Wie verändert neues Wissen über das Immunsystem die Therapie der rheumatoiden Arthritis?
Zukünftige Therapieformen werden sich noch weiter in Richtung einer „selektiv immunchirurgischen“ mit auf den einzelnen Patienten angepassten Medikamentenkombinationen unter Minimierung von Nebenwirkungen entwickeln müssen. Die Zielmoleküle hierfür sind sowohl extrazellulär (IL-1, IL-17, IL12/23) als auch intrazellulär (Kinasen, epigenetische Modifikatoren) identifiziert und werden in zahlreichen Studien derzeit geprüft.
Die Pathophysiologie der rheumatoiden Arthritis (RA) ist untrennbar mit den verschiedenen Komponenten des Immunsystems über die gesamte Zeitdauer der Erkrankung verbunden. Bereits das angeborene Immunsystem kann entscheidend zur Aktivität der RA beitragen, zum Beispiel wenn über ubiquitär im Körper und den Gelenken vorkommende Rezeptoren des angeborenen Immunsystems, den sogenannten Toll-like receptors, Zellen des Synovialgewebes zur Produktion von Entzündungsmolekülen und Matrix-abbauenden Enzymen angeregt werden können.
Auch das erworbene Immunsystem ist bereits sehr früh in die Krankheits-entwicklung der RA involviert. Das wichtigste Zeichen ist hier, dass bis zu zehn Jahre vor dem Beginn der Erkrankung die weitgehend RA-spezifischen Antikörper gegen zitrullinierte Peptide bei den RA-Patienten nachweisbar sein können und bei Erstdiagnose einen aktiveren Verlauf der Erkrankung voraussagen.
Daneben sind bisher nicht als „typisch immunologisch aktive Gewebe“ zusätzlich in den Mittelpunkt der rheumatologisch-immunologischen Untersuchungen gerückt. Hierzu zählen die Signalmoleküle des Fettgewebes, die Adipozytokine, die ebenfalls sowohl proinflammatorisch als auch gelenkdestruktiv wirken können und die immunologischen Mechanismen, die rund um den rheumatisch veränderten Knochen aktiv zur RA beitragen können. Für letztere wurde daher auch vor Kurzem ein Schwerpunkt-Forschungs-programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft eingerichtet.
Durch diese Erkenntnisse hat sich bereits das therapeutische Vorgehen bei der RA in mehreren Punkten wesentlich verändert. Zum einen wird bereits bei Erstdiagnose und aktivem Immunsystem die immunsuppressive Therapie der RA mit einer entsprechenden Kombinationstherapie, die schon nach mehreren Monaten persistierender Aktivität die Gabe von Biologika mit beinhaltet, mit dem Ziel einer möglichst raschen Remission behandelt.
Des Weiteren kann die Wahl der Biologika je nach Aktivität des Immunsystems angepasst werden, zum Beispiel die Gabe eines B-Zell-Hemmers wie Anti-CD20-Antikörper bei hohen Titern von ACPA und Rheumafaktoren. Auch die Zulassung von IL-6-Hemmern als Monotherapie oder die Möglichkeit der Gabe von Kostimulationshemmern nach DMARD-Versagen wie CTLA4-Ig unterstreicht die Wertigkeit von immunologischen Stoffwechselwegen für die Therapiekonzepte der RA.
Genauso spannend ist die Verfolgung der Effekte der verschiedenen TNF-Hemmer-Konzepte in der Praxis der Therapie der RA – hier wird sich in den nächsten Jahren zeigen, welches der vier Konzepte (Infusion, humansiert, löslicher Rezeptor, Pegylierung) den Bedürfnissen einer immunologischen Hemmung am besten nachkommt.
Direkt am Knochen lässt sich inzwischen auch die Aktivität der Osteoklasten durch Gabe des RANKL-Hemmers Denosumab zuverlässig mit nur wenigen s.c Injektionen/Jahr hemmen.
Zukünftige Therapieformen werden sich noch weiter in Richtung einer „selektiv immunchirurgischen“ mit auf den einzelnen Patienten angepassten Medikamentenkombinationen unter Minimierung von Nebenwirkungen entwickeln müssen. Die Zielmoleküle hierfür sind sowohl extrazellulär (IL-1, IL-17, IL12/23) als auch intrazellulär (Kinasen, epigenetische Modifikatoren) identifiziert und werden in zahlreichen Studien derzeit geprüft.
Quelle:
Vortrag Professor Dr. med. Ulf Müller-Ladner, Lehrstuhl für Innere Medizin mit Schwerpunkt Rheumatologie, Justus-Liebig-Universität Gießen, Abteilung für Rheumatologie und Klinische Immunologie, Kerckhoff-Klinik Bad Nauheim
Pressekonferenz anlässlich des 38. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh)
Donnerstag, 16. September 2010, Hamburg