Therapie im Gasteiner Heilstollen: Wie ist die Wirkung? Für wen ist sie geeignet?
Die wichtigsten Fragen und Antworten vom rheuma-online User-Workshop 2006
Viele der Teilnehmer des diesjährigen User-Treffens in Bad Gastein hatten bereits Erfahrungen mit dem Heilstollen sammeln können.
Diejenigen, die zum ersten Mal die heiltherapeutische Wirkung kennenlernen wollten, hatten Gelegenheit, an einer „Schnuppereinfahrt“ teilzunehmen. Wichtige Punkte, die im Vorfeld einer solchen Behandlung standen, beantwortete Herr Dr. med. Josef Kovács, Stollenarzt des Gasteiner Heilstollens und Vertreter der Chefärztin, Frau Primaria Dr. med. Gudrun Lind-Albrecht, im Rahmen des Kleingruppen - Workshops.
Im Vordergrund standen neben wissenschaftlichen Erklärungen zur Wirkungsweise des Heilgases Radon auf den Organismus Informationen zur geplanten “Schnuppereinfahrt“.
Die wichtigsten Fragen und Antworten hat unsere rheuma-online-Autorin Saskia Trost für alle User zusammengefasst.
- Frage: „Für welche Krankheitsbilder ist die Radontherapie geeignet?"
- Dr. Kovács: „Der vorwiegende Einsatz gilt den entzündlich – rheumatischen Erkrankungen, also vor allem der chronischen Polyarthritis, der Psoriasis-Arthritis und dem Morbus Bechterew. Gute Erfolge werden auch bei Fibromyalgie – Syndrom, bei Osteoporoseschmerzen und bei Neuralgien erzielt. Erkrankungen der Atemwege wie chronische Bronchitis oder Heuschnupfen können ebenfalls erfolgreich therapiert werden. Hingegen wird Patienten, die an systemischem Lupus erythematodes (SLE) leiden, von einer Einfahrt in den Heilstollen dringend abgeraten.“
- Frage:„Wie lange sollte eine Radon-Kur im Gasteiner Heilstollen dauern?“
- Dr. Kovács:„Zur Behandlung manifester Erkrankungen soll die Kurdauer erfahrungsgemäß 3-4 Wochen dauern. Bei leichteren Beschwerden und zur Vorbeugung wird häufig mit einer geringeren Zahl von Anwendungen ein guter Erfolg erzielt.“
- Frage: „Radongas ist radioaktiv. Ist eine Behandlung mit einer solchen Substanz nicht gefährlich im Hinblick auf Krebserkrankungen?“
- Dr. Kovács:„Radon ist ein radioaktives Edelgas, welches unter Aussendung von Alphastrahlen zerfällt und vorwiegend durch Haut und Lunge in den Körper aufgenommen wird. In dieser extrem niedrigen Konzentration ist das Krebsrisiko nicht erhöht. Es ist weltweit kein einziger Fall dokumentiert, der auf einen Zusammenhang mit der kurmäßigen Radon-Therapie und einer Krebserkrankung hinweist. Das aufgenommene Radon ist nach 20 Minuten zur Hälfte und nach 3 Stunden komplett wieder ausgeschieden.“
- Frage: „Ich leide unter erhöhtem Blutdruck. Kann ich trotzdem die Vorteile einer Radon-Therapie nutzen?“
- Dr. Kovács: „Bei guter medikamentöser Einstellung und regelmäßigen Kontrollen stellt Hypertonie kein grundsätzliches Problem dar. Vorsicht ist bei schwerer Herzinsuffizienz geboten. Zusätzliche Anstrengungen sollten während der Kuranwendungen ohnehin vermieden werden. Zeit und Ruhe sollten ausreichend eingeplant werden, gegen leichte Bewegung zwischen den einzelnen Anwendungen ist nichts einzuwenden.“
- Frage: „Darf man während eines akuten Rheumaschubes den Heilstollen aufsuchen?“
- Dr. Kovács: „Nein, während eines akuten Krankheitsgeschehens ist von einer Einfahrt in den Stollen dringend abzuraten, da die Hyperthermie sich sehr ungünstig auswirken kann. Vor der Anwendung wird ein Kurarzt vor Ort gemeinsam mit dem Patienten den Therapieplan erstellen; aktuelle Laborparameter (insbesondere der CRP Wert) sind unerlässlich bei der Erstellung des Kurplans.“
- Frage: „Wie wirkt Radon auf den Organismus?“
- Dr. Kovács: „Erst die Dosis macht das Gift“. Dieser Grundsatz des Paracelsus gilt auch für das Edelgas Radon. In therapeutischen Maßen eingesetzt, entfaltet Radon eine milddosierte Alphastrahlung. Die von der Strahlung getroffenen Zellen gehen in den Zustand der so genannten Apoptose über. Die so apoptotisch `geimpften´ Zellen geben einen heilungsfördernden Botenstoff, das Zytokin TGF-Beta ab. Dieser Wirkstoff stellt einen natürlichen Gegenspieler zum entzündungsfördernden TNF-alpha dar.
Ein zusätzlicher Effekt: Durch die Wärme im Berginnern (37-41.5 °C) und die hohe Luftfeuchtigkeit, die in der tiefsten Stelle bis zu 100 % erreicht, wird ein mildes therapeutisches Fieber erzeugt. Dadurch wird das Radon wesentlich schneller und effizienter über die Haut und die Atemwege aufgenommen. Die Patienten profitieren von dieser Radon – Hyperthermie – Behandlung; körpereigene Botenstoffe der Heilung und Entzündungshemmung werden aktiviert.“ - Frage: „Was muss ich vor einer Stolleneinfahrt hinsichtlich meiner Alltagsgewohnheiten beachten?“
- Dr. Kovács: „Wichtig ist, dass die Patienten vor jeder Heilstolleneinfahrt ausreichend Flüssigkeit zu sich nehmen. Während jeder Stolleneinfahrt verliert der Körper durchschnittlich einen halben Liter Wasser, dies gefährdet natürlich die Kreislaufstabilität.
Vor der Einfahrt in den Heilstollen sollte man ausreichend Flüssigkeit zu sich nehmen. r-o-Fotos: Saskia Trost
- Die Mahlzeiten hingegen sollten nur leicht und nicht zu üppig ausfallen, damit der Kreislauf im Stollen nicht noch zusätzlich belastet wird. Ganz nüchtern sollten die Besucher aber auch nicht kommen.
Auf die üblichen Medikamente sollten Sie während eines Kurtages nicht verzichten, sie sollten Ihre Medikation mit dem behandelnden Stollenarzt vor Ort besprechen, damit eventuelle Wechselwirkungen ausgeschlossen werden können.
Bewährt haben sich ein Bademantel und Badeschuhe; es ist auch möglich, diese Dinge im Stollenkurhaus auszuleihen. Zusätzlich benötigt man ein Handtuch und Badebekleidung. Sollten Sie Zusatztherapien im Stollenkurhaus gebucht haben, empfehlen sich ein Jogginganzug und Turnschuhe.
Unerlässlich ist die Einhaltung der Ruhezeiten nach der Einfahrt. Gönnen Sie Ihrem Körper eine Pause von mindestens drei Stunden, damit sich die Heilwirkung optimal entfalten kann. Am Stollentag selber sollte nichts Anstrengendes mehr unternommen werden.“
Die Mahlzeiten dagegen sollten nur leicht und nicht zu üppig ausfallen. r-o-Foto: Saskia Trost
- Frage: „Wie läuft eine Einfahrt in den Stollen ab? Was erwartet den Besucher dort?“
- Dr. Kovács: „Zunächst findet ein beratendes Gespräch zwischen dem Patienten und einem Stollenarzt statt. Hier werden Fragen über Art und Schwere der Erkrankung erörtert. Nach der körperlichen Untersuchung werden der individuelle Therapieplan erstellt sowie die entsprechende Liegestation bestimmt. Nachdem sich der Patient umgezogen hat, begibt man sich zum Stollenbahnhof im Erdgeschoss des Stollenkurhauses. Der Zug benötigt etwa 10 Minuten bis zum Therapiebereich; die einzelnen Stationen werden jeweils ausgerufen. Die jeder Station entsprechenden Ruhezonen sind geschlechterspezifisch getrennt. Auf den bequemen Liegen können Sie dann in aller Ruhe das Heilklima auf sich wirken lassen. Nach Beendigung der Liegezeit sollten sie plötzliches Aufstehen unbedingt vermeiden, um die Kreislaufbelastung nicht unnötig zu erhöhen. Der Zug bringt sie anschließend wieder zurück zur Ausgangsstation, wo sie einen der Ruheräume aufsuchen sollten. Wie bereits erwähnt, dient die Ruhephase von mindestens 30 Minuten einer Optimierung des Heilerfolges. Den Rest des Tages sollte man ruhig und ohne körperliche Anstrengungen ausklingen lassen, um unnötige Belastungen zu vermeiden. Der Körper braucht dosierte und spezifisch aufeinander abgestimmte Therapien, sowie Zeit und Ruhe, damit er zur Selbstheilung angeregt wird.“
Vor der Einfahrt in den Stollen wird jeder Patient von einem der Stollenärzte untersucht und beraten. Dabei wird ein individueller Kurplan erstellt und auf Begleiterkrankungen oder andere Details eingegangen, die bei der Einfahrt beachtet werden müssen. r-o-Foto: Priv.Doz. Dr. med. H.E. Langer
- Frage: „Was passiert bei plötzlich auftretendem Unwohlsein oder Platzangst?“
- Dr. Kovács: „Vor jeder Einfahrt werden die Patienten beraten und untersucht, das nimmt vielen bereits die Angst vor dem Unbekannten. Ein Arzt und speziell geschultes medizinisches Personal ist immer als Begleiter mit Ihnen im Stollen und als ständiger Ansprechpartner - nicht nur im Notfall – für Sie da.
- Sollten Beschwerden wie Schwindel, Beklemmungen, Herzrasen o.ä. auftreten, haben Sie die Möglichkeit, über einen Notrufschalter schnell einen Arzt direkt an Ihre Liege zu rufen. Dieser wird sich im Bedarfsfall umgehend und umfassend um sie kümmern und Sie ggf. zurück ins Stollenkurhaus begleiten. Natürlich besteht in einem Notfall (Kollaps, Herzinfarkt oder ähnliches) IMMER die Option, mit einem speziellen Notzug den Stollen zu verlassen. Die medizinische Versorgung ist zu allen Zeitpunkten während des Besuches im Heilstollen gewährleistet. Patienten mit Platzangst sollten jedoch von einer Einfahrt in den Heilstollen ganz absehen.“
Zusammenfassend kamen Dr. Josef Kovács und die Teilnehmer zu dem Ergebnis, dass eine Stabilisierung des Zytokinstoffwechsels, wie er in der Radon-Therapie angestrebt wird, ein sinnvoller Weg zu einer natürlichen und lang anhaltenden Schmerzfreiheit ist. Nach den umfangreichen theoretischen Erläuterungen konnten die Teilnehmer anschließend praktische Erfahrungen im Heilstollen sammeln.
rheuma-online User-Workshop 2006 vom 5. bis 8. Oktober 2006 in Bad Gastein
Kleingruppenarbeit zum Thema natürliche Therapien: Heilstollen-Therapie. Donnerstag, 5. Oktober 2006. Referent: Dr. Josef Kovács, Stellvertretender Chefarzt des Gasteiner Heilstollens