Year in review: Der ACR-Kongreß 2009 ist in Philadelphia gestartet
Der weltweit größte Rheumatologenkongreß, der Kongreß des American College of Rheumatology (ACR) , hat heute in Philadelphia begonnen. Traditionell startete das Prgramm mit einem Rückblick auf das vergangene Jahr und die wichtigsten Veröffentlichungen.
Die Amerikaner lieben es früh. Und so startete das wissenschaftliche Programm vor dem Frühstück mit dem traditionellen Jahresrückblick.
Zur Einleitung: Die Slide Competition Presentation, die inzwischen schon fast Kult-Status erreicht hat, in diesem Jahr präsentiert von Alan N Baer von der Johns Hopkins University School of Medicine in Baltimore, MD.
Unter der Moderation von Joel A. Block vom Rush University Medical Center in Chicago, IL, dann das rheumatologische Jahr im Rückblick. Die klinische Perspektive präsentierte Joan M. Bathon, Professor of Medicine an der Johns Hopkins University School of Medicine in Baltimore, Ellen M. Gravallese von der University of Massachusetts Medical School in Worcester, MA, die Perspektive der Grundlagenforschung.
Wir beschränken uns in diesem Bericht auf die klinische Perspektive, da sie für unsere User am interessantesten sein dürfte.
Joan Bathon stellte in ihrem Rückblick sechs Studien vor, die aus ihrer Sicht eine erhebliche Auswirkung auf die tägliche rheumatologische Arbeit haben dürften:
- Zwei methodisch sehr saubere, klinisch bedeutsame Studien zur Vertebroplastie, d.h. dem Einspritzen von Knochenzement in einen Wirbelkörper mit einer osteoporotischen Fraktur
- Die SWEFOT-Studie mit dem direkten Vergleich einer 3-fach-Kombinationstherapie mit konventionellen DMARDs (Methotrexat, Sulfasalazin, Hydroxychloroquin, d.h. mit dem sogenannten O´Dell-Schema) mit einer Kombination von Methotrexat mit dem TNF-alpha-Blocker Infliximab bei Patienten mit einer frühen rheumatoiden Arthritis, die auf eine initiale krankheitsmodifizierende Therapie mit Methotrexat über 3-4 Monate nicht oder nicht ausreichend angesprochen haben
- Zwei Studien zur medikamentösen Therapie ANCA-assoziierter Vaskulitiden wie M. Wegener, mikroskopische Polyangiitis oder Churg-Strauss-Syndrom; einmal zur Frage einer Remissionsinduktion mit einer B-Zell-gerichteten Therapie mit Rituximab, zum anderen zur Frage, ob bei Nierenbeteiligung eine Cyclophosphamid-Therapie als intravenöse Pulstherapie einer täglichen oralen Therapie gleichwertig ist
- Abschließend eine Studie zur Lupusnephritis mit der Frage, ob eine Therapie mit Mycophenolat-Mofetil bei der Remissionsinduktion bei Nierenbeteiligung der traditionellen Therapie mit einer Cyclophoshamid-Therapie über legen ist.
Die Präsentation und Bewertung dieser Studien sollen im folgenden stichwortartig wiedergegeben werden.
Stellenwert der Vertebroplastie.
2 Klinische Studien: Vergleich Vertebroplastie mit Schein-Eingriff (sham vertebroplasty)
- Kallmes D et al, N Engl J Med 2009, 361:569-579
- Buchbinder R et al, N Engl J Med 2009;361: 557-568
Ergebnis:
Kein Unterschied zwischen Patienten, bei denen eine Vertebroplastie erfolgte und denen, bei denen nur ein Scheineingriff durchgeführt wurde
Zusammenfassung:
- Kein Vorteil der Vertebroplastie gegenüber der Scheinprozedur
- Vorsicht: Placebo-Antworten sind bei invasiven Eingriffen höher als bei nicht-invasiven Eingriffen
Limitationen:
- Möglicher Selektionsbias (30% lehnten Teilnahme an der Studie ab)
- Cross-over-Design in der einen Studie macht die Interpretation der Ergebnisse schwierig
- Kyphoplastie als Alternatives Verfahren zur Vertebroplastie wurde nicht untersucht
SWEFOT-Trial:
Direkter Vergleich einer 3-fach-Kombinationstherapie mit konventionellen DMARDs (MTX, SASP,HCQ, O´Dell-Schema) mit einer Kombination von MTX mit Infliximab
van Vollenhoven RF et al., JAMA 2009;374:459
Studiendesign:
- RA-Patienten mit einer Krankheitsdauer < 1 Jahr
- DAS >3.2
- Keine vorherige DMARD-Therapie
- MTX 10mg pro Woche, Steigerung bis 20 mg pro Woche ab der 6. Woche
- Nach 3-4 Monaten DAS28; wenn > 3.2, Randomisierung in 2 Therapiearme:
• MTX weiter, dazu Sulfasalazin 2 x1 g + Hydroxychloroquin 2 x 200 mg
• MTX weiter, dazu Infliximab 3 mg/kg KG alle 8 Wochen
Ausgangswerte:
- Initialer DAS 6.0 (DMARD-Kombi) bzw. 5.9 (MTX-INF)
- HAQ 1.32 bzw. 1.27
Ergebnisse:
Nach 9 Monaten Trend einer Überlegenheit von MTX+INF, aber noch kein statistisch signifikanter Unterschied (p=0.0988), nach 12 Monaten dann signifikanter Unterschied im Ansprechen (Good EULAR Response).
MTX/SASP/HCQ (n=130) MTX/INF (n=128) p
EULAR good 41 (32%) 61 (47%) 0.011
ACR20 59 (45%) 76 (59%) 0.026
ACR50 44 (34%) 62 (48%) 0.023
ACR70 20 (15%) 36 (28%) 0.026
Zusammenfassung:
- Überlegenheit einer MTX-Infliximab-Kombinaton über die Dreifach-Kombination mit konventionellen DMARDs bei Patienten mit früher Arthritis, die auf eine MTX-Therapie nicht oder nicht ausreichend angesprochen haben.
- In dieser Studie mit 32% gutem EULAR-Ansprechen relativ geringe Ansprechrate auf MTX, demgegenüber vergleichsweise niedrige Ansprechrate unter der MTX-Infliximab-Kombination
Limitationen:
- Offenes Studien-Design
- Keine radiologischen Daten: Werden auf dem Kongreß am Mittwoch vorgestellt (Late Braking Abstacts, LB6)
ANCA-assoziierte Vaskulitiden: Effekt von Rituximab
Jones RB et al, 2009; Arthr Rheum 60:2156
Studiendesign/Patienten:
- 65 sequentielle Patienten mit therapierefraktärer ANCA-assoziierter Vaskulitis
- Mittleres Alter 47 Jahre, 52% männlich
- 71% M. Wegener (Wegener´sche Granulomatose), daneben mikroskopische Polyangiitiden, Churg-Strauss-Syndrom
- Krankheitsdauer im Median 6 Jahre
- Im Schnitt Beteiligung von 2 Organsystemen
- 92% mit vorhergehender immunsuppressiver Therapie
Ergebnisse:
- 49/65 (75%) mit kompletter Remission, davon aber 28/49 (57%) mit Rezidiv
- 38 Re-Treatment mit Rituximab, 84% mit erneutem Ansprechen (erneute komplette Remission) oder Remissionserhalt bei vorbestehender kompletter Remission
- Kein Zusammenhang des Rezidivs mit
• Initialem ANCA-Status
• Art der Organbeteiligung
• B-Zell-Depletion und –Repletion
• Unterschiedlichem Rituximab-Behandlungsregime
• Absetzen der anderen Immunsuppressiva
Zusammenfassung:
- Bei allen Patienten wurde eine B-Zell-Depletion erreicht
- Die B-Zell-Depletion war mit einer hohen Rate an kompletten Remissionen assoziiert
- 58% Rezidive
- Re-Treatment mit RTX führte zu erneuten oder anhaltenden Remissionen
Eine Repopulation von B-Zellen war kein verläßlicher Marker für ein Rezidiv - Sicherheitsdaten ohne neue Signale; Rate an schwerwiegenden Infektionen unter RTX vergleichbar mit der Rate in anderen klinischen Studien mit anderen Substanzen bei ANCA-assoziierten Vaskulitiden
- Abfall von IgM, aber nicht von IgG
Sicherheit und Wirksamkeit einer Cyclophosphamid-Pulstherapie gegenüber einer oralen Cyclophosphamid-Therapie bei ANCA-assoziierten Vaskulitiden mit Nierenbeteiligung
de Groot K et al, Ann Int Med 2009;150:670
Studiendesign:
- Drei Cyclophosphamid- (CYC)-Pulse mit 15 mg/kg KG im Abstand von jeweils 2 Wochen, dann alle 3 Wochen bis zum Eintritt einer Remission, dann alle 3 Monate
- Täglich CYC 2 mg/kg KG pro Tag oral bis zum Eintritt einer Remission, dann noch 3 Monate
- Prednisolon 1 mg/kg KG oral, im Verlauf ausschleichend reduziert bis auf 12,5 mg nach 3 Monaten, im Verlauf bis auf 5 mg bis zum Studienende (nach 18 Monaten)
- Nach Beendigung von CYC Azathioprin 2 mg/kg Kg pro Tag oral bis zum 18. Monat zum Remissionserhalt
Ergebnisse:
- In beiden Armen (Puls-CYC n=76; orales CYC n=73) gleich hohe Remissionsraten (88%)
- Ebenso identische Zeit bis zum Eintritt der Remission (im Median 3 Monate)
- 13 Rezidive unter der Pulstherapie gegenüber 6 Rezidiven unter der oralen Therapie
- 5 Todesfälle unter der Pulstherapie gegenüber 9 Todesfällen unter der oralen CYC-Therapie
- Niedrigere kumulative CYC-Dosis unter der Pulstherapie
- Mehr Leukopenien unter oralem CYC (59%vs 34%)
- Identische Zahl von Infektionen
Zusammenfassung:
- Die CYC-Pulstherapie zeigte eine vergleichbare Remissionsrate gegenüber der oralen täglichen CYC-Verabreichung, ging aber mit einer höheren Rezidivrate einher
- Puls-Patienten hatten weniger Leukopenien, aber nicht weniger Infektionen
- Die Pulstherapie könnte eine sicherere Alternative zu einer initialen oralen CYC-Therapie von ANCA-assoziierten Vaskulitiden mit Nierenbeteiligung sein, die Rezidivrate ist aber problematisch
Mycophenolat-Mofetil im Vergleich zur intravenösen Cyclophosphamid-Pulstherapie zur Remissionsinduktion bei Lupusnephritis
Appel GB et al, J Am Soc Nephrol 2009;20:1103:
Ausgangspunkt:
Cyclophosphamid ist die Standardtherapie einer Lupus-Nephritis, hat aber eine problematische Toxizität. Einige kleinere Studien deuten darauf hin, daß Mycophenolat-Mofetil eine Alternative sein könnte.
Vorliegende Studie:
Große, internationale Studie zum Vergleich von Mycophenolat-Mofetil (MMF) mit einer intravenösen Cyclophosphamid-Pulstherapie (IV CYC) bei aktiver Lupusnephritis
Hypothese:
MMF ist der CYC-Pulstherapie bei der Remissionsinduktion einer Lupusnephritis überlegen.
Studiendesign:
- MMF oral 2x0,5 g, gesteigert auf 2x1,5g über drei Wochen
- IV CYC 0,5-1.0 g/m2 als intravenöse Pulstherapie
- Initial 60 mg Prednison mit definiertem Ausschleichen identisch in beiden Gruppen
Ergebnis:
- MMF ist einer CYC-Pulstherapie bei der Remissionsinduktion einer Lupusnephritis nicht überlegen
- In beiden Therapiearmen ähnlich hohe schwerwiegende Nebenwirkungen
- Als Nebenergebnis abweichende Wirksamkeitsdaten für Kaukasier gegenüber Afrikanern und Hispanics: Hier ist der CYC-Puls weniger effektiv
- Höhere Todesrate in der MMF-Gruppe
Limitationen:
Offenes Studiendesign
Interessante Studien, wichtige Ergebnisse, die unseren klinischen rheumatologischen Alltag in der Tat beeinflussen werden. Wir sind gespannt, was der diesjährige ACR-Kongreß sonst noch bringen wird. Der Start läßt ein spannendes und erfolgreiches Meeting ahnen.