Sofortiger Therapiebeginn mit einer Basistherapie ist bei einer beginnenden rheumatoiden Arthritis für die weitere Prognose entscheidend
Ob bei Patienten mit einer beginnenden rheumatoiden Arthritis innerhalb der ersten 3 Monate mit einer langwirksamen antirheumatischen Therapie („Basistherapie“) begonnen wird oder nicht, macht sich noch 3 Jahre später im Röntgenbild bemerkbar. Daraus ergeben sich tiefgreifende Konsequenzen für zukünftige Behandlungsstrategien.
Stockholm, Schweden. Ob bei Patienten mit einer beginnenden rheumatoiden Arthritis innerhalb der ersten 3 Monate mit einer langwirksamen antirheumatischen Therapie („Basistherapie“) begonnen wird oder nicht, macht sich noch 3 Jahre später im Röntgenbild bemerkbar. Daraus ergeben sich tiefgreifende Konsequenzen für zukünftige Behandlungsstrategien.
Zunehmend zeichnet sich ab, dass sich die rheumatoide Arthritis wirksam behandeln lässt. Immer mehr wissenschaftliche Daten belegen dabei, dass ein sofortiger Therapiebeginn und eine konsequente Weiterbehandlung mit einer langwirksamen antirheumatischen Therapie, die alle modernen therapeutischen Möglichkeiten ausschöpft, für den weiteren Krankheitsverlauf und auch die Langzeitprognose von zentraler Bedeutung ist.
Die Ergebnisse einer wichtigen Studie zur Bedeutung einer sofortigen Therapie der RA stellte die österreichische Rheumatologin Dr. Valerie Nell aus der Abteilung für Rheumatologie der Universität Wien auf dem EULAR-Kongress in Stockholm im Juni 2002 vor.
Sie verglich die Krankheitsverläufe von 20 Patienten, bei denen sofort, d.h. innerhalb von 3 Monaten nach Krankheitsbeginn, mit einer Basistherapie begonnen wurde (VERA = very early RA) mit 20 anderen Patienten, bei denen die Basistherapie erst mit Verzögerung, d.h. im Mittel nach einer Krankheitsdauer von 20 Monaten, eingeleitet worden war (LERA = late early RA).
In der Folge war bei allen 40 Patienten in gleicher Weise über 3 Jahre eine Basistherapie nach identischen Behandlungsstandards durchgeführt worden. Im ersten Jahr erfolgten alle 3 Monate Messungen der Krankheitsaktivität (ACR-Response-Kriterien), anschließend alle 12 Monate. Ebenfalls alle 12 Monate wurden Röntgenuntersuchungen zur Frage der im Röntgenbild sichtbaren Gelenkzerstörung durchgeführt.
In beiden Gruppen war das Durchschnittsalter der Patienten mit 54 Jahren gleich, ebenfalls identisch war der Anteil von Frauen mit jeweils 75%. Einen positiven Rheumafaktor wiesen zu Studienbeginn 45 % der VERA- und 40 % der LERA-Patienten auf.
Wesentliche Unterschiede zeigten sich jedoch bereits nach kurzer Zeit der Behandlung bei den Krankheitsdaten. Trotz vergleichbarer Therapie war schon nach 3 Monaten bei der Krankheitsaktivität und den Messungen der funktionellen Kapazität ein signifikanter Unterschied zugunsten der sofort behandelten Gruppe erkennbar. Dieser Trend setzte sich über die gesamte Studiendauer fort. Nach 3 Jahren hatte sich die Krankheitsaktivität bei 70 % der VERA-Patienten um mindestens 20 % verbessert, gegenüber nur 40 % der LERA-Gruppe. Erosionen im Röntgenbild zeigten 15 LERA-, aber nur 7 VERA-Patienten.
Die Studie zeigt, wie wichtig eine frühe Diagnosestellung und eine unverzügliche Therapieeinleitung mit einer wirksamen antirheumatischen Therapie für das weitere Schicksal der Patienten sind. Offenbar ist gerade zu Anfang der Erkrankung das zerstörerische Potenzial der rheumatoiden Arthritis besonders hoch.
Daraus ergeben sich tiefgreifende Konsequenzen für die rheumatologische Versorgung und auch für die vielfach noch gängigen Vorstellungen zur Behandlung der RA. So wird vielfach auch heute noch von einer „Frühtherapie“ gesprochen, wenn mit einer Basistherapie innerhalb der ersten Erkrankungsjahre begonnen wurde. Die neuen Daten zeigen, dass es zu diesem Zeitpunkt bei vielen Patienten bereits viel zu spät ist und in diesem Zeitraum bereits unumkehrbare, nicht mehr reparable Schäden an den Gelenken eingetreten sind. In Zusammenschau mit anderen Studien sollten heute ebenfalls alle früheren Vorstellungen von sogenannten therapeutischen „Stufenleitern“ und ähnlichen, sehr zurückhaltenden Behandlungsansätzen zu den Akten gelegt werden.
Die neue Behandlungsstrategie in der Rheumatologie muss heißen, die rheumatoide Arthritis nicht nur früh, sondern sofort, d.h. unverzüglich, konsequent und mit hochwirksamen Medikamenten zu behandeln.
Als Konsequenz aus dieser und anderen Studien mit vergleichbaren Aussagen ergibt sich außerdem die vehemente Forderung, dass Patienten mit dem Verdacht auf eine beginnende rheumatoide Arthritis sofort in eine qualifizierte rheumatologische Diagnostik gehören. Zahlen aus Deutschland, nach denen es im Mittel 1,7 Jahre braucht, bis ein Patient mit einer rheumatoiden Arthritis einem spezialisierten Rheumatologen vorgestellt wird, darf man vor dem Hintergrund der vorgestellten Studienergebnisse fast als einen Skandal bezeichnen.