Was bewirkt Kortison an den Gefäßen von RA-Patienten ?
Amerikanischen Studienergebnissen zur Folge erhöht die Einnahme von Kortison bei Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) das Risiko für Herz- und Gefäßerkrankungen. Unter Kortison wurde eine vermehrte Ablagerung von Kalk im Bereich der Gehirnschlagader (Carotisarterie) und eine verminderte Elastizität der Gefäße beobachtet.
Das Risiko einer Herzkreislauferkrankung ist bei Patienten mit rheumatischen Krankheiten circa um das Dreifache erhöht. Über die Ursache des gesteigerten Risikos bestehen derzeit nur Vermutungen. Amerikanische Wissenschaftler untersuchten bei Patienten mit rheumatoider Arthritis , welchen Einfluß die Einnahme von Kortison bei der Entstehung einer Gefäßverkalkung (Arteriosklerose) ausübt. Einerseits hemmt Kortison entzündliche Vorgänge, die dem Gefäßsystem schaden. Andererseits weiß man, dass Kortison durch Veränderungen des Fett- und Zuckerstoffwechsels eine Gefäßverkalkung fördert.
In die Studie wurden 647 Patienten mit rheumatoider Arthritis aufgenommen. Zu Beginn wurde eine Ultraschalluntersuchung der Gehirnschlagader (Carotis) durchgeführt, um Kalkablagerungen und die Dicke der einzelnen Gefäßschichten (Intima-Media Dicke) fest zu stellen. Um einen Eindruck über den Gefäßzustand des Körpers zu gewinnen wurde der systolische Blutdruck der Fußarterien und der Armarterien bestimmt und ein Quotient gebildet (Knöchel-Arm Index). Die Gesamtdosis an Kortison, die ein Patient bislang eingenommen hatte, wurden an Hand von Apotheken- und Patientenunterlagen errechnet.
Von den 647 Patienten hatten 66% (427) im Laufe ihrer Erkrankung Kortison eingenommen. Von den 215 Patienten, die bislang nicht mit Kortison behandelt wurden, wiesen 100 (47%) Kalkablagerungen (sogenannte Plaques) in der Karotis auf. Eine herabgesetzte Komprimierbarkeit der Gefäße (gemessen mit dem Knöchel-Arm Index) als Hinweis auf eine Gefäßverkalkung fand sich bei 17 (=8%) dieser Patienten.
Betrachtete man dagegen diejenigen Patienten mit der höchsten Kortisoneinnahme ( im Mittel > 16.24mg Pednisolon), so fand man bei 62% (85 von 138) Plaques in der Karotis und eine Einschränkung der Komprimierbarkeit bei 17%. Dieser Unterschied zwischen den beiden Patientengruppen blieb auch dann statistisch signifikant, wenn bestimmte Faktoren wie Alter, Geschlecht , Alter zu Krankheitsbeginn, Risikofaktoren für Herzkreislauferkrankungen, Krankheitsausprägung und - dauer angeglichen wurden.
Die Messung der Intima- Media Dicke ergab keinen statistisch signifikanten Unterschied. Auch das Auftreten von Durchblutungsstörungen im unteren Bereich der Beine war nicht mit der Kortisoneinnahme verknüpft.
Auf Grund dieser Ergebnisse kommen die Autoren zu dem Schluß, dass Kortison bei RA-Patienten eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Gefäßerkrankungen spielt.
Literatur:
del Rincon I, O'Leary DH, Haas RW, Escalante A.
The University of Texas Health Science Center at San Antonio, San Antonio, TX 78229, USA. Effect of glucocorticoids on the arteries in rheumatoid arthritis.
Arthritis Rheum. 2004 Dec;50(12):3813-22.
Kommentar von Dr. Langer zu diesem Thema:
Ich habe den Artikel ausgewählt, obwohl ich weiß, daß er in der täglichen Praxis u.U. sogar eher kontraproduktiv ist und die ohnehin vorhandene Cortisonangst u.U. noch erhöht. Man sollte ihn aber zum einen unseren Usern nicht unterschlagen, zum anderen ermöglicht der Bericht über diese Studie in den rheuma-news auch einen Kommentar und damit die Chance, auf ein wesentliches Problem dieser Studie hinzuweisen, nämlich den Bias, der in der Studie enthalten ist. Cortison bekommen bei rheumatoider Arthritis im Regelfall nur solche Patienten, die eine höhere Krankheitsaktivität haben. Von genau diesen Patienten mit höherer und hoher Krankheitsaktivität wissen wir aber aus anderen, großen epidemiologischen Studien, daß durch diese Krankheitsaktivität selber das Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen / Ereignisse erhöht ist. Deshalb sollte man sehr vorsichtig mit der Botschaft der vorliegenden Studie umgehen, daß Steroide das Risiko für Arteriosklerose erhöhen. Zum anderen ist ungeklärt, ob das Risiko nur bei den Patienten mit relativ hoher Cortisondosis erhöht ist (in der Studie wird das erhöhte Risiko für Patienten angegeben, die im Mittel mehr als 16.24 mg Prednisolon-Äquivalent eingenommen hatten) und ob nicht sogar durch die mit Steroiden verbundene Entzündungssenkung u.U. bei niedrigen Dosen das Risiko für die Entwicklung einer Arteriosklerose nicht sogar vermindert ist. Ganz unabhängig ist ein außerordentlich wichtiger Aspekt, daß niedrig-dosiertes Cortison in Verbindung mit langwirksamen Antirheumatika die Erosivität der rheumatoiden Arthritis ganz erheblich verlangsamt und damit die positiven Wirkungen dieser Therapie beträchtlich verstärkt. Konsequenz der vorliegenden Studie sollte sein, noch intensiver als bisher über die Sinnhaftigkeit vor allem auch höherer Cortisondosen nachzudenken und unbedingt immer wieder darauf zu schauen, ob die laufende langwirksame antirheumatische Therapie effektiv genug ist und so die Cortisondosis so gering wie möglich gehalten wird. Wenn nicht, besteht die Notwendigkeit, die langwirksame antirheumaitsche Therapie zu modifizieren, um einerseits die Prognose der rheumatoiden Arthritis zu verbessern und um andererseits die Risiken einer höher dosierten Cortisontherapie, die sich im übrigen nicht allein auf ein möglicherweise erhöhtes kardiovaskuläres Risiko beziehen, zu vermindern.