Zum alten und zum neuen Jahr: Jahresrückblick 2005 und Ausblick auf 2006
2005 - das heißt nun bereits 5 Jahre im anbrechenden 21. Jahrhundert. Was haben diese 5 Jahre, und was hat speziell 2005 für die Rheumatologie und vor allem für die Patientinnen und Patienten gebracht? Und was ist in 2006 zu erwarten?
2005: Das Jahr
2005 - das heißt nun bereits 5 Jahre im anbrechenden 21. Jahrhundert. Was haben diese 5 Jahre, und was hat speziell 2005 für die Rheumatologie und vor allem für die Patientinnen und Patienten gebracht?
Für die Rheumatologie kann man uneingeschränkt sagen, daß sie mit dem Start in das neue Jahrtausend auch fachlich in ein völlig neues Zeitalter aufgebrochen ist.
Enorme Fortschritte in der Grundlagenforschung haben zu bahnbrechenden Erkenntnissen beim Verständnis der Krankheitsentstehung auf molekularer Ebene geführt. In Kombination mit den Fortschritten in der Arzneimitteltechnologie und bei der Großproduktion von biotechnologisch hergestellten Substanzen bedeutet dies für unser Fach und unsere Patienten eine Revolution in der Therapie vieler rheumatischer und immunologischer Erkrankungen.
Dies gilt insbesondere für die rheumatoide Arthritis, die Psoriasis-Arthritis und die Spondarthritiden, d.h. den M. Bechterew und verwandte Erkrankungen. Die neuen biologischen Medikamente, vor allem die TNF-alpha-Blocker, haben hier therapeutische Chancen eröffnet, die vor 10 Jahren, ja selbst vor 5 Jahren kaum für möglich gehalten worden wären.
Hinsichtlich der Erkrankungen war 2005 das Jahr der Psoriasis-Arthritis. Leider gilt zwar auch hier die Erkenntnis, daß eine Erkrankung erst in dem Augenblick in den Mittelpunkt des Interesses rückt, in dem sie durch neue Arzneimittel für die pharmazeutische Industrie interessant wird und nun plötzlich finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, die schon viel eher dringend notwendig gewesen wären. Andererseits können wir darüber glücklich sein, daß dadurch bei dieser Erkrankung nun endlich etwas geschieht und auch Patienten mit dieser schweren, das Leben nachhaltig verändernden Erkrankung die Aufmerksamkeit bekommen, die ihnen schon lange gebührte.
Betrachtet man neue Substanzen, war 2005 das Jahr von Adalimumab (Handelsname HUMIRA). Gleich drei Meilensteine kann das Präparat in 2005 für sich verbuchen: Die Zulassung für die Therapie der Psoriasis-Arthritis durch die europäische Zulassungsbehörde EMEA, die Zulassungserweiterung durch die EMEA für die Initial-Therapie der frühen rheumatoiden Arthritis und den erfolgreichen Abschluß der großen Studien zur Therapie der ankylosierenden Spondylitis, der am 18. Oktober zeitgleich zum Antrag auf Zulassung für diese Indikation durch die US-amerikanische Zulassungsbehörde FDA und die EMEA führte.
Bleiben wir bei der Psoriasis: Nach Etanercept (Handelsname Enbrel) wurde nun auch Infliximab (Handelsname Remicade) durch die EMEA für die schwere Hautbeteiligung der Plaque-Psoriasis zugelassen. Und es steht zu erwarten, daß bald auch mit Adalimumab der Dritte im Bunde der TNF-alpha-Blocker die entsprechende Zulassung erhalten wird.
Lichtblicke und einen ersten Hoffnungsschimmer gibt es aber auch bei anderen, selteneren Erkrankungen, z.B. bei der Lungenbeteiligung bei der Sklerodermie, speziell der pulmonalen Hypertonie. Hier steht mit Bosentan (Handelsname Tracleer) erstmals eine ebenfalls biotechnologisch hergestellte Substanz zur Verfügung, die die Prognose dieser schweren Krankheitsmanifestation eindrucksvoll verbessert.
Gute und erfolgreiche Rheumatologie heißt aber keinesfalls allein Therapie mit biologischen Medikamenten. Im Gegenteil haben uns die ersten Jahre des neuen Jahrtausends und speziell 2005 erhebliche Fortschritte auch bei der Therapie mit konventionellen Medikamenten gebracht, die sich hinter den Erfolgen der Biologicals nicht verstecken müssen.
Die Highlights: Bei der Therapie der Lupus-Nephritis (Nierenbeteiligung eines systemischen Lupus erythematodes, SLE) ist die Behandlung mit Mycophenolat-Mofetil so wirksam wie die bisherige Therapie mit Cyclophosphamid (Handelsname z.B. Endoxan), aber deutlich weniger toxisch („giftig“).
Bei der Therapie der rheumatoiden Arthritis zeigt sich immer deutlicher, daß die modernen Kombinationstherapien beispielsweise mit Methotrexat (MTX) und Leflunomid (Handelsname Arava) oder MTX und Ciclosporin (Handelsname z.B. Immunosporin) hochwirksam und sicher sind. Dabei sind sie nicht nur den Monotherapien mit einem der genannten Medikamente deutlich überlegen, sondern erreichen z.T. Ansprechraten, die mindestens so gut oder sogar noch besser als die Ergebnisse von biologischen Medikamenten sind.
Der Ausblick auf 2006
Das Prinzip Hoffnung war für die Patienten gerade mit sehr schwer verlaufenden rheumatischen Erkrankungen nicht nur ein kurzes Strohfeuer, vielmehr sieht es danach aus, daß wir in der Rheumatologie heute gerade erst ganz am Anfang von vollkommen neuen und erfolgversprechenden Behandlungsmöglichkeiten stehen.
Diese Hoffnung wird vermutlich für einen Teil der Patienten bereits in 2006 sehr konkret, denn mit Rituximab (Handelsnahme MabThera) steht im Augenblick eine Substanz in den Startlöchern, die mit einem ganz neuen Wirkungsprinzip eine therapeutische Lücke füllt, die uns im Augenblick noch erhebliche Probleme bereitet. Grundlage von Rituximab ist die Entdeckung oder besser Wiederentdeckung bzw. eine Renaissance der B-Zelle, d.h. der Zelle, die u.a. für die Produktion des Rheumafaktors zuständig ist, die aber immunologisch sehr viel mehr Bedeutung hat, als es bislang schien.
Mit der weitgehenden Ausschaltung der B-Zellen durch diesen ebenfalls biotechnologisch hergestellten B-Zell-Antikörper werden nach den derzeit vorliegenden Studiendaten z.T. spektakuläre Erfolge selbst bei Patienten erreicht, bei denen alle übrigen Medikamente einschließlich aller zur Verfügung stehenden TNF-alpha-Blocker nicht oder nicht ausreichend wirksam waren.
Die Zulassung von Rituximab für die Therapie der schweren rheumatoiden Arthritis, die auf eine vorausgehende Therapie mit einem TNF-alpha-blockierenden Medikament nicht genügend angesprochen hat, ist in den USA und in Europa beantragt. In den USA wird dazu ein beschleunigtes Bearbeitungsverfahren durchgeführt, und auch für Europa ist zu erwarten, daß die Substanz bereits im Frühjahr für die Patienten zur Verfügung steht.
Am Horizont sind weitere Substanzen mit ebenfalls ganz neuen und völlig anderen Wirkprinzipien als bei den bisherigen Medikamenten. Die ersten Studien mit solchen Präparaten sind ebenfalls vielversprechend. Für den CTLG4-Ig-Co-Stimulationsmodulator Abatacept (Handelsname in den USA Orencia) wurde ganz aktuell am 23.12.2005 durch die FDA die offizielle Zulassung für die rheumatoide Arthritis erteilt, bei der eine oder mehrere andere vorausgehende Therapien unwirksam waren.
Die Herausforderungen der Zukunft
Die große Herausforderung in 2006 und in den kommenden Jahren ist die faire Lösung der Allokationsproblematik in der Medizin, d.h. die Aufgabe, daß alle Betroffenen auch wirklich an den Fortschritten in der Therapie teilhaben und bei den wachsenden Finanzierungsproblemen im Gesundheitssystem die neuen therapeutischen Chancen gerecht zum Einsatz kommen. Die derzeitig aufkeimende, törichte Diskussion um Kassenpatienten und Privatpatienten verkürzt dabei die eigentliche Problematik, daß man für die Behandlung von Krankheiten nur soviel Geld ausgeben kann, wie man hat, es sei denn, man wolle weiter wie bisher auf Kosten unserer Kinder, Enkelkinder und Urenkel leben.
Verteilungsgerechtigkeit betrifft dabei nicht nur die Verteilung der knappen Ressourcen innerhalb der Rheumatologie selber, sondern in weitaus stärkerem Maße die Teilhabe von Patientinnen und Patienten mit schweren, immobilisierenden und das Leben nachhaltig beeinträchtigenden Erkrankungen am Gesamtbudget. Im Klartext: Es geht zukünftig ganz wesentlich darum, daß Rheumapatienten in der Konkurrenz mit anderen nicht zu kurz kommen und bei der Mittelvergabe nicht nur Massenkrankheiten wie Diabetes, Hypertonie, Hypercholesterinämie oder auch solche „öffentlichkeitswirksamen Erkrankungen“ wie Herzerkrankungen, Krebs und HIV/AIDS bedient werden, sondern eben auch die gleich schwer erkrankten Patientinnen und Patienten mit rheumatischen und immunologischen Systemerkrankungen den Zugang zu einer adäquaten Diagnostik und Therapie bekommen.
Unsere Aufgabe als Rheumatologen und die Aufgabe der Betroffenen selber muß deshalb eine intensive Öffentlichkeitsarbeit sein. Nicht von ungefähr kristallisierte sich auf dem User-Workshop 2005 in Düsseldorf heraus, daß diese unser Schwerpunkt für 2006 sein muß.
Zentrales Thema dabei:
- Rheuma ist keine Alte-Leute-Krankheit
- Rheuma ist keine harmlose Erkrankung
- Patienten mit rheumatischen Erkrankungen haben dasselbe Recht auf eine adäquate Behandlung wie andere Patienten mit schweren, potentiell lebensbedrohlichen und in jeder Hinsicht lebensverändernden, das Leben schwer in seiner Qualität beeinträchtigen Erkrankungen
Die Highlights 2005 in rheuma-online
Zum Abschluß einige wenige Worte zu uns selber. Für rheuma-online stand das Jahr 2005 ganz im Zeichen der von Alexander initiierten und in der Folge nachdrücklich umgesetzten Qualitätsoffensive mit tiefgreifenden Veränderungen in der Technik, im Design und nicht zuletzt auch bei der inhaltlichen Gestaltung. Wir haben im Oktober/November-Editorial ausführlich darüber berichtet.
Das Highlight in 2005 war natürlich der User-Workshop in Düsseldorf, der alle unsere Erwartungen übertroffen hat und der wohl nicht nur uns selber in unauslöschlicher Erinnerung bleiben wird. Für mich persönlich war dabei der nachhaltigste Eindruck, daß wir mit rheuma-online in den letzten Jahren nicht nur Erhebliches bewegt haben, sondern daß die wachsende Bedeutung der Community das Potential hat, auch zukünftig segensreich für die Patienten mit rheumatischen Erkrankungen wirksam zu sein.
Was uns in diesem Jahr am meisten gefreut hat? Schwer zu sagen, da es so viele schöne Ereignisse, Erlebnisse und Begegnungen gab. Was uns allerdings auf keinen Fall traurig gemacht hat: Die Erfolgsstory rheuma-online geht unaufhörlich weiter.
2005 war dabei ein Jahr, das noch einmal einen ganz großen Sprung nach vorne gebracht hat. So hat sich die Besucherzahl gegenüber Dezember 2004 fast verdoppelt und liegt nun bei über 350.000 Besuchern im Monat mit mehr als 3.5 Millionen Seitenabfragen. Insgesamt haben im Jahr 2005 mehr als drei Millionen User rheuma-online besucht (genau waren es 3486240 Besucher) und zusammen mehr als 40 Millionen Seiten abgerufen.
Das ist für uns die Aufgabe für 2006: rheuma-online weiterhin so attraktiv zu gestalten wie bisher und das Portal als das weiter zu entwickeln, von dem wir glauben, das es seine besondere Stärke ausmacht. Nämlich nicht nur „Marktführer“ zu sein, sondern dabei auch die Menschen und das Menschliche nicht aus den Augen zu verlieren. Dies ist im übrigen mit einem besonderen Gruß an Herrn Ackermann (der mit dem "V" in den Fingern) auch unsere Message an alle, die in unserem Land Führungsverantwortung in Wirtschaft und Politik haben.
Wir wünschen allen unseren Usern von ganzem Herzen ein gutes und möglichst gesundes neues Jahr!
Priv. Doz. Dr. med. H.E. Langer und das rheuma-online-Team