TNF-Antagonisten in der Schwangerschaft: Daten der FDA Datenbank
Aus den Daten ihrer Untersuchung schließen die Autoren, dass eine scheinbar hohe Zahl an Geburtsanomalien (im Vergleich zu Kontrollen aus der Allgemeinbevölkerung) unter der Therapie mit TNF-Blockern aufgetreten sei. Es bestehe Grund zu der Annahme eines kausalen Effekts der TNF-Antagonisten. Im Editorial derselben Ausgabe des "Journal of Rheumatology" widersprechen zwei Pharmakologen/Toxikologen des „Hospital for Sick Children, Toronto, Ontario, Canada“ dieser Aussage.
Die Rheumatologen der University of South Florida College of Medicine haben für ihre Untersuchung die Datenbank der US Food and Drug Administration (FDA) zwischen 1999 und 2005 auf Geburtsanomalien unter Tumornekrosefaktor(TNF)-Antagonisten analysiert.
Bei der Durchsicht von mehr als 120.000 Meldungen zu unerwünschten Wirkungen fielen insgesamt 61 Geburtsfehler bei Kindern von 41 Müttern auf, die mit TNF-Blocker behandelt worden waren. 22 dieser Mütter waren mit Etanercept und 19 mit Infliximab behandelt worden. Berichte über Frauen unter einer Adalimumab-Therapie lagen nicht vor.
Die häufigsten Anomalien betrafen das Herz. Vierundzwanzig der 41 Kinder (59%) wiesen einen oder mehr Anomalien auf, die die Autoren dem VACTERL*-Syndrom zuordneten.
Insgesamt wurde über 34 spezifische Geburtsfehler berichtet, von denen die Autoren 19 (56%) dem VACTERL-Syndrom zuschrieben. Neun dieser 19 Geburtsanomalien waren statistisch signifikant (p < 0,01) häufiger unter TNF-Blocker-Therapie beobachtet worden als in der Allgemeinbevölkerung. Für vier dieser neun Anomalien betrug die Signifikanz p < 0,0001.
Dreizehn (32%) der Kinder hatten mehr als eine Missbildung. Sieben der 13 Kinder wiesen zwei Defekte des VACTERL-Spektrums auf. Es wurde jedoch bei nur einem Kind auch die Diagnose VACTERL-Syndrom gestellt.
Vierundzwanzig der 41 Mütter nahmen keine weitere Begleittherapie.
Schlussfolgerung:
Aus den Daten ihrer Untersuchung schließen die Autoren, dass eine scheinbar hohe Zahl an Geburtsanomalien (im Vergleich zu Kontrollen aus der Allgemeinbevölkerung) unter der Therapie mit TNF-Blockern aufgetreten sei. Es bestehe Grund zu der Annahme eines kausalen Effekts der TNF-Antagonisten.
* vertrebrale, anale, kardiale, tracheoösophagale, renale und die Extremitäten betreffende Anomalien
Die Pharmakologen / Toxikologen Gideon Koren und Miho Inoue des „Hospital for Sick Children“ Toronto, Ontario, Kanada“ widersprechen dieser Schlussfolgerung in ihrem Editorial in folgenden Punkten (Auszug):
„Der spontane Fallbericht ist in Abhängigkeit von der epidemiologischen Wirklichkeit hilfreich oder nutzlos. Treten seltene Missbildungen in Zusammenhang mit einem Medikament auf, das selten angewandt wird, können einige spontane Fallberichte bereits den kausalen Zusammenhang beweisen.
Ist die fragliche Missbildung häufiger (z. B. ein kardialer Septumdefekt) sind spontane Fallberichte nutzlos, da sie möglicherweise nur ein zufälliges Zusammentreffen widerspiegeln. Dieser Punkt ist in Bezug auf die TNF-Blocker relevant.
Carter und Kollegen haben eine Vergleichsgruppe gebildet, indem sie die “normale” oder „vorhersagbare“ Verteilung an Geburtsfehlern für die Allgemeinbevölkerung herangezogen haben. Das spontane Berichtswesen an die FDA, dessen Qualität ungewiss ist, birgt jedoch die Selektionsbias der unbekannten Anrufer, die u. a. auch nicht die Allgemeinbevölkerung repräsentieren.
Carter und Kollegen gehen noch ein weiteres wissenschaftliches Wagnis ein: Sie behaupten, dass viele der Fehlbildungen, die sie in der FDA-Datenbank identifiziert haben, Teil des VACTERL-Syndroms seien. Das VACTERL-Syndrom ist ein Durcheinander verschiedener Anomalien, das zuvor unkorrekterweise anderen Medikamenten (z. B. oralen Kontrazeptiva) zugeschrieben worden ist.
Obwohl die FDA-Berichte zu den TNF-Blockern die Diagnose VACTERL-Syndrom nicht bestätigen, mutmaßen Carter und Kollegen, dass diese Fälle als VACTERL-Syndrom zu betrachten seien, da einige Symptome aus diesem Symptomenkreis vorliegen.
Trotz der Schwäche der Daten schlussfolgern Carter et al., dass der behauptete Zusammenhang zwischen anti-TNF-Therapie und Geburtsanomalien Anlass zu der Annahme eines kausalen Effekts der TNF-Antagonisten gäbe."
Die Autoren des Editorials hingegen stellen fest, dass aus den o.g. Gründen an einen Zusammenhang – geschweige denn einen kausalen Zusammenhang – nicht zu denken sei.
Koren und Inoue befürchten, dass Ärzte, die den vorliegenden Bericht von Carter et al. gelesen haben, unnötig besorgt sein könnten. Sie könnten möglicherweise auf diese Medikamente verzichten, oder - noch schlimmer -Frauen, die versehentlich während der Schwangerschaft mit TNF-Blockern behandelt worden sind, raten, die (unter anderen Umständen gewollte) Schwangerschaft abzubrechen.
"Auf einer Skala von 0 bis 10 zum Beweis der Kausalität hat der Einzelbericht einen Score von 1-2, Daten aus einer randomisierten, kontrollierten Studie den Score 8-10. Auf dieser Skala bekommt der vorliegende Bericht von den Autoren des Editorials den Score 1."
Koren und Inoue vermuten, dass ihre Beurteilung nur von wenigen Lesern zur Kenntnis genommen wird, während der Abstract des Berichts von Carter et al. – da besorgniserregend – von den Journalisten aufgegriffen und über die elektronischen Medien verteilt von Tausenden gelesen werden wird.
“Last, but certainly not least: Die unbehandelte Erkrankung der Mutter kann die Krankheitslast und das reproduktive Risiko für Mutter und Kind gravierend verschlechtern. Diese Überlegung muss in die Nutzen-Risiko-Abwägung, was das Beste für Mutter und ihr ungeborenes Kind ist, einfließen.“
Literatur und Links
A Safety Assessment of Tumor Necrosis Factor Antagonists During Pregnancy: A Review of the Food and Drug Administration Database
JOHN D. CARTER, ANIL LADHANI, LOUIS R. RICCA, JOANNE VALERIANO, and FRANK B. VASEY
J Rheumatol 2009;36 635-641
Link zum Abstract
Editorial
Do Tumor Necrosis Factor Inhibitors Cause Malformations in Humans?
GIDEON KOREN, MD and MIHO INOUE, MD
J Rheumatol 2009;36 465-466
Link zum full text
Weitere Information auf rheuma-online:
r-o Special: Biologicals in der Schwangerschaft und Stillzeit