Wie sinnvoll sind Impfungen bei rheumatischen Erkrankungen?
Impfungen gegen Grippe oder Lungenentzündung können auch Patienten mit Immunsystem unterdrückender Medikation vor schwer wiegenden Infektionen bewahren.
Patienten mit rheumatoider Arthritis oder anderen rheumatischen Erkrankungen haben ein etwa doppelt so hohes Infektionsrisiko wie die restliche Bevölkerung. Dies kann zum Teil daran liegen, dass die Erkrankung selbst die Immunsituation im Körper durcheinander bringt, zum Teil ist aber auch die Basis-Therapie ein Auslöser, da sie die Immunabwehr herunter fährt (= Immunsuppression). Durch die Basismedikamente können Infektionskrankheiten begünstigt werden, die die Ärzte sonst nur von Patienten mit fortgeschrittener HIV-Erkrankung kennen.
Die Unterdrückung der Lymphozyten-Entwicklung durch die rheumatologische Basistherapie führt meist zu einer (erwünschten) Lymphozytopenie. Infektionserkrankungen gehen aber sehr häufig mit niedrigen Lymphozytenzahlen (< 500/ul Blut) einher, so dass hier ein Zusammenhang vermutet werden muss.
Bei Rheumapatienten sind die Atmungsorgane besonders häufig von Infektionen betroffen, wobei meist die üblichen bakteriellen Infektionen überwiegen und seltene Keime wie Pneumocystis jiroveci (früher: carinii) eher selten sind. Die Impfung gegen Pneumokokken sowie die jährliche Grippeimpfung wird von internationalen Gremien empfohlen und auch von der STIKO, der Ständigen Impfkommission in Deutschland, werden entsprechende Empfehlungen herausgegeben.
Eine antibiotische Prophylaxe ist nicht sinnvoll, da es häufig zu Nebenwirkungen kommt und die Resistenzbildung der Bakterien, die sie unempfindlich gegen immer mehr Antibiotika macht, ein ernst zunehmendes Problem darstellt.
Zu bedenken ist bei Patienten mit reduziertem Immunsystem die Frage, wie sie auf eine Impfung überhaupt reagieren, denn eine erfolgreiche Impfung setzt eine Antwort des Immunsystems voraus. Wird aber durch die Immunreaktion gleichzeitig ein Krankheitsschub der rheumatischen Erkrankung ausgelöst? Lesen Sie hierzu auch diese Seite bei rheuma-online.
Es gibt Studien, in denen gezeigt werden konnte, dass eine Behandlung mit MTX die Immunreaktion auf eine Pneumokokkenimpfung beeinträchtigt, eine Therapie mit TNF-alpha-Blockern aber nicht, was wohl an den unterschiedlichen Ansatzpunkten dieser Medikamente liegt. Trotz der insgesamt geringeren Quote war aber die Impfung bei vielen MTX-Patienten dennoch erfolgreich. Ob der Impferfolg (also ausreichende Antikörperbildung) aber auch die Infektion wirksam verhindert, ist dagegen nur sehr schwer nachzuweisen. Die Antikörperkonzentrationen fallen jedenfalls sehr häufig schneller ab als bei Gesunden, sodass eher Wiederholungsimpfungen notwendig werden können. Dies muss bei der Impfplanung berücksichtigt werden.
Die Grippeimpfung (die entgegen der Pneumokokkenimpfung jährlich wiederholt werden muss, da immer wieder neue Grippeviren auftauchen) wird für Patienten mit reduziertem Immunsystem häufig empfohlen, da die Grippe hier einen sehr schweren Verlauf nehmen kann. Arbeiten zur Impfreaktion von Patienten mit rheumatoider Arthritis zeigten Werte, die den von Gesunden glichen, zumal auch bei Menschen mit normalem Immunsystem die Reaktionen nicht immer gleich sind und es auch hier Impfversager gibt.
Also: Sprechen Sie Ihren behandelnden Rheumatologen auf die Möglichkeit der Impfung gegen Pneumokokken und Grippevieren an.
Literatur
Glück T. Vaccinate your immunocompromised patients! Rheumatology 2006; 45:9-10.
Kapetanovic MC, Saxne T, Sjoholm A, et al. Influence of methotrexate, TNF blockers and prednisolone on antibody responses to pneumococcal polysaccharide vaccine in patients with rheumatoid arthritis. Rheumatology 2006; 45:106-111.