Vitamin D3 - Die Facts und das „to do“ oder: Was hat Vitamin D3 mit Winterreifen gemeinsam?
Vitamin D3 war ein wichtiges Thema auf dem 7. rheuma-online User-Workshop am 20. und 21. September 2014 in Düsseldorf. Was festzuhalten ist: Vitamin D3 hat viele bedeutende Wirkungen jenseits des Knochens, und Vitamin-D3-Mangel betrifft nahezu jeden, der gerade diese Zeilen liest, und sei es nur im Herbst und Winter. Was können wir aber tun, um einem Vitamin-D3-Mangel abzuhelfen? Und welche Fehler sollten wir dabei vermeiden? Antwort auf diese Fragen gibt unser Experte Priv. Doz. Dr. med. H.E. Langer von RHIO (Rheumatologie, Immunologie und Osteologie) und RHIO Forschungsinstitut Düsseldorf.
Fassen wir alle Artikel zusammen, die in den letzten zwei Jahren in rheuma-online zu Vitamin-D3 erschienen sind, und erinnern wir uns an die wichtigsten Punkte unserer vier r-o-Specials zu diesem Thema, können wir folgendes festhalten:
Vitamin-D3 ist mehr als ein Knochenhormon und spielt eine wichtige Rolle bei der Entstehung und im Verlauf von entzündlich-rheumatischen und immunologischen Erkrankungen.
Vitamin-D3-Mangel ist viel häufiger, als man denkt, und betrifft praktisch jeden, der gerade diesen Beitrag liest, und sei es nur in der Herbst- und Winterzeit.
Praktisch jeder von uns benötigt daher zusätzlich Vitamin D3.
Welche Empfehlungen ergeben sich daraus? Nennen wir die folgenden Tipps die sieben Schritte zu einer optimalen Vitamin-D3-Versorgung.
Der erste Schritt: Feststellen, ob bei mir selber ein Vitamin-D3-Mangel vorliegt und wie ausgeprägt er ist. Dazu ist eine Blutuntersuchung notwendig. Wichtig: Bestimmt werden sollte dabei der Serumspiegel von 25-Hydroxy-Vitamin-D oder anders geschrieben von 25(OH)Vitamin D3.
Leider ist diese Bestimmung keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung, es sei denn, es besteht der Verdacht auf eine Erkrankung, die im Zusammenhang mit Vitamin-D-Mangel stehen könnte. Ich muß diese Untersuchung deshalb als sogenannte individuelle Gesundheitsleistung (IGeL) selber bezahlen. Nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOAE) ist dabei von einem Betrag von ca. 50,00 EUR auszugehen.
Zweiter Schritt: Ergebnis bewerten. Dazu geben Experten international folgende Grenzwerte an:
Schwerer Mangel („Defizienz“): Serumspiegel kleiner als 25 nmol/l (10 ng/ml)
Unzureichende Versorgung mit Vitamin D3 („Insuffizienz“): Werte zwischen 25 nmol/l und 75 nmol/l (10-30 ng/ml) (teilweise werden Werte von 50-75 nmol/l bzw. 20-30 ng/ml als ausreichend angesehen)
Optimale Versorgung: Werte über 75 nmol/l (30 ng/ml)
Optimaler Schutz vor Knochenbrüchen: Werte über 100 nmol/l (40 ng/ml)
Sichere Obergrenze: 250 nmol/l (100 ng/ml) (nach Prof. Dr. Michael F. Holick, Vitamin-D-Experte, Universität Boston)
Toxischer („giftiger“) Bereich: Werte oberhalb von 375 nmol/l (150 ng/ml) (ebd.)
Ein Hinweis: Auf den Ausdrucken des Laborbefundes auf die Maßeinheit achten! Manche Labore verwenden nmol/l, andere ng/l mit natürlich unterschiedlichen Normal- und Grenzwerten.
Die Werte können wie folgt umgerechnet werden:
Umrechnung für 25-OH-Vitamin D3: nmol/l x 0,40 = ng/ml; ng/ml x 2,50 = nmol/l (oder anders ausgedrückt: 1 nmol/l : 2,5 = 1 ng/ml)
Ein weiterer wichtiger Hinweis: Die oben genannten Grenzwerte finden sich nicht durchgängig, insbesondere gibt es zum Teil Befundinterpretationen, bei denen die sogenannte Toxizität („Giftigkeit) sehr niedrig angesetzt wird. Dies führt nach unserer Erfahrung manchmal zu Verwirrung und dazu, daß Vitamin-D3 nicht supplementiert wird (zusätzlich in Tablettenform zur Nahrung eingenommen wird), obwohl es dringend notwendig wäre.
Dritter Schritt: Mit dem Arzt die notwendige Dosis für eine möglicherweise bzw. wahrscheinlich notwendige Supplementation besprechen.
Dazu ein Anhalt:
Schwere Mangelzustände benötigen nach unserer Erfahrung Anfangsdosen von mindestens ca. 3.000 IE Vitamin D3 pro Tag oder alternativ 20.000 IE einmal wöchentlich
Spezialisierte Zentren dosieren anfangs noch höher und z.T. sogar sehr viel höher, d.h. in der Startphase bei schwerem Mangel mit bis zu 20.000 IE täglich. Dies ist möglich, muß aber (wie im übrigen jede Therapie und damit auch jede Supplementation von Vitamin-D3) individuell im Einzelfall entschieden und angepaßt sowie engmaschig überwacht werden
Um einen ausreichenden Vitamin-D3-Spiegel aufrecht zu erhalten, sind nach von uns erhobenen umfangreichen Daten (zumindest bei Patienten mit entzündich-rheumatischen und immunologischen Systemerkrankungen) Tagesdosen um 1.500 IE bis 2.000 IE und zum Teil sogar von 3.000 IE erforderlich
Übergewichtige benötigen eine höhere Vitamin-D3-Dosis als Normalgewichtige
Als Faustregel kann man folgende Erfahrungswerte angeben:
Um einen Ausgangswert von 25 nmol/l bzw. 10 ng/ml um 25 nmol/l oder 10 ng/ml anzuheben, benötigt man etwa 1.000 IE Vitamin D3 pro Tag über einen Zeitraum von 3-4 Monaten. Um den optimalen Bereich von 100 nmol/l bzw. 40 ng/ml zu erreichen, benötigt man entsprechend für denselben Zeitraum etwa 3.000 IE Vitamin D3 täglich oder 20.000 IE einmal wöchentlich.
Als unbedenklich gelten unter Experten derzeit Tagesdosen bis 4.000 IE Vitamin D3 pro Tag.
Wenn man sich diese Dosisempfehlungen und die obigen Grenzen für Toxizität vor Augen führt, erkennt man, daß bei gesunden Personen Überdosierungen von Vitamin-D3 die Ausnahme sind, dagegen zu niedrige Dosierungen eher die Regel.
Noch ein praktischer Tipp: Vitamin D3 ist zum Teil in frei verkäuflichen Nahrungsergänzungsmitteln oder in Kombinationspräparaten mit Calcium enthalten. Dabei finden sich teilweise die Mengenangaben nicht in IE (internationale Einheiten), sondern in µg (Mikrogramm).
Die Umrechnung geht wie folgt: Ein Mikrogramm Vitamin D3 entspricht 40 IE oder: 1.000 IE sind 25 µg.
Ernährung kann Supplementation nicht ersetzen, denn in unseren üblichen Lebensmitteln ist Vitamin D3 nur in geringen Mengen vorhanden. Noch relativ viel Vitamin D3 enthält fetter Fisch. Um jedoch eine Tagesdosis von beispielsweise 1.000 IE zu mir zu nehmen, müßte ich täglich 500 g Makrele essen. Oder 25 Liter Vollmilch, 1.25 kg Shitake-Pilze, 750 g Avocado, 20-25 Eier, 5 kg Schweinefleisch oder 12,5 kg Kalbsleber (diese Beispiele stammen von dem Ernährungswissenschaftler Prof. Nicolai Worm).
Vierter Schritt: Vitamin D3 richtig einnehmen! Dazu folgender wichtiger Hinweis:
Vitamin D3 ist fettlöslich, deshalb sollte es zusammen mit einer fetthaltigen Mahlzeit (was nicht vor Fett triefender Mahlzeit heißt) bzw. einer Hauptmahlzeit eingenommen werden. Wir haben festgestellt, daß die fehlerhafte Einnahme von Vitamin-D3 ein Hauptgrund dafür ist, daß trotz hoher Supplementationsdosen keine ausreichenden Spiegel erreicht werden.
Fünfter Schritt: Regelmäßig daran denken! Dazu ein Tip: Überlegen Sie, was für ein Typ Sie sind!
Wenn Sie es gewohnt sind, täglich Medikamente einzunehmen, könnte es für Sie die beste Lösung sein, auch Vitamin D3 täglich zu supplementieren.
Dabei hat es sich bewährt, das Vitamin D3 gleich zum Frühstück zu nehmen, es sei denn, sie frühstücken „fettfrei“ (siehe oben).
Wenn Sie kein „Frühstücker“ sind, sollten Sie überlegen, ob die tägliche Einnahme für Sie optimal ist, denn über Tag, z.B. auch im Berufsleben, wird die Einnahme gerne vergessen. Das ist auch bei abendlicher Einnahme häufiger der Fall.
Wenn Sie Schwierigkeiten haben, an die tägliche Einnahme zu denken, kommt für Sie unter Umständen eine wöchentliche Einnahme eher in Frage. Nach unserer Erfahrung eignet sich dazu besonders der Sonntag.
Lassen Sie sich durch irgendetwas an die Vitamin-D3-Einnahme erinnern. Das kann ein Aufkleber oder Zettel auf der Kühlschranktür sein, eine Erinnerung über ihr Smartphone oder irgend eine andere Methode, Hauptsache, sie funktioniert.
Sechster Schritt: Therapieergebnis kontrollieren und Serumspiegel unter Supplementation bestimmen. Wann der nächste Zeitpunkt ist, hängt insbesondere vom Ausgangswert und Dosis der Supplementation ab, wobei auch hier die Therapiekontrolle und –überwachung im individuellen Einzelfall festgelegt werden muß.
Ein Hinweis: Üblicherweise erfolgt die Supplementation mit Vitamin-D3. Wird 1-alpha-hydroxy-Vitamin-D3 (Calcitriol) vewendet, kann dieses in dem üblichen Nachweisverfahren nicht bestimmt werden. In diesem Fall muß eine andere Meßmethode angewendet werden.
Siebter Schritt: Entscheiden, ob eine Fortsetzung der Supplementation notwendig ist und welche Dosis dann erforderlich ist oder ob das erzielte Ergebnis über eine ausreichende Sonnenexposition gehalten werden kann, d.h. durch einen genügend langen täglichen Aufenthalt in der Sonne.
Dazu zwei Punkte:
Der Vitamin-D3-Serumspiegel halbiert sich in 4 Wochen, wenn nicht supplementiert wird und keine Produktion im Körper über die Haut und eine entsprechende Sonnenexposition erfolgt.
In unseren Breiten gilt für die Supplementation dieselbe Regel wie für Winterreifen, nämlich „von O bis O“ - von Oktober bis Ostern. Hintergrund ist nicht nur die kürzere Sonnenscheindauer in diesem Zeitraum, sondern auch der andere Sonnenstand, der dazu führt, daß das UV-B-Licht in der Atmosphäre stärker zurückgehalten wird als bei dem hohen Sonnenstand im Sommer, bei dem der Weg des Sonnenlichtes durch die Atmosphäre sehr viel kürzer ist als im Herbst und Winter.
Zum Schluß einige praktische Hinweise und Tipps zur „natürlichen Produktion“ von Vitamin D3 mit Hilfe der Sonne und unserer Haut:
Mindestens 25 % der Haut (was in etwa der Fläche von Gesicht, Händen und Unterarmen entspricht) sollte täglich für 15-30 Minuten in der Zeit zwischen 10:00 Uhr und 14:00 Uhr der Sonne ausgesetzt werden.
Dies sollte ohne Sonnenschutzmittel oder Kosmetika auf der Haut erfolgen. Sonnenschutzmittel und z.T. auch Kosmetika filtern UV-B heraus und verhindern damit die Vitamin-D3-Bildung. Da sie UV-A durchlassen, wird die Haut gebräunt, Vitamin-D3-Produktion findet aber nicht statt. Die böse Falle: Schön gebräunt und trotzdem Vitamin-D3-Mangel!
Dasselbe gilt für Solarien! Um Vitamin-D3 zu produzieren, können Solarien die Sonne nicht ersetzen. Solarien bräunen zwar, führen aber nicht zu einer Vitamin-D3-Bildung in der Haut. Grund: Die Solarien bräunen über UV-A-Strahlen, die Vitamin-D3-Bildung in der Haut braucht aber UV-B-Strahlen.
Dunst und Smog filtern UV-Licht heraus; Sonnenbaden auf dem Balkon in der Großstadt ist damit möglicherweise weniger wirksam als auf dem Land.
Viel hilft nicht viel: Das Sonnenbad sollte lang genug sein, darf aber nicht zu Sonnenbrand führen.
Bei jüngeren Menschen erfolgt die Vitamin D3-Produktion schneller und stärker als bei älteren; im Alter nimmt die Fähigkeit zur Vitamin-D-Bildung über die Haut drastisch ab.
Personen mit dunklerer Hautfarbe produzieren wesentlich weniger Vitamin D3 als hellhäutige
Mittagssonne ist viel effektiver als Morgensonne oder Abendsonne (die je nach Jahreszeit dann auch überhaupt nicht mehr ausreicht)
Maximal möglich sind in unseren Breiten unter optimalen Bedingungen bei jungen Erwachsenen Vitamin-D3-Werte von 10.000 bis 20.000 IE innerhalb von 15 bis 30 Minuten bei Ganzkörperbestrahlung (Prof. Worm)
Was habe ich davon? Optimale Vitamin D3-Spiegel schützen meine Knochen vor Knochenentkalkung und Knochenbrüchen, reduzieren mein Infektionsrisiko, verbessern meine körperliche Leistungsfähigkeit und die Leistungsfähigkeit meines Gehirns und wirken sich nach allem, was wir im Augenblick wissen, bei Patienten mit entzündlich-rheumatischen und immunologischen Erkrankungen günstig auf die Krankheitsaktivität und den Krankheitsverlauf aus. Damit haben wir eine der besten und natürlichsten Methoden, um etwas für unsere Gesundheit zu tun, in unserer eigenen Hand (und unserer eigenen Haut). Nun müssen wir nur noch die oben genannten Empfehlungen konsequent umsetzen.