Rheumatoide Arthritis und Krebsrisiko - insgesamt nicht erhöht
Im Vergleich zu Gleichaltrigen aus der Allgemeinbevölkerung ist bei Patienten mit RA das Krebsrisiko insgesamt nicht erhöht, allerdings sieht man eine andere Verteilung mit einer erhöhten Rate an Leukämie, Non-Hodgkin-Lymphomen und Lungenkrebs. Methotrexat ist sicher und erhöht das Krebsrisiko nicht. So die Kernaussagen der spanischen EMECAR-Studie aus den Jahren 1999 bis 2005.
Die von der Spanischen Gesellschaft für Rheumatologie, der Spanischen Rheuma-Foundation und Aventis unterstützte EMECAR-Studie untersuchte in den Jahren 1999 bis 2005 in einer Kohorte von 789 zufällig ausgewählten Patienten mit rheumatoider Arthritis die Häufigkeit von neu aufgetretenen bösartigen Tumoren und die krebsbedingte Sterblichkeit. Die Daten wurden mit den entsprechenden Zahlen für die Allgemeinbevölkerung verglichen. Weiterhin wurden mögliche Einflußfaktoren für das Krebsrisiko analysiert.
Insgesamt war die Häufigkeit maligner (bösartiger) Erkrankungen in der RA-Kohorte nicht erhöht (standardisierte Inzidenz-Ratio für eine Krebserkrankung (SIR) von 1.23 (95% CI: 0.78-1.85). Im Vergleich zu gleichaltrigen Personen desselben Geschlechts sah man bei den RA-Patienten aber ein erhöhtes Risiko für Leukämie, Non-Hodgkin-Lymphome und Lungenkrebs.
Männliches Geschlecht, höheres Lebensalter, lange Krankheitsdauer und eine Medikation mit zytotoxischen Substanzen (Zellgiften, "Krebsmittel") waren Einflußfaktoren für ein erhöhtes Krebsrisiko. Dies galt nicht für Methotrexat, d.h. die Einnahme von MTX führte nicht zu einem erhöhten Risiko für eine Krebserkrankung.
Weitere unabhängige Prädiktoren für ein erhöhtes Krebsrisiko waren in der Studie erhöhte Leukozytenzahlen im Blutbild (IRR per 3000 u/mm3 Anstieg: 1.88 (95% CI: 1.6 -2.1)) sowie verminderte Hb-Werte (IRR per 2 g/l Verminderung: 1.88 (95% CI: 1.19 -2.94)).
Zusammenfassend kommen die Autoren zu dem Ergebnis, daß in dieser Kohorte von südeuropäischen Patienten mit rheumatoider Arthritis das Krebsrisiko nicht höher als erwartet ist, auch wenn man im Vergleich zur Normalbevölkerung ein erhöhtes Auftreten von hämatoproliferativen Erkrankungen (bösartige Erkrankungen des Blutes und des lymphatischen Systems) sowie von Lungenkrebs beobachtet. Als mögliches Warnsignal werden erhöhte Leukozytenwerte und verminderte Hb-Werte genannt.
Kommentar von rheuma-online:
Eine sehr wichtige Studie, die eine Entwarnung bei der immer wieder gestellten Frage bringt, ob die antirheumatische Therapie, speziell auch die Therapie mit Methotrexat, mit einem erhöhten Krebsrisiko verbunden ist. Die Autoren haben diese Frage für MTX eindeutig mit einem "Nein" beantwortet.
Dies beruhigt alle MTX-Patienten und uns behandelnde Ärzte.
Daß eine zytostatische Therapie mit einem erhöhten Krebsrisiko verbunden ist, war schon lange bekannt. Dies ist der Grund dafür, daß solche Substanzen wie beispielsweise Cyclophosphamid (z.B. Endoxan) bereits in der Vergangenheit mit extremer Zurückhaltung eingesetzt wurden und nur zur Anwendung kamen, wenn es wegen des hohen Krankheitsrisikos und wegen fehlender Alternativen nicht anders ging. Durch die modernen Behandlungsmöglichkeiten, insbesondere die Einführung der neuen, biotechnologisch hergestellten Medikamente kann heute bei der Therapie der rheumatoiden Arthritis in den meisten Fällen auf Zytostatika verzichtet werden.
Schwierig zu beurteilen ist die Beobachtung, daß erhöhte Leukozytenwerte und ein verminderter Hb-Wert mit einem erhöhten Krebsrisiko einhergehen.
Möglicherweise spielen hier krankheitsunabhängige Faktoren eine Rolle. So führt Zigarettenrauchen zu erhöhten Leukozytenwerten; ein Zusammenhang mit dem erhöhten Risiko für Lungenkrebs liegt damit durchaus nahe.
Andererseits gibt es viele Ursachen für erhöhte Leukozytenwerte bei rheumatoider Arthritis, die von der Einnahme von Cortison bis hin zu erhöhter Krankheitsaktivität der Grunderkrankung reichen. Ähnliches gilt für verminderte Hb-Werte, die in jedem Fall ein Ausdruck einer erhöhten Krankheitsaktivität bei RA sein können, aber daneben ebenso eine ganze Reihe von anderen Ursachen haben können.
Insofern sollte es nicht zu einer übermäßigen Unruhe und Sorge bei Patientinnen und Patienten mit einer rheumatoiden Arthritis kommen, bei denen diese Laborwerte für längere Zeiträume in dieser Form verändert sind.
Allerdings sollten wir Rheumatologen die Beobachtung der spanischen Autoren zum Anlaß nehmen, besonders sorgfältig auf diese Patienten zu schauen, und lieber einmal zu früh als zu spät entsprechende Vorsorgeuntersuchungen durchführen (z.B. doch einmal ein Röntgenbild der Lunge, was ja aus Strahlenschutzgründen als "Routinekontrolle" immer seltener veranlaßt wird und in dieser Indikation schon fast als überflüssige Untersuchung gilt).
Priv. Doz. Dr. med. H.E. Langer
Referenzen:
Lydia Abásolo MD, Enrique Júdez MD†, Miguel Ángel Descalzo BSc‡, Isidoro González-Álvaro MD, PhD§, Juan Angel Jover MD, PhD, Loreto Carmona MD, PhD‡ and EMECAR Study Group1
†Rheumatology Department, Hospital del Perpetuo Socorro, Albacete, Spain
‡Research Unit, Fundación Española de Reumatología, Madrid, Spain
Rheumatology Department, Hospital Clínico San Carlos, Madrid, Spain
§Rheumatology Department, Hospital de la Princesa, Madrid, Spain
Seminars in Arthritis and Rheumatism
Article in Press, Corrected Proof; online seit dem 30. Oktober 2007
Verwandte Arbeiten:
Sasha Bernatsky, MD, PhD; Ann E. Clarke, MD, MPH; Samy Suissa, PhD
Hematologic Malignant Neoplasms After Drug Exposure in Rheumatoid Arthritis
Arch Intern Med. 2008;168(4):378-381