Wie „EVA“ und „AGnES“ Ärzte entlasten sollen
Überfüllte Arztpraxen, lange Wartezeiten, frustrierte Patienten und gestresste Ärzte: Das täglich zu bewältigende Arbeitspensum in deutschen Arztpraxen ist vielerorts immens. Gerade in der kalten Jahreszeit füllen sich die Wartezimmer der Hausarztpraxen schnell mit vielen Erkältungs- und Grippepatienten.
Um Ärzte zu entlasten, hat das Land Nordrhein-Westfalen das Fortbildungs-Programm „EVA“ („Entlastende Versorgungsassistentin“) gestartet, das es erlaubt, gewisse Standard-Aufgaben, die in einer Praxis anfallen und die ein der Regel von einem Arzt erledigt werden, an speziell weiter gebildete Arzthelferinnen zu delegieren. Ziel der Fortbildung ist es, den medizinischen Fachangestellten die Kompetenzen zur Übernahme von diversen Leistungen in der ambulanten Praxis zu vermitteln.
„EVA“ ist jedoch keine Arzt-ersetzende Fortbildung, sondern das Programm soll die Ärzte in einem delegierbaren Rahmen entlasten“, so Burkhard Brautmeier, Sprecher der Ärztekammer Westfalen-Lippe.
„EVA“ wird von den kassenärztlichen Vereinigungen Nordrhein und Westfalen Lippe in Zusammenarbeit mit der Nordrheinischen Akademie für Medizinische Fachangestellte angeboten. Die Fortbildung erfolgt berufsbegleitend. Dies wird laut Brautmeier von den Absolventinnen gut angenommen, da der modulare Aufbau der Fortbildung sich gut in den Arbeitsalltag integrieren ließe. Zudem basieren die Module zum Teil auf bereits vorhandene Fortbildungsangeboten, zum Teil wurden die Bausteine neu in die Fortbildungsprogramme aufgenommen.
Momentan streben nach Brautmeiers Schätzungen etwa 50 bis 60 Arzthelferinnen an, zur Entlastenden Versorgungsassistentin ausgebildet zu werden. Am 1. Dezember wird die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen Lippe die ersten 12 bis 14 „EVAs“ auszeichnen.
Die Fortbildung gliedert sich in einen Pflicht- und einen Wahlteil sowie eine praktische Fortbildung im Sinne von Hausbesuchen. Die Gesamtdauer der Fortbildung richtet sich nach der Berufserfahrung der Teilnehmerin/des Teilnehmers. So müssen bei weniger als fünf Jahren Berufserfahrung mindestens 220 Unterrichtsstunden und 50 Hausbesuche nachgewiesen werden. Teilnehmer, die mehr als fünf, aber weniger als zehn Jahre Berufserfahrung haben, müssen 190 Unterrichtsstunden und 30 Stunden Hausbesuche nachweisen. Bei mehr als zehn Jahren Berufserfahrung reduziert sich der zu Unterricht auf 170 und die Hausbesuche auf 20 Stunden.
Das EVA-Curriculum beinhaltet folgende Themenkomplexe:
• Case-Management
• Geriatrisches Basisassessment und häufige Krankheitsbilder
• Besuchsmanagement
• Wundmanagement
• Häufige Krankheiten in der hausärztlichen Praxis
• Untersuchungs- und Behandlungsverfahren
• Präventionsmanagement
• Sozialrecht und Demografie
• Telemedizin und elektronische Kommunikation
• Palliativmedizin und Schmerztherapie
• Ernährung
• Psychosomatik
• Notfallmanagement
Über die Anrechenbarkeit bereits absolvierter Kurse entscheidet die Nordrheinische Akademie auf Antrag. Selbstständig durchgeführte Hausbesuche innerhalb der vergangenen 24 Monate vor Antragstellung bei der Kassenärztlichen Vereinigung sind mit jeweils 30 Minuten auf die Pflicht zur praktischen Fortbildung anrechenbar.
Zulassungsvoraussetzung zur EVA-Fortbildung bzw. zur späteren Abrechenbarkeit der durchgeführten delegierbaren Leistungen ist ein qualifizierter Berufsabschluss gemäß der Verordnung über die Berufsausbildung zur Medizinischen Fachangestellten/Arzthelferin oder dem Krankenpflegegesetz sowie eine nach dem qualifizierten Berufsabschluss mindestens dreijährige Berufserfahrung in einer hausärztlichen Praxis.
Fortbildung EVA – Entlastende Versorgungsasssistentin
Anders als das „EVA“-Programm soll das Projekt „AGnES“ einem medizinischen Versorgungsengpass entgegenwirken. Dieses Problem ist vor allem in ländlichen Gegenden akut aufgrund vor allem zwei demografischer Entwicklungen. Das Altern der geburtenstarken Jahrgänge führt dazu, dass immer mehr Patienten eine ärztliche Betreuung benötigen. Zudem bewirkt die Tatsache, dass viele der niedergelassenen Ärzte in den kommenden Jahren in den Ruhestand gehen werden, ein Aussterben vieler Praxen, wenn kein Nachfolger gefunden wird. Die Anzahl an alten Patienten erhöht sich, wohingegen die Anzahl der Ärzte voraussichtlich weiter abnimmt.
In Gebieten mit drohender oder bereits vorhandener hausärztlicher Unterversorgung soll die „Arztentlastende, Gemeindenahe, E-Health-gestützte, Systemische Intervention“ dem Hausarzt die Versorgung eines größeren Patientenstammes und/oder einer größeren Region ermöglichen. In dem Projekt wird der Hausarzt von einer speziell ausgebildeten Krankenschwester unterstützt. Diese steht mittels moderner Kommunikationstechnik mit dem Hausarzt in Verbindung. Statt des Arztes übernimmt die Schwester Hausbesuche bei Patienten, bei denen zunächst eine Überwachung des Gesundheitszustandes des Patienten erfolgen soll. Medikamentenkontrolle und Sturzprävention zählen unter anderem ebenfalls zu den Aufgaben der „AGnES“-Schwester. Pflege zählt nicht zu den Aufgaben einer „AGnES“-Schwester.
Die „AGnES“ sollen den Hausarzt nicht ersetzen. Im Vordergrund des Projektes steht, die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Arzt und medizinischem Fachpersonal zu verbessern, um der drohenden ambulanten medizinischen Unterversorgung entgegenzuwirken. Die Verbesserung der Zusammenarbeit wird vor allem durch das Einsetzen von neuen Techniken ermöglicht – Arzt und Schwester kommunizieren beispielsweise direkt per Webcam während eines Hausbesuchs, medizinische Daten können ebenfalls direkt dank neuer Kommunikationstechnologien sofort übermittelt werden.
Für eine optimale Qualifizieirung der „AGnES“-Schwestern wurde auf der Basis der Projektergebnisse in Mecklenburg-Vorpommern in Zusammenarbeit mit der Hochschule Neubrandenburg ein spezielles Cur¬riculum entwickelt, das modular gestaltet ist und auf bereits vorhandenen fachlichen Kompetenzen aufbaut. Als Basis¬qualifikation kommen sowohl die Gesundheits- und Krankenpflege oder Altenpflege als auch die Arzthelferin/Medizinische Fachangestellte in Frage.
Befragungen in den Bundesländern, in denen das Projekt bereits durchgeführt wurde (Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern) und Sachsen zeigten eine große Akzeptanz des AGnES-Projekts sowohl aus Arzt- als auch aus Patientensicht.
AGnES: Hausarztunterstützung durch qualifizierte Praxismitarbeiter – Evaluation der Modellprojekte: Qualität und Akzeptanz
AGnES-Soft - Datenmanagementlösung AGnES-Tech – Kommunikationslösung
Das AGnES-Konzept – Ein innovatives Delega¬tionsmodell aus Mecklenburg-Vorpommern
AGnES: Hausarztunterstützung durch qualifizierte Praxismitarbeiter – Evaluation der Modellprojekte: Qualität und Akzeptanz