Vorsymposium der Sektion Rheumatologie im Berufsverband Deutscher Internisten (BDI) am 14. April 2007 in Wiesbaden
Trotz sommerlicher Temperaturen und strahlend blauem Himmel kamen an die 350 interessierte Ärzte zu dem traditionell stattfindenden Vorsymposium der Sektion Rheumatologie im Berufsverband Deutscher Internisten am Samstagnachmittag nach Ostern von 14:00-18:00 Uhr.
Dieses Symposium findet seit Jahren am Tag vor dem Beginn des Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin in Wiesbaden statt. Das praxisnahe Konzept: „Weg von der Frontalveranstaltung hin zur interaktiven Fortbildung“ findet große Akzeptanz. Die Teilnehmer werden einbezogen, indem sie anhand von (a)typischen Krankheitsfällen aus der Rheumatologie mit Hilfe der TED-Abstimmung die diagnostischen und therapeutischen Entscheidungen Schritt für Schritt nachvollziehen können. Jeder kann also unmittelbar seine Kenntnisse auf den Prüfstein legen.
Unter Vorsitz des Sprechers der Sektion Rheumatologie im BDI, Dr. Thomas Karger, und des Vorsitzenden des Berufsverbands Deutscher Rheumatologen, Dr. Edmund Edelmann, präsentierten drei Referenten ihre Kasuistiken zu verschiedenen Themenkreisen.
Den Anfang machte Prof. Dr. Jörn Kekow, Leiter der Klinik für Rheumatologie, Otto-von-Guericke-Universität Vogelsang/Magdeburg mit Fallberichten zum „vieldeutigen Bild der Autoimmunkrankheiten“.
In fünf Fallbeschreibungen präsentierte Prof. Kekow ungewöhnliche Krankheitsverläufe und therapeutische Maßnahmen:
Der Fall einer Sklerodermie, die off lable erfolgreich mit Leflunomid behandelt wurde.
Den schweren und komplizierten Verlauf eines Lupus erythematodes (SLE) mit Durchführung einer maximalen Therapie, die erst nach Einsatz von Rituximab (wiederum off lable) erfolgreich war. Die Patientin meinte sich etwas Gutes zu tun, indem sie auf die Sonnenbank ging. Cave! Sonnenexposition ist beim SLE kontraindiziert, bzw. sollte nur nach Anwendung von Sonnenschutzmitteln mit hohen Lichtschutzfaktoren erfolgen.
Fall 3 stellt sich diagnostisch als Herausforderung dar. Das Röntgen-Thorax-Bild weist Rundherde in der Lunge auf, die differenzialdiagnostisch an Tumore / Metastasen, Tuberkulose, Rheumaknoten oder auch an eine Sarkoidose denken lassen. Die Abklärung ergibt schließlich die Diagnose Morbus Wegener.
Eine Therapie mit Cyclophosphamid bringt keine Besserung. Unter Infliximab tritt zunächst ein radiologisch verifizierbares Ansprechen auf, das aber auch nur von passagerer Dauer ist. Erst die (off lable) Therapie mit Rituximab führt sowohl zu einer Remission der vaskulitischen Veränderungen in der Lunge als auch der Gelenksymptomatik der Hände.
Prof. Kekow befragte das Auditorium, welche Kriterien für den Antrag auf „off lable Einsatz“ hilfreich sind: Dazu gehören eine lebensbedrohliche Situation, keine Therapiealternativen, laufende Zulassungsstudien, ein plausibles Wirkprinzip und ähnliche auf Kongressen vorgestellte Kausuistiken. Der „off lable Einsatz“ eines Medikamentes sollte nicht erfolgen, wenn der Patient es wünscht, wissenschaftliches Interesse das Hauptargument darstellt oder wenn die Krankenkasse ihre Zustimmung erteilt hat.
Dr. Reinhard Hein aus der rheumatologischen Schwerpunktpraxis in Nienburg stellte drei Fälle mit „besonderer Herausforderung in Diagnostik und Therapie bei Beginn chronischer Gelenkerkrankungen“ vor.
Im ersten Fall demonstrierte Dr. Hein anhand der Anamnese eines Patienten mit atypischem Beginn einer rheumatoiden Arthritis (RA), wie schwierig sich die Diagnose und damit die Therapie einer Gelenkerkrankung gestalten kann. Es erfolgt eine „step up“ Therapie mit anfänglich nichtsteroidalen Antirheumatika über verschiedene klassische Kombinationen von Basistherapeutika bis hin zum Einsatz eines TNF-Blockers. Erst unter dem TNF-Blocker kommt es zum Stop der Erosivität.
Im zweiten Fall wird deutlich, wie entscheidend die frühe Diagnosestellung und rechtzeitige aggressive Therapie für den weiteren Krankheitsverlauf ist.
Während ihrer ersten Schwangerschaft wird bei dieser Patientin im Januar 2006 die Diagnose einer hoch aktiven RA gestellt. Bis zur Entbindung wird sie mit oralem Prednisolon behandelt. Nach der Geburt weist das Röntgenbild bereits erste erosive Veränderungen auf. Daraufhin wird mit Methotrexat (MTX) begonnen. Zwei Monate später wird aufgrund des unzureichenden Effekts zusätzlich mit Etanercept therapiert. Die Patientin beendet die Therapie mit MTX im November 2006 wegen weiteren Kinderwunsches und ist bis heute in kompletter Remission.
In der Differenzialdiagnose der rheumatoiden Arthritis gewinnen Antikörper gegen citrullinierte Peptide zunehmend an Bedeutung, da sie bei gleicher Sensitivität eine höhere Spezifität für die RA besitzen als IgM-Rheumafaktoren. Diese Laborleistung wird laut Aussage von Dr. Edelmann seit dem 1. April 2007 von den Kassen erstattet.
In der dritten Kasuistik wurde ein individuell exemplarischer Verlauf einer rheumatoiden Arthritis mit Therapiemöglichkeiten bei Kinderwunsch und Schwangerschaft aufgezeigt. Bei zunächst nur schleichend progredientem Verlauf sind Verfahren der Naturheilkunde bei Kinderwunsch als supportive Maßnahmen erfolgreich. Wegen langsam zunehmender funktioneller Defizite wird später MTX eingeleitet, das jedoch in der Dauertheraoie Übelkeit auslöst. Als Alternative bietet sich hier Leflunomid an, bei dem im Unterschied zu MTX keine Übelkeit zu erwarten ist. Auch bei dieser Patientin führt erst die zusätzlich Behandlung mit einem TNF-Blocker zur Remission. Hier zeigt sich, dass Compliance die unabdingbare Voraussetzung für einen langfristigen Therapieerfolg darstellt.
Herausforderung für die Zukunft werden sein: Die frühere Diagnose und Therapie („window of opportunitiy“), eine Stratifizierung der Patienten nach Risiko und Prognose, eine Verbesserung der Therapiedauer (Compliance, Nachhaltigkeit der Wirkung, Toxizität) und ein Konzept zur Remissionserhaltung.
Dritter Referent war Prof. Dr. Klaus Krüger, Praxisklinik München, mit drei Kasuistiken aus dem Themenkreis „Wirbelsäule und periphere Gelenke: Organmanifestationen systemischer Krankheiten“.
Fall 1: „Eine Sache des Rückgrats“ beschreibt die Geschichte eines 39jährigen Patienten mit einer seit 11 Jahren bekannten, in Schüben verlaufenden ankylosierenden Spondylitis (AS). Aufgrund der hohen klinischen Aktivität wird 2002 eine Infusionstherapie mit Infliximab (off lable) eingeleitet. Nach anfänglich gutem Erfolg stellt sich der Patient mit einer massiven Schmerzzunahme in der Thorakolumbalregion erneut vor. Bei der weiteren Abklärung wird die Diagnose tuberkulöse Spondylodiszitis gestellt. Nach Operation, Absetzen der TNF-Blocker-Therapie und Einleitung einer tuberkulostatische Kombinationstherapie geht die Entzündung langsam, über Monate zurück.
In den ersten Jahren der TNF-Blocker-Therapie stellten Reaktivierungen früherer Tuberkulosen das wichtigste Sicherheitsproblem dar mit einer Häufigkeit insgesamt von 0,06 %. Seit Einführung des Tbc-Screenings vor Beginn einer Therapie mit TNF-Blockern ist die Reaktivierung einer Tbc deutlich zurückgegangen.
Im zweiten Fall: „Nichts ist unlösbar“ widersetzt sich eine Patientin mit seit 1993 bekannter seropositiver RA zunächst allen (bis auf eine Goldtherapie) Basistherapien. Sie hat multiple außerschulische Versuche hinter sich, bis neun Jahre später eine Amyloidose diagnostiziert wird.
Bei der TED-Abstimmung zur in Frage kommenden Therapie entschied sich das Auditorium mehrheitlich für Methotrexat – eine Fehlentscheidung, denn MTX ist bei schwerer Nierenfunktionsstörung kontraindiziert!
Die eingeleitete Therapie mit Azathioprin ist jedoch erfolglos, so dass die Behandlung mit einem TNF-Inhibitor begonnen wird, die zu einer ausgeprägten Besserung der Nierenfunktionsparameter führt.
Die Behandlung der Amyloidose als RA-Komplikation mit einem TNF-Blockern ist in mehr als 100 Fällen mit ausgezeichneten Erfolgen publiziert. Eine kontrollierte Studie fehlt jedoch.
Den „langen Weg zur Wahrheit“ muss in der dritten Fallbeschreibung eine 61jährige Patientin mit seit drei Jahren aktiver RA durchlaufen. Sie ist mit der Kombination von MTX, Leflunomid und Prednisolon stabil eingestellt. Der seit sechs Jahren bekannte Diabetes mellitus 2 (DM) ist unter Metformin ebenfalls stabil.
Seit vier Jahren ist eine leichte Polyneuropathie (PNP) im Rahmen des DM bekannt. Bei weiterhin klinisch und laborchemisch unveränderter RA und stabilem Diabetes mellitus entwickelt sich eine deutliche Progredienz der Polyneuropathie. Trotz Intensivierung der medikamentösen RA-Therapie kommt es zu einer weiteren massiven Verschlechterung der PNP. Die Suche nach der Ursache führt schließlich zu Leflunomid.
Neuropathien unter Leflunomid sind in den letzten Jahren immer häufiger publiziert worden. In 30% wird ein Diabetes mellitus als begünstigender Faktor beschrieben.
Nach Auswaschen von Leflunomid bessert sich die Polyneuropathie. Der Wiederbeginn mit MTX verläuft unproblematisch.
Take Home Messages
• Cave! Sonnenexposition ist beim SLE kontraindiziert, bzw. sollte nur nach Anwendung von Sonnenschutzmitteln mit hohen Lichtschutzfaktoren erfolgen
• Kriterien, die für den Antrag auf „off lable Einsatz“ hilfreich sein können: eine lebensbedrohliche Situation, keine Therapiealternativen, laufende Zulassungsstudien, ein plausibles Wirkprinzip und ähnliche, auf Kongressen vorgestellte Kausuistiken
• In der Differenzialdiagnose gewinnen Antikörper gegen citrullinierte Peptide zunehmend an Bedeutung, da sie bei gleicher Sensitivität eine höhere Spezifität für die RA besitzen als IgM-Rheumafaktoren. Diese Laborleistung wird laut Aussage von Dr. Edelmann seit dem 1. April 2007 von den Kassen erstattet.
• Im Unterschied zu MTX ist unter Leflunomid keine Übelkeit zu erwarten.
• In den ersten Jahren der TNF-Blocker-Therapie stellten Reaktivierungen früherer Tuberkulosen das wichtigste Sicherheitsproblem dar mit einer Häufigkeit insgesamt von 0,06 %. Seit Einführung des Tbc-Screenings vor Beginn einer Therapie mit TNF-Blockern ist die Reaktivierung einer Tbc deutlich zurückgegangen.
• MTX ist bei schwerer Nierenfunktionsstörung kontraindiziert!
• Die Behandlung der Amyloidose als RA-Komplikation mit einem TNF-Blockern ist in mehr als 100 Fällen mit ausgezeichneten Erfolgen publiziert. Eine kontrollierte Studie fehlt jedoch.
• Neuropathien unter Leflunomid sind in den letzten Jahren immer häufiger publiziert worden. In 30% wird ein Diabetes mellitus als begünstigender Faktor beschrieben.