Sind junge Menschen mit Rheuma nahtlos versorgt?
Am Übergang von der Jugend- zur Erwachsenenmedizin sind Patienten mit chronisch entzündlich-rheumatischen Erkrankungen derzeit häufig unzureichend versorgt. Diese Versorgungslücke kann langjährige Therapieerfolge in kurzer Zeit zerstören, beklagen die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) und die Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie (GKJR).
Rheuma kann bereits im Kindesalter beginnen, etwa 20 000 Kinder und Jugendliche bundesweit sind hiervon betroffen. Die im Kindesalter beginnenden „juvenilen“ entzündlich-rheumatischen Erkrankungen sind keine auf das Kindes- und Jugendalter beschränkten Erkrankungen.
Bei jedem zweiten Betroffenen bleibt die rheumatische Erkrankung bis ins Erwachsenenalter aktiv und führt aufgrund anhaltender Krankheitsaktivität und Krankheitsfolgen zu Einschränkungen der Funktionsfähigkeit und Teilhabe der Betroffenen im Alltag.
Junge Rheumatiker mit noch aktiver Erkrankung bedürfen selbstverständlich auch jenseits des Jugendalters einer spezialisierten medizinischen und psychosozialen Betreuung, das heißt einer Überleitung von der pädiatrischen in die internistische Rheumatologie. Der geplante Übergang von der Kinder- und Jugendmedizin in die Erwachsenenmedizin wird als Transition bezeichnet und gehört heute zu einer guten medizinischen Betreuung chronisch kranker Jugendlicher.
Aktuelle Untersuchungen zur Versorgung junger Erwachsener mit Rheuma in Deutschland zeigen allerdings erhebliche Defizite bei der Transition. Junge Rheumatiker sind heute noch mit ungenügendem Krankheitswissen und unzureichenden Fähigkeiten hinsichtlich des Krankheitsmanagements ausgestattet.
Nur jeder zweite rheumakranke Jugendliche kann beispielsweise seine Erkrankung benennen und fühlt sich für die Einnahme seiner Medikamente selbst verantwortlich. Bestenfalls jeder Dritte weiß, was er selbst bei einem akuten Rheumaschub tun kann.
Insgesamt gelingt es etwa einem Drittel der Betroffenen nicht, einen kontinuierlichen Übergang in die Erwachsenenmedizin zu organisieren. Der Kontakt zur notwendigen Spezialbetreuung bricht ab und wird oft erst dann wieder hergestellt, wenn – möglicherweise vermeidbare – Komplikationen aufgetreten sind.
Langjährige Bemühungen zur Vermeidung von Krankheitsfolgen können so in kurzer Zeit zunichte gemacht werden. Unzureichende spezielle Betreuungsangebote für dieses besondere Patientenkollektiv spielen hier eine Rolle. Es fehlt an Zeit und Personal, um den höheren Betreuungsaufwand für einen chronisch kranken Jugendlichen beziehungsweise jungen Erwachsenen zu gewährleisten.
In Kenntnis der Schnittstellenproblematik wurden in den letzten Jahren an einigen kinderrheumatologischen Einrichtungen sogenannte Übergangs-sprechstunden etabliert, um rheumakranke Jugendliche besser auf den Übergang vorzubereiten.
Die Wirksamkeit dieser Sprechstunden wurde bisher nicht geprüft, ein allgemein akzeptiertes, standardisiertes, vor allem auch institutionell unterstütztes und finanziertes Programm zur Betreuung chronisch kranker Jugendlicher gibt es jedoch nicht.
Insofern wird die Transition derzeit allein durch lokale Initiativen und individuelles Engagement von pädiatrischen und internistischen Rheumatologen getragen, was nicht akzeptabel ist.
Die Defizite in der Versorgung spiegeln sich in einer großen Unzufriedenheit mit der Betreuung in der Erwachsenenmedizin wider, die jeder vierte, im Durchschnitt 20-jährige Rheumapatient angibt. Vor allem lange Wartezeiten auf einen Termin, kurze Konsultationszeiten und das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden, stören die jungen Rheumapatienten.
Eine nahtlose Versorgung junger Rheumatiker nach Abschluss der pädiatrischen Betreuung ist derzeit nicht gegeben. Die erkannten Versorgungsdefizite können nur durch Anerkennung der besonderen Betreuungsbedürfnisse chronisch kranker Jugendlicher, klare Empfehlungen zu Art und Umfang ihrer Betreuung und eine kostendeckende Vergütung derselben behoben werden.
Quelle:
Vortrag Dr. med. Kirsten Minden, Funktionsoberärztin an der Universitäts-Kinderklinik, Charité, Sozialpädiatrisches Zentrum (SPZ), c/o Deutsches Rheuma-Forschungszentrum (DRFZ), Berlin
Pressekonferenz anlässlich des 38. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh), Mittwoch, 15. September 2010, Hamburg