Symptom-Verheimlichung - eine neue `Nebenwirkung´ der Anti-TNF Therapie
Manche Patienten, die unter einer Therapie mit TNF-Blockern stehen, verschweigen ihrem Arzt bewußt aufgetretene Nebenwirkungen aus Angst, dass die TNF-Blocker-Therapie dann abgesetzt wird.
Fortschritte bringen oft ganz ungeahnte Probleme mit sich. So beschreibt Dr. Patrick Kiely vom St George´s Healthcare NHS in London ein ganz neues Phänomen im Zeitalter der Anti-Tumor-Nekrose- Faktor-Therapie (Anti-TNF-Therapie).
Der Arzt beobachtete bei einem Teil seiner Patienten, die auf Grund einer rheumatoiden Arthritis mit TNF-alpha-Blockern behandelt wurden, dass sie aufgetretene Nebenwirkungen verschweigen.
Er nennt dieses Phänomen `symptom concealment´ - was soviel heißt wie `Symptom-Verheimlichung´.
Kiely vermutet, dass die Patienten Angst haben, dass die TNF-Blocker-Therapie beendet wird, sobald sie ihrem Arzt von Nebenwirkungen berichten.
Kiely berichtet von praktischen Beispielen aus seinem Berufsleben. Die Spannweite der verschwiegenen Symptome reicht von Durchfällen über Hautausschläge bis hin zu lebensbedrohlichen Infektionen.
Er fordert dringend dazu auf, dass Patienten unter einer Anti-TNF-Therapie eine ausführliche Schulung erhalten. Nur geschulte Patienten können verstehen, wie wichtig es für ihre Gesundheit ist, Nebenwirkungen oder Infektionen rechtzeitig wahr zu nehmen und sich kompetente Hilfe zu holen.
Darüber hinaus entwickelte Kiely mit seinen Arbeitsteam einen Notfallausweis, so wie man es unter anderem von Patienten unter Kortisontherapie kennt. Der Patient sollte diesen Ausweis bei einer Behandlung Ärzten aller Fachrichtungen vorzeigen, um die Kommunikation mit dem behandelnden Rheumazentrum zu erleichtern und zu verbessern.
Literatur: 1. Kiely PD. Symptom concealment-a new phenomenon in patients treated with biological therapies? Rheumatology (Oxford) 2004 Jan; 43(1):114-5.
Kommentar von Priv. Doz. Dr. med. H.E. Langer:
Die Beobachtung von Dr. Kiely ist ebenso interessant wie erschütternd, denn sie zeigt, zu welchen Folgen budgetierte Gesundheitssysteme führen können, in denen nicht für jeden Patienten die Möglichkeiten für eine optimale Therapie zur Verfügung stehen und in denen jeder Arzt gezwungenermaßen froh sein muß, wenn schon wieder ein Patient aus der Versorgung mit teuren Medikamenten ausscheidet.
Wenn man aufmerksam die Situation in Deutschland betrachtet, wird man auch hier - zumindest tendenziell - beobachten können, daß wir bei der Therapie mit hochwirksamen, innovativen Medikamenten auch schon auf dem Weg zu englischen Verhältnissen sind. Eigentlich sind wir sogar schon jenseits dieser Verhältnisse, denn im staatlichen und gemeinhin als schlecht bezeichneten englischen Gesundheitssystem bekommen prozentual sehr viele mehr Patienten mit einer rheumatoiden Arthritis Medikamente aus der Gruppe der TNF-alpha-Blocker als bei uns in Deutschland. Bekanntlich haben die Deutschen es in den letzten Jahren geschafft, sich im Reformhaus Ulla auch hier an die letzte Stelle in Europa zu setzen, noch hinter Italien und Portugal.