versorgung innerhalb des integrierten Versorgungsmodells definiert und organisiert.
Integriertes Versorgungsmanagement bedeutet dabei die individuelle Organisation einer komplexen Versorgung nach allgemeingültigen Regeln und ist damit die systemorientierte Sichtweise von Versorgung, die die primär subjektorientierte Sichtweise der traditionellen Krankenbehandlung und die primär objektorientierte Sichtweise von Disease-Management-Programmen im dialektischen Sinne aufhebt und damit auf der höheren Qualitätsebene einer integrierten Versorgung zugleich einschließt als auch überwindet.
In Düsseldorf wurde am 26. Juli 2005 der bundesweit erste Vertrag zur integrierten Versorgung der frühen rheumatoiden Arthritis unterzeichnet. Vertragspartner sind die Rheumatologische Schwerpunktpraxis am Evangelischen Krankenhaus Düsseldorf (Priv. Doz. Dr. med. H.E. Langer), das Evangelische Krankenhaus Düsseldorf, die Krankenkassen DAK und HMK (Deutsche Angestellten Krankenkasse und Hamburg-Münchner Krankenkasse) sowie die KV Consult der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein. Mit diesem Modellprojekt im Rahmen innovativer Versorgungsformen (Integrierte Versorgung) verwirklichen die Vertragspartner zusammen mit weiteren Kooperationspartnern ein völlig neuartiges Konzept zur frühzeitigen Diagnostik und zur rechtzeitigen, wirksamen Therapie der frühen rheumatoiden Arthritis.
In Anwesenheit des Beauftragen der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, MdB Karl Hermann Haack, zahlreicher Journalisten und weiteren Repräsentanten unterzeichneten am 26. Juli 2005 auf einem Presse-Empfang in Düsseldorf die Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Angestellten Krankenkasse (DAK), Dr. h.c. Herbert Rebscher, und der Hamburg Münchner Krankenkasse (HMK), Dieter Baltzer, mit der rheumatologischen Schwerpunktpraxis am Evangelischen Krankenhaus Düsseldorf (Priv. Doz. Dr. med. H.E. Langer), dem Evangelischen Krankenhaus Düsseldorf und der KV Consult der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein den bundesweit ersten Vertrag zur integrierten Versorgung der frühen rheumatoiden Arthritis. Mit dem Vertrag verbunden ist die Einrichtung einer Früharthritis-Leitstelle für die örtlichen Versicherten der DAK und HMK als Management-Aufgabe der rheumatologischen Schwerpunktpraxis und der Start von Deutschlands erster Früharthritis-Klinik am Evangelischen Krankenhaus Düsseldorf.