Spanischer Wissenschaftler gewinnt Prozeß gegen MSD
Madrid, Spanien. Der spanische Wissenschaftler Professor Joan-Ramon Laporte gewinnt den Prozeß gegen die Pharmafirma Merck Sharp & Dohme (MSD). Der Wissenschaftler hatte MSD vorgeworfen, in der VIGOR-Studie die cardiovaskulären Nebenwirkungen des COX-2 Hemmers Rofecoxib (Vioxx) herunter zu spielen.
Professor Joan-Ramon Laporte veröffentlichte in der Arzneimittelzeitung `Butletti Groc´ in der Septemberausgabe 2002 einen Artikel mit der provokativen Überschrift: `Die sogenannten Vorteile von Celecoxib und Rofecoxib: Ein wissenschaftlicher Betrug´. Der Herausgeber dieser Zeitung - das Catalanische Institut für Pharmakologie – wurde daraufhin ebenso wie Laporte von MSD verklagt.
In seinem Artikel greift Laporte Ungereimtheiten bezüglich der Durchführung und Datenauswertung in der Vigor-Studie (Studie zu Rofecoxib, MSD) und in der Class-Studie (Studie zu Celecoxib, Pfizer) auf. Die beiden Studien wurden in den hochrangigen wissenschaftlichen Magazinen `The Lancet´ und dem British Medical Journal veröffentlicht.
Laporte bezichtigt die Firmen, dass wirtschaftliche Interessen zu einer Manipulation der Ergebnisse geführt haben und dass es ethische Grenzüberschreitungen im Studiendesign und in der Auswertung gebe. MSD bezeichnet diese Anschuldigungen als falsch und diffamierend.
Das Gericht sprach am 22. Januar 2004 sowohl Laporte als auch das Catalanische Institut für Pharmakologie frei. Richterin Viktoria Salcedo Ruiz verkündete, dass sich MSD – laut Lancet – des cardiovaskulären Risikos von Rofecoxib durchaus bewußt war, was zu einer bestimmten Patientenauswahl in der Studie geführt hätte. Im Urteil wird ebenfalls darauf hingewiesen, dass die amerikanische Zulassungsbehörde FDA die Firma davor gewarnt hat, im Zuge der Werbekampagne das cardiovaskuläre Risiko zu schmälern.
Das Catalanische Institut für Pharmakologie bezeichnet den Freispruch als einen Sieg für alle diejenigen, die eine unabhängige Information über Medikamente und Therapiemaßnahmen fordern. Nach Meinung des Institutes seien Studiendesign, Studiendurchführung und Auswertungen von Studien, die von der Pharmazeutischen Industrie initiiert werden, nicht ausreichend von unabhängigen Institutionen überwacht. Das führe dazu, dass Medikamente als neuartige Verbesserungen gepriesen werden, die sich bei genauerem Hinsehen nicht wirklich hinsichtlich der Wirksamkeit, der Verträglichkeit oder der Kosten von den bereits vorhandenen unterschieden. Unabhängige Informationen und Interpretationen seien notwendig, um weder die Gesundheit der Patienten noch das `finanzielle Wohlergehen´ des Gesundheitswesen zu gefährden.
MSD läßt die Anschuldigungen nicht auf sich sitzen und schlägt zurück:
MSD beanstandet, dass die Anschuldigungen von Laporte sich nahezu vollständig auf einen Artikel aus dem Jahr 2002 beziehen, der nicht dem Peer-review-Verfahren unterzogen war. Hinsichtlich des Studiendesigns, der Studiendurchführung und der Berichterstattung der VIGOR-Studie bestünden einige Ungenauigkeiten. MSD habe jedoch ebenso wie die wissenschaftliche Leitung und das Komitee zur Überwachung der cardiovaskulären Ereignisse dem Herausgeber ein Begleitschreiben bezüglich dieser Fehler zugesandt. Leider sei dieses Begleitschreiben nicht veröffentlicht worden.
Die Firma MSD verlautbart, dass sie zu jedem Zeitpunkt stets den höchsten Ansprüchen wissenschaftlicher und ethischer Korrektheit Genüge geleistet habe und immer die Sicherheit und das Wohlergehen des Patienten in den Vordergrund stelle. Die VIGOR-Studie würde diesen hohen Standart widerspiegeln und Merck würde daher alle gegenteiligen Vorwürfe von sich weisen (Originalzitat aus dem Statement von MSD: „"MSD has always been and will always be fully committed to the highest standards of scientific integrity, ethics, and protection of patient well-being in our research efforts. The VIGOR trial reflects these high standards of scientific rigor, and we reject any and all allegations to the contrary").
Die Studie sei zwar von der Firma MSD initiiert und unterstützt worden, aber die Firma habe sowohl einen Ausschuß zur Überwachung der wissenschaftlichen Durchführung der Studie sowie eine Arbeitsgemeinschaft zur Verwaltung der Daten- und der Sicherheit gestellt. Beide Ausschüsse seien aus der akademischen Forschungsgemeinschaft zusammengesetzt worden. Es sei inakzeptabel, dass die Firma MSD und diese hervorragenden Wissenschaftler in der Zeitschrift `Butletti Groc´ in Frage gestellt würden, ohne die Gelegenheit einer Gegendarstellung zu den Anschuldigungen von Professor Laporte zu erhalten.
Keywords: Laporte, Merck, MSD, Vioxx, Rofecoxib, Butletti Groc, cardiovaskulären Ereignisse, Lancet
1. Literatur: Bombardier C, Laine L, Reicin A, et al. Comparison of upper gastrointestinal toxicity of rofecoxib and naproxen in patients with rheumatoid arthritis. VIGOR Study Group. N Engl J Med 2000; 343:1520-1528.
2. [No authors cited]. Las supuestas ventajas de celecoxib y rofecoxib: fraude cientifico. Butlleti Groc 2002; 15:13-15.
3. Boers M. Seminal pharmaceutical trials: maintaining masking in analysis. Lancet 2002 Jul 13; 360(9327):100-1.
4. Juni P, Rutjes AW, Dieppe PA. Are selective COX 2 inhibitors superior to traditional non steroidal anti-inflammatory drugs? BMJ 2002 Jun 1; 324(7349):1287-8
5. Bosch X. Spanish scientist cleared: Scientific freedom of speech seen as winner in suit between drug firm and pharmacologist. Scientist February 3, 2004.
Kommentar: Wir möchten zu diesem Vorgang auch auf das Februar-Editorial verweisen, daß sich damit ebenfalls beschäftigt.