Weltrheumatag am 12.10.2007: Krankheitsbild Rheumatoide Arthritis
Die rheumatoide Arthritis ist mit einer geschätzten Inzidenz von 50 bis 100 auf eine Million Einwohner die häufigste chronisch-entzündliche Erkrankung. In Deutschland leiden ungefähr 800.000 Menschen an einer RA.
- Das Erstmanifestationsalter liegt oft in der 4. und 5. Lebensdekade, Frauen sind etwa 3mal häufiger betroffen als Männer.
- Die RA hat auf Grund der Schwere und des chronischen Verlaufes eine erhebliche Bedeutung für die Betroffenen. Nach Daten aus dem Deutschen Rheumaforschungszentrum verursacht die RA bei einem erheblichen Teil der Patienten eine vorübergehende oder dauerhafte Berufsunfähigkeit. Die sozioökonomische Bedeutung der Erkrankung ist somit immens.
- Obwohl sich die diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten in den letzten Jahren entscheidend verbessert haben, bestehen immer noch Defizite in der frühen Versorgung von Patienten mit RA.
- Mit dem Beginn einer DMARD-Therapie im frühen Stadium der RA kann eine Progression der Erkrankung verhindert oder zumindest verlangsamt werden. Deshalb ist es wichtig, die Diagnose der RA innerhalb weniger Wochen zu stellen, um eine geeignete Therapie durch den Spezialisten einzuleiten.
- Um die Zuweisung vom Allgemeinarzt zum Rheumatologen zu beschleunigen, hat die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie (DGRH) klinische Selektionskriterien vorgeschlagen: Bei einer Arthritis an mehr als zwei Gelenken für mehr als sechs Wochen sollte bereits der dringende Verdacht auf eine Früh-RA geäußert werden.
- Durch neue serologische Marker (vor allem CCP-Antikörper) und neue bildgebende Verfahren (vor allem MRT und Sonografie) kann heute die Diagnose der RA schon vor dem Auftreten erster Gelenkdestruktionen abgesichert werden.
- Die Therapie der RA ist multidisziplinär und schließt von Beginn an Physiotherapie und Patientenschulung ein. Medikamentös beginnen die Rheumatologen heute die DMARD-Therapie zumeist mit MTX. Kann mit einer DMARD-Therapie nach drei Monaten keine ausreichende Krankheitskontrolle erreicht werden, kann die Therapie mit weiteren DMARDs erweitert werde. In Abwägung von Kosten und Nutzen einer Therapie mit modernen Biologika ist derzeit die Empfehlung, TNF-alpha-Blocker bei unzureichendem Ansprechen von zwei DMARDs einzusetzen.
Das klinische Bild der rheumatoiden Arthritis
Bei der rheumatoiden Arthritis handelt es sich um eine (meist) symmetrische, destruierende Entzündung von mehr als drei Gelenken ( = Polyarthritis), typischerweise an den Hand- und/oder Fingergelenken (betroffen sind meist die Fingergrund- oder Fingermittelgelenke). Die Fingerendgelenke sind in der Regel ausgespart. Die Patienten beklagen außerdem oft allgemeine Krankheitszeichen wie Erschöpfung und Müdigkeit, Fieber, Gewichtsverlust, Nachtschweiß sowie eine Morgensteifigkeit der Gelenke (> 60 min.). Desweiteren können Symptome wie Hautveränderungen (u.a. Rheumaknoten, Vaskulitis), Augenentzündungen oder seltener auch kardiale /pulmonale Beteiligungen, wie z.B. eine Herzbeutel- oder Rippenfellentzündung auftreten.
Frühe Diagnose – frühe Therapie !!
Die meisten Patienten mit einer RA entwickeln über die Zeit eine fortschreitende Gelenkzerstörung, diese führt schließlich zu einem Funktionsverlust der Gelenke und zu einer Einschränkung der Lebensqualität. Die im Röntgen fassbare Gelenkdestruktion schreitet zu Beginn der Erkrankung nicht nur am stärksten fort (meist innerhalb der ersten zwei Jahre), sondern ist zu dem Zeitpunkt auch am besten durch eine so genannte krankheitsmodifizierende Therapie (DMARD = Disease Modifying Anti-Rheumatic Drug) zu inhibieren. DMARDs können die Krankheitsprogression und den damit einhergehenden Verlust an Funktion verlangsamen. Insofern ist der frühe Beginn deiner Therapie entscheidend für die weitere Prognose der Patienten. Die Langzeitprognose kann nach dem heutigen Kenntnisstand durch einen frühzeitigen Therapiebeginn entscheidend verbessert werden, dieses so genannte „window of opportunity“ der frühen Therapie liegt bei etwa sechs Monaten: In diesem Zeitraum sollte beim Vorliegen einer RA eine Therapie begonnen werde. Das primäre Ziel muss deshalb also zunächst eine frühe Diagnosestellung der Erkrankung sein, um den Schaden des Patienten (die Gelenkdestruktion) verhindern oder zumindest reduzieren zu können. Es ist also ohne Zweifel entscheidend, dass die Patienten im klinischen Alltag möglichst rasch identifiziert werden, hierfür wurden Leitlinien von der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) entwickelt.
Da der primär behandelnde Arzt bei Patienten mit Gelenkschwellungen und/oder – schmerzen meist der Hausarzt oder ein Orthopäde ist, sollte es hier bei entsprechenden Beschwerden eine Schnittstelle zu einer fachärtzlich-rheumatologischen Diagnostik und Therapie geben. Zur Selektion für Patienten mit einer möglichen RA gelten folgende klinisch richtungsweisende Befunde für die Verdachtsdiagnose einer RA:
Merke! | Bei über sechs Wochen bestehenden Gelenkschwellungen im mehr als zwei Gelenken sollten die Patienten unter dem Verdacht auf eine frühe RA dem Rheumatologen vorgestellt werden. |
Für den Patienten besteht die Möglichkeit, das Risiko für eine entzündlich rheumatische Erkrankung über einen validierten Fragebogen, z.B. den „RheumaCheck“, abzuschätzen. Im Rahmen des Früharthritis-Projekts der DAK (Deutschen Angestellten Krankenkasse) und HMK (Hamburg Münchner Krankenkasse) in Kooperation mit dem Schwerpunkt für Rheumatologie, klinische Immunologie und Osteologie am Evangelischen Krankenhaus Düsseldorf sowie der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein wird eine etwas kürzerer, aber auch gut treffsicherer Fragebogen speziell zur Arthritis-Früherkennung eingesetzt (Download).
Diagnostik der RA: Labor und Bildgebung
Besteht die Verdachtsdiagnose einer RA, wird durch eine Reihe von Untersuchungsmethoden, u.a. ausführlicher Gelenkstatus, Laboruntersuchungen, Röntgenuntersuchungen, das Risiko für eine RA sowie die Schwere dieser Erkrankung und damit deren Prognose abzuschätzen.
Bei den Blutuntersuchungen kommt Entzündungsreaktionen wie der Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) und dem C-reaktiven Protein (CRP) eine wichtige Rolle zu. Das Fehlen einer signifikanten Entzündung schließt eine RA allerdings nicht aus. Gerade bei einer frühen Arthritis findet sich bei etwa einem Drittel der Patienten bei diesen Untersuchungen noch keine erhöhte Blutsenkung oder ein erhöhtes CRP. Ein wichtiger Fortschritt bei der Frühdiagnostik ist das CCP (cyclisches citrulliniertes Peptid), was neben dem Rheumafaktor (RF) und anderen Autoantikörpern zusätzliche Informationen liefert und die Diagnosesicherheit erhöht. Beide Antikörper (CCP und RF) haben eine Sensitivität von etwa 60-80%, bei der Spezifität ist das CCP dem RF überlegen (ca. 95% vs. 80%). Der Nachweis beider Antikörper gibt außerdem Hinweise auf eine Persistenz und die Schwere der Erkrankung. Für die frühe Diagnostik der RA ist es besonders interessant, dass vor allem anti-CCP-Antikörper der klinischen Beschwerdesymptomatik der Erkrankung durchaus um mehr als zehn Jahre vorausgehen können.
Durch Laboruntersuchungen gelingt es heute zudem immer besser, eine beginnende RA von anderen anderen Ursachen für Gelenkschwelllungen/ -schmerzen zu unterscheiden.
Die traditionelle Bildgebung der RA bleibt weiter die konventionelle Röntgendiagnostik von Händen und Füßen. Oft sind radiologische Veränderungen allerdings erst nach Monaten einer Gelenkentzündung sichtbar, deshalb ist diese Technik für die adäquate Diagnostik der frühen RA unbrauchbar. Aus diesem Grund wurde in den letzten Jahren intensiv nach Möglichkeiten für sensitivere und frühere Detektion von Gelenkzerstörung gesucht. Hier bieten sich heute neuere bildgebende Verfahren wie die Arthrosonographie und/oder Magnetresonanztomographie (MRT) an, die eine höhere Sensitivität in der Detektion von frühen Veränderungen haben.
Prinzipien der Therapie: Koordinierte, problemorientierte, multidisziplinäre Behandlung
Die Versorgung von Patienten mit RA soll möglichst von Beginn an in Form einer koordinierten, problemorientierten, multidisziplinären Behandlung erfolgen. Hierzu gehören neben der haus- und fachärztlichen Behandlung sicher auch die physiotherapeutische Betreuung sowie die Patienteninformation und –schulung.
Die RA verursacht im zeitlichen Verlauf eine progrediente Gelenkzerstörung, die u.a. zu Funktionsverlust, Arbeitsunfähigkeit und Einschränkungen der Lebensqualität führt. Etwa 2/3 aller Patienten mit einer frühen RA entwickeln im Verlauf von 5 Jahren eine wesentliche Funktionseinschränkung. Wie oben ausgeführt schreiten diese Zerstörungen zu Beginn der Erkrankung am stärksten fort und sind in dieser Phase am besten durch eine Therapie zu beeinflussen.
Bei einem Therapiebeginn in den ersten sechs Monaten der Erkrankung lässt sich das Risiko für einen solchen Funktionsverlust halbieren und die Chance für eine Krankheitsremission signifikant (um das 3-fach) verbessern. Mit dieser Strategie lässt sich außerdem häufiger eine Beschwerdefreiheit erreichen als in späteren Stadien.
Auch die Sterblichkeit, welche bei RA-Patienten insbesondere durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen gegenüber der Normalbevölkerung erhöht ist, kann durch eine adäquate und frühzeitige Therapie reduziert werden. Trotz der verbesserten Behandlungsmöglichkeiten ist die RA allerdings auch heute noch nicht heilbar.
Medikamentöse Therapie:
Neben symptomatischer Therapie (z.B. nicht-steroidalen-Antirheumatika (NSAR), die Gelenkschmerzen verringern), sollten Patienten immer mit sogenannten DMARDs behandelt werden, welche über symptomatische Effekte hinaus, krankheitsmodifizierende Eigenschaften besitzen und so die Gelenkzerstörung vorbeugen, bzw. diese verzögern.
Hier kommen vor allem Medikamente wie Methotrexat, Gold, Sulfasalazin, Chloroquin, Leflunomid und Ciclosporin in Frage. Im Falle eines unzureichenden Ansprechens nach etwa drei Monaten auf eine Mono-Therapie sollte die Therapie um eine MTX-haltige Kombination erweitert werden. Bei allen DMARDs ist die zusätzliche Gabe einer Cortison-Therapie in niedriger bis mittlerer Dosierung geeignet, die Krankheitsaktivität bis zum Erreichen der Wirkung der Basistherapie zu unterdrücken.
Sollte das primäre Ziel der Therapie eine Remission (d.h. das völlige Fehlen von Symptomen) nicht erreicht werden, kommen heute so genannte Biologika zum Einsatz. Zu dieser Substanzgruppe zählen aktuell hauptsächlich die TNF-alpha-Inhibitoren Infliximab, Etanercept und Adalimumab. Diese Medikamente sollen nach dem Versagen von mindestens zwei klassischen DMARDs zur Anwendung kommen.
Weiter verfügbare Biologika sind die bei der RA zugelassenen Medikamente Anakinra, Rituximab und Abatacept. Weitere, teilweise vielversprechende Substanzen befinden sich in der klinischen Erprobung.
Quelle:
Nach einer Pressemitteilung des Rheuma-Zentrums Rhein Ruhr