rheuma-online special: Systemischer Lupus erythematodes (SLE)
Systemischer Lupus erythematodes: Eine heimtückische Krankheit, die vor allem junge Frauen betrifft. Anläßlich des Welt-Lupus-Tages am 10. Mai 2008 dieses rheuma-online-special mit den wichtigsten Symptomen der Erkrankung, den aktuellen Vorstellungen über die Krankheitsursache und den Chancen der modernen Therapiemöglichkeiten. Ebenfalls zum Thema Lupus: Svenjas Geschichte in den rheuma-news kompakt im rheuma-online.tv vom 11. Mai 2008.
1.) Der Begriff Lupus erythematodes
- Als „Lupus“ (lat. Wolf) bezeichnet die medizinische Fachsprache ursprünglich eine chronisch verlaufende Hautbeteiligung der Tuberkulose, eine sogenannte tuberkulöse Hautflechte, die meist das Gesicht betrifft und bei der eine chronische Entzündung wie ein Wolf die Haut zerfrisst und zu einer entstellenden Narbenbildung führt.
- Ein „Erythem“ (gr. Röte) ist eine entzündliche Rötung der Haut.
- Der Begriff „systemisch“ kennzeichnet in der Biologie und Medizin Krankheitsbilder, die ein Organsystem oder mehrere Organe in gleicher Weise betreffen oder auf sie wirken und die nicht wie örtlich begrenzte „lokale“ Erkrankungen nur auf die einzige Stelle beschränkt sind.
Wenn man diese Definitionen zugrunde legt, handelt es sich bei einem systemischen Lupus erythematodes um eine rote Wolfsflechte, die das Organsystem Haut an vielen Stellen oder aber auch andere Organe oder Organsysteme betrifft. Dieser Name des Krankheitsbildes ist allerdings genauso heimtückisch wie die Krankheit selbst. Der systemische Lupus erythematodes (abgekürzt SLE, auch Lupus genannt) hat nämlich mit der Infektionskrankheit Tuberkulose genauso wenig zu tun wie ein Wolf mit einem Schmetterling.
Im Gegensatz zu früheren Vorstellungen, nach denen die Krankheit eine Infektionsursache vermuten lässt, handelt es sich beim SLE um eine Autoimmunerkrankung (von gr. auto = eigen, selbst). Bei diesen Erkrankungen richtet sich das körpereigene Immunsystem aus Gründen, die in vielen Fällen heute noch nicht vollständig aufgeklärt sind, gegen körpereigenes Gewebe.
Der systemische Lupus erythematodes ist der Hauptvertreter aus der Krankheitsgruppe der Kollagenosen, d.h. von autoimmun bedingten, entzündlichen Bindegewebserkrankungen. Da Bindegeweben praktische überall im Körper vorkommt, kann sich die Autoimmunreaktion bei SLE im Prinzip auch überall, d.h. systemisch, im Körper auswirken. So können von einem Lupus die Haut, die Gelenke, die Lunge, das Herz, die Nieren oder das Nervensystem befallen werden.
Neben dem systemischen Lupus erythematodes gibt es Sonderformen, die nur auf die Haut beschränkt sind (kutaner Lupus erythematodes von lat. cutis = Haut, diskoider Lupus erythematodes von gr. diskus = scheibenförmig), Unterformen, die sich durch spezielle Autoimmunreaktionen auszeichnen (z.B. das Antiphospholipid-Syndrom, bei dem sich die Autoimmunreaktion gegen Oberflächenbestandteile (Phospholipide) von Blutplättchen richtet und zu Gerinnungsstörungen führt), oder lupusartige Krankheitsbilder, denen aber eine andere Ursache zugrunde liegt (z.B. Auslösung durch bestimmte Medikamente, medikamentinduzierter Lupus erythematodes).
Der Schmetterling, der fast weltweit als das graphische Symbol für den systemischen Lupus erythematodes steht, ist die Kurzbezeichnung für das charakteristische Symptom der Erkrankung, das so genannte Schmetterlingserythem. Dabei handelt es sich um eine typische Hautrötung im Gesicht, die sich schmetterlingsförmig über den Nasenrücken und beide Wangen erstreckt.
2.) Das Krankheitsbild des systemischen Lupus erythematodes (SLE)
a) Häufigkeit
Die Häufigkeit des systemischen Lupus erythematodes ist in den verschiedenen Ländern stark unterschiedlich und schwankt zwischen 100 und 500 Erkrankten pro eine Million Menschen. Schwarze und Asiaten sind häufiger befallen als Weiße. In Europa leiden etwa 25-27 von 100.000 Menschen an SLE, dagegen 49 von 100.000 in Asien und mehr als 200 von 100.000 in Afrika. In Deutschland wird die Zahl auf 45.000 Patienten geschätzt.
Die Neuerkrankungsrate liegt bei 6-8 pro 100.000 Einwohner pro Jahr. Neuerkrankungen sind im Frühjahr und Sommer besonders häufig. 90 % der Betroffenen sind Frauen. Ein Krankheitsgipfel findet sich im Alter zwischen 15 und 40 Jahren. Die Erkrankung beginnt am häufigsten zwischen dem 25. Und 35. Lebensjahr.
b) Entstehung:
Der SLE ist eine Autoimmunerkrankung. Durch einen Auslöser, der bislang noch nicht bekannt ist, kommt es zur Entwicklung von Auto-Antikörpern, d.h. von Antikörpern, die sich gegen körpereigenes Gewebe (ein körpereigenes Antigen) richten.
Für den Lupus charakteristisch sind antinukleare Antikörper (ANA) gegen Bestandteile des Zellkerns (von lat. nucleus = Kern, Zellkern), speziell gegen die Doppelstrang-DANN (anti-dsDNA-AK). Danebenkommt es zum Auftreten von weiteren Auto-Antikörpern, z.B. gegen Blutzellen oder auch gegen Nervenzellen.
In einem weiteren Mechanismus bilden sich Immunkomplexe (Antigen-Antikörper-Komplexe), die sich an den Wänden von Blutgefäßen ablagern und dort im Zusammenhang mit Proteinen Entzündungen verursachen (Vaskulitis von lat. vasculum = Gefäß).
Ganz neue Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass bei Lupuserkrankten außerdem Störungen der Apoptose vorliegen. Unter Apoptose (von gr. apoptosis = Abwurf, Niedergang) versteht man den programmierten Zelltod, der für die Aufrechterhaltung einer geregelten Körperfunktion und eines gesunden Organismus von großer Bedeutung ist.
So stellt die Apoptose u.a. sicher, dass eine Zelle den normalen Zellzyklus verlässt und ihren eigenen Untergang einleitet, wenn beispielsweise die DNA beschädigt wurde und damit die Gefahr besteht, dass entweder fehlerhafte Zellfunktionen auftreten oder aber bei der Zellteilung eine verfälschte Erbinformation weitergegeben wird.
Bei SLE und anderen Autoimmunerkrankungen tritt der programmierte Zelltod verzögert auf, so dass Zellen weiterleben, die eigentlich zum Absterben bestimmt sein sollten. Im Gegensatz zu programmiert sterbenden, apoptotischen Zellen setzen diese langsam absterbenden Zellen giftige ("toxische" von gr. toxon = Gift) Substanzen in ihre Umgebung frei und lösen dadurch ein entzündliches Signal auf Nachbarzellen und körpereigene Fresszellen (Phagozyten) aus. Der verzögerte Abtransport von abgestorbenem Zellmaterial ist vermutlich die Ursache dafür, dass es zur Bildung von Antikörpern gegen dieses Material und zur Auslösung von Autoimmunität kommt.
Der Lupus ist keine Erbkrankheit, aber bestimmte Erbanlagen können die Entstehung der Krankheit begünstigen. Hormone sollen bei der Krankheit ebenfalls eine Rolle spielen, denn 9 von 10 Lupuspatienten sind weiblichen Geschlechts. Teilweise tritt die Erkrankung auch erstmals im Verlauf einer Schwangerschaft auf.
Bei einigen Patientinnen kommt es zur Auslösung des ersten Lupusschubes, wenn sie mit der Einnahme einer Antibaby-Pille beginnen, die das weibliche Geschlechtshormon Östrogen enthält. Auch eine starke UV-Strahlung kann zur Auslösung eines Lupus-Schubes und ersten Anzeichen der Krankheit führen.
Zusätzlich glaubt man, dass Infektionen ein Auslöser sein können. Der Grund könnte darin liegen, dass eine gewünschte Abwehrreaktion des Körpers gegen die Erreger in eine irrtümliche Reaktion gegen körpereigenes Gewebe übergeht.
3.) Symptome
a) Allgemeinsymptome
Der systemische Lupus ist eine sehr facettenreiche Krankheit. Es gibt eine Vielfalt von Symptomen, da sich diese Krankheit bei jedem anders auswirkt.
Allgemeine Symptome sind eine ausgeprägte Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Lustlosigkeit und eine körperliche Schwäche. Häufig treten morgendliche Fieberschübe auf oder auch ein leichtes Frösteln. Oftmals verliert man unerklärlicherweise an Gewicht, teilweise bis zu mehreren Kilogramm. Typisch ist eine erhebliche Sonnenempfindlichkeit. Daneben besteht oft eine starke Kälteempfindlichkeit.
b) Organbeteiligung
i. Gelenkbeteiligung
Am häufigsten sind bei einem SLE die Gelenke betroffen. Gelenkschmerzen (Arthalgien, von gr. arthros = Gelenk und gr. algos = Schmerz) und Gelenkentzündungen (Arthritis), die sich mit Gelenkschwellungen und eine Funktionsbeeinträchtigung der Gelenke äußern, treten bei etwa 90 % der Betroffenen auf.
Am häufigsten sind Finger-, Hand- und Kniegelenke betroffen. Oft wird zunächst eine rheumatische Erkrankung vermutet. Im Gegensatz zur rheumatoiden Arthritis, der häufigsten entzündlich-rheumatischen Gelenkerkrankung, führen die wiederkehrenden Gelenkentzündungen beim Lupus aber sehr selten zu einer Gelenkzerstörung oder zu anderen krankhaften Veränderungen.
ii. Hautbeteiligung
Bei etwa 70 % aller Patienten geht der SLE mit einer Hautbeteiligung einher. Sie ist durch eine Vielfalt von Hauterscheinungen gekennzeichnet. Am häufigsten ist das typische Schmetterlingserythem, das zugleich auch einen der wichtigsten Hinweise auf die Diagnose gibt. Das Schmetterlingserythem tritt charakteristischerweise nach einer intensiven UV-Einstrahlung, z.B. im Zusammenhang mit Urlaub oder auch im Sonnenstudio auf und wird durch starke Sonnenbestrahlung verstärkt.
Auch die übrigen Hauterscheinungen eines SLE finden sich typischerweise im Bereich von Hautpartien, die besonders stark der Sonne ausgesetzt sind, z.B. im Dekolleté oder auf den Unterarmen.
iii. Herzbeteiligung
Eine Herzbeteiligung tritt bei etwa 35-50% der Lupuspatienten auf. Dabei können alle Teile des Herzens beteiligt sein. Am häufigsten ist die Herzbeutelentzündung (Pericarditis gr. kardia = Herz), bei der sich durch die Entzündung Flüssigkeit im Herzbeutel ansammelt und das Herz in seiner Pumpleistung stark beeinträchtigen kann (Herzbeutelerguss).
Eine ebenfalls starke Verminderung der Herzleistung geht mit einer Herzmuskelentzündung einher (Myokarditis von Myokard = Herzmuskel). Sie wird entweder durch eine Entzündung des Herzmuskels oder durch eine Entzündung (Vaskulitis) der Blutgefäße hervorgerufen, die den Herzmuskel mit Blut versorgen.
Die Herzinnenhautentzündung (Endokarditis) betrifft häufig die Herzklappen. Dabei bilden sich knötchenartige Verdickungen auf den Herzklappen (Libman-Sacks-Endorkarditis, benannt nach dem US-amerikanischen Internisten Emanuel Libman und seinem Schüler Benjamin Sacks). Die Veränderungen auf den Herzklappen behindern den ordnungsgemäßen Klappenschluss und führen dadurch ebenfalls zu einer Beeinträchtigung der Herzleistung.
Die Libman-Sacks-Endokarditis betrifft häufig Lupuspatienten mit Antiphospholipidantikörpern, d.h. eine spezielle Krankheits-Untergruppe.
Unabhängig von den genannten speziellen Herzbeteiligungen besteht bei Lupuspatienten zusätzlich ein erhöhtes Risiko für einen Herzinfarkt. Als Ursache vermutet man eine entzündliche Beteiligung der Herzkranzgefäße und eine dadurch hervorgerufene Arteriosklerose (Gefäßverkalkung) und Herzkranzgefäßverengung (koronare Herzkrankheit).
iv. Nierenbeteiligung
Die als Lupusnephritis bezeichnete Nierenbeteiligung eines SLE (Nephritis = Nierenentzündung von gr. nephron = Niere) tritt bei etwa einem Drittel der Patienten auf und ist eine gefürchtete Organbeteiligung. Man unterscheidet fünf verschiedene Formen, die ganz unterschiedlich verlaufen. Dabei gibt es hochakute Krankheitsbilder, die sehr schnell zu einer Nierenfunktionseinschränkung und zum akuten Nierenversagen führen können. Die mildeste Verlaufsform ist dagegen oft harmlos und bedarf keiner besonderen Therapie.
Eine Lupus-Nephritis macht sich im Anfangsstadium nicht durch Schmerzen oder ähnliche Symptome bemerkbar, sondern kann zu diesem Zeitpunkt nur durch Blut- und insbesondere durch Urinuntersuchungen erkannt werden.
v. Beteiligung an anderen Organen
Weitere Organe, die vom SLE betroffen sein können und auf welche Weise, sind im folgenden aufgelistet.
Die Lunge:
- Rippenfellentzündung (Pleuritis)
- Lungenentzündung (Pneumonitis im Unterschied zu einer infektiös hervorgerufenen Pneumonie)
- Lungengerüsterkrankung (geht fortschreitend zu einer Lungenfibrose über = „Vernarbung“
- Lungenembolie
Das Nervensystem:
- Eine Entzündungsreaktion in den Nervenzellen führt zu einer Durchblutungsstörung oder auch zu Einblutungen in Nervenstränge bzw. in das Gehirngewebe.
Der Bauchraum:
- Darmentzündung (Kolitis)
- Entzündungen der Bauchspeicheldrüse (Pankreatitis),
- des Bauchfells (Peritonitis) und
- der Speiseröhre
- Lebervergrößerung (Hepatomegalie)
- Entzündung der Leber (lupoide Hepatitis).
4.) Diagnose
Die Diagnose erfolgt nach typischen Symptomen und durch Blutuntersuchungen. Grundlage sind dabei die sogenannten ARA-Kriterien.
Bei den Blutuntersuchungen ist der wichtigste Test der Nachweis von dsDNA-AK, welche besonders typisch für Lupus sind.
Ein sogenanntes „Lupusband“, welches die Ablagerungen von Immunkomplexen in der Haut anzeigt, lässt sich eventuell bei der Untersuchung eines kleinen Hautstücks erkennen (Gewebeentnahme).
Eine Nierenbeteiligung wird anhand einer Urinuntersuchung und einer Nierenbiopsie (Entnahme von Nierengewebe durch eine Punktion) festgestellt.
5.) Therapie
Der systemische Lupus wird in der Akutsituation mit Cortison behandelt. Cortison ist der stärkste Entzündungshemmer, den wir derzeit kennen. Cortison hat aber keine anhaltende Wirkung. In der Regel kommt es nach Absetzen des Cortisons wieder zu einer Rückkehr der Symptome und der entzündlichen Veränderungen im Blut.
Um die Krankheit dauerhaft in den Griff zu bekommen, müssen Medikamente eingenommen werden, die die gestörte Immunreaktion unterdrücken. Am harmlosesten sind Malariamittel, welche auch gerne verschrieben werden.
Allerdings sind sie oft nicht ausreichend. und es müssen Immunsuppressiva angewandt werden, die eine Immunreaktion abschwächen oder vollständig unterdrücken.
Wenn schwere Organbeteiligungen vorliegen, z.B. Gehirn- und Nierenbeteiligungen, werden sogar Zytostatika verschrieben. Dies sind Zellgifte, die das Zellwachstum bzw. die Zellteilung hemmen. Sie werden auch für die Krebstherapie eingesetzt.
Sind die Nieren so stark beschädigt, dass sie ihre Funktion nicht mehr erfüllen können, wird entweder eine Dialyse durchgeführt (Blutreinigungsverfahren) oder die Nieren müssen durch eine Spenderniere ersetzt werden (Organtransplantation).
Früher war die Prognose eines systemischen Lupus erythematodes oftmals sehr ungünstig. Dies hat sich heute glücklicherweise geändert. Durch die verbesserten Möglichkeiten der Diagnostik wird die Erkrankung früher erkannt, und durch die modernen Therapieverfahren können Remissionen, d.h. Beschwerdefreiheit und Rückbildung der Krankheitszeichen, selbst bei schweren und schwersten Krankheitsbildern erreicht werden. Voraussetzung dafür ist allerdings eine qualifizierte Betreuung, in der Regel durch einen spezialisierten internistischen Rheumatologen.
Weitere Informationen zum Thema und Links
10. Mai - Heute ist Welt-Lupus-Tag. rheuma-news vom Samstag, 10.05.2008
Svenjas Geschichte. rheuma-online.tv vom 11.05.2008