Unbeabsichtige Effekte von Statinen bei Männern und Frauen in England und Wales
(Unbeabsichtigte) Zusatznutzen einer Statin-Therapie können auch in dieser Untersuchung nicht belegt werden. Eine Ausnahme stellt das Risiko für ein Ösophaguskarzinom dar. Die potenziellen unerwünschten Arzneimittelwirkungen wurden in dieser Untersuchung auf Bevölkerungsebene bestätigt und quantifiziert.
Statine gehören zu der Substanzgruppe der 3-Hydroxy-3-Methylglutaryl-Coenzym-A-(HMG-CoA) Reduktase-Inhibitoren und werden bei Fettstoffwechselstörungen zur Cholesterinsenkung eingesetzt.
Ziel dieser Studie war die Quantifizierung unbeabsichtigter Effekte der Statine nach Medikament, Dosis und Therapiedauer.
Die Studie war als prospektive, offene Kohortenstudie angelegt. Teilnehmer waren 368 Allgemeinärzte aus England und Wales, die der QResearch Datenbank routinemäßig erhobene Daten zur Verfügung stellten.
Insgesamt wurden die Daten von 2.004.692 Patienten im Alter zwischen 30 bis 84 Jahren gesichtet. 225.922 (10,7%) dieser Patienten hatten erstmalig Statine verordnet bekommen. Davon bekamen 159.790 (70,7%) Patienten Simvastatin, 50.328 (22,3%) Atorvastatin, 8.103 (3,6%) Pravastatin, 4.497 (1,9%) Rosuvastatin und 3.204 (1,4%) Fluvastatin.
Primäre Zielparameter der Studie waren das erste registrierte Auftreten: einer kardiovaskulären Erkrankung, moderater bis schwerer Myopathien, moderater bis schwerer Veränderungen der Leberfunktionswerte, eines akutes Nierenversagen, einer Venenthrombose, der Parkinson´sche Erkrankung, einer Demenz, einer rheumatoiden Arthritis, eines Katarakts, osteoporotischer Frakturen, eines Magen-, Oesophagus-, Kolon-, Lungen-, Nieren-, Brust- oder Prostatakarzinoms oder eines Melanoms.
Es bestand keine signifikante Assoziation zwischen den einzelnen Statinen und der Parkinson´schen Erkrankung, einer rheumatoiden Arthritis, einer Venenthrombose, einer Demenz, eines Katarakts, einer osteoporotischen Fraktur, eines Magen-, Kolon-, Lungen-, Nieren-, Brust- oder Prostatakarzinoms oder eines Melanoms.
Es gab jedoch einen Zusammenhang zwischen der Therapie mit Statinen und einem erniedrigten Risiko für ein Oesophaguskarzinom. Das Risiko für moderate bis schwere Myopathien, moderate bis schwere Veränderungen der Leberfunktionswerte, für akutes Nierenversagen und für einen Katarakt war unter Statinen erhöht.
Die unerwünschten Wirkungen waren für alle Statine ähnlich. Eine Ausnahme bestand für Leberfunktionsstörungen, die vermehrt unter Fluvastatin beobachtet wurden. Ein dosisabhängiger Effekt bestand für akutes Nierenversagen und Leberfunktionsstörungen.
Das Kataraktrisiko hatte sich ein Jahr nach Therapieende normalisiert. Das Risiko für eine Krebserkrankung der Speiseröhre war bei Frauen nach einem Jahr und bei Männern nach ein bis drei Jahren nach Beendigung der Statinbehandlung wieder auf dem Niveau der Allgemeinbevölkerung.
Das erhöhte Risiko für ein akutes Nierenversagen normalisierte sich nach ein bis drei Jahren. Das erhöhte Risiko für Leberfunktionsstörungen war bei Frauen nach einem Jahr wieder auf Normalniveau, bei Männern dauerte es drei Jahre bis zur Normalisierung.
Bei Annahme einer 20%-Schwelle für kardiovaskuläre Risiken betrug die Numer needed to treat (NNT, Anzahl von Patienten, die behandelt werden müssen, um ein Ereignis zu verhindern) unter allen Statinen für Frauen 37, um einem Fall einer Herz-Kreislauferkrankung innerhalb von fünf Jahren zu verhindern. Die NNT machte 1.266 für ein Oesophaguskarzinom aus. Für Männer lauteten die entsprechenden Werte 33 und 1.082.
Bei Frauen lag die Number needed to harm (NNH, Anzahl von Patienten, die behandelt werden bis eine unerwünschte Wirkung eintritt) für ein zusätzliches akutes Nierenversagen in fünf Jahre bei 434, für eine zusätzliche Leberfunktionsstörung bei 136 und für einen zusätzlichen Katarakt 33.
Generell waren die NNH bei diesen Behandlungsrisiken bei Frauen und Männern gleich. Eine Ausnahme machte die mäßig schwere bis schwere Myopathie, bei der die NNH für Frauen 259 und für Männer 91 betrug.
Schlussfolgerung:
(Unbeabsichtigte) Zusatznutzen einer Statin-Therapie können auch in dieser Untersuchung nicht belegt werden. Eine Ausnahme stellt das Risiko für ein Ösophaguskarzinom dar. Die potenziellen unerwünschten Arzneimittelwirkungen wurden in dieser Untersuchung auf Bevölkerungsebene bestätigt und quantifiziert.
In weiteren Studien sollten Werkzeuge entwickelt werden, mit Hilfe derer die Risiken für jeden einzelnen Patienten abgeschätzt werden können. Für Patienten mit hohem Risiko wäre dann eine engmaschigere Überwachung denkbar.
Literatur und Link
Unintended effects of statins in men and women in England and Wales: population based cohort study using the QResearch database
Julia Hippisley-Cox, professor of clinical epidemiology and general practice, Carol Coupland, associate professor in medical statistics
BMJ 2010;340:c2197 , Published 20 May 2010, doi:10.1136/bmj.c2197
Abstract