Rheuma-Medikamente auf dem staatlichen Prüfstand: DGRh fordert, bei Biologika-Bewertung Patientennutzen in den Mittelpunkt zu stellen
Bochum – Experten der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) zufolge ist der Nutzen der meisten zugelassenen gentechnisch erzeugten Medikamente, der sogenannten Biologika, gut belegt. Das zeigen auch die Ergebnisse des deutschen Biologika-Registers RABBIT, das fast 11 000 Menschen mit rheumatoider Arthritis (RA) und anderen rheumatischen Erkrankungen einschließt. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) berücksichtigt bei seiner zur Zeit vorgenommenen Bewertung der Biologika die Ergebnisse dieses Registers nicht. „Eine solch überzeugende Datenlage methodisch abzulehnen, können wir als rheumatologische Fachgesellschaft nicht verstehen“, erklärt Professor Dr. med. Jürgen Braun, Präsident der DGRh, der das große Rheumazentrum in Herne leitet.
Die Ergebnisse des RABBIT-Registers seien nicht nur in Bezug auf den Nutzen der Biologika eindeutig, sondern auch bezüglich der Sicherheit, was nicht nur im Hinblick auf Begleiterkrankungen wichtig sei. Auch alters- und genderspezifische Gesichtspunkte berücksichtigt das Register. Vom 19. bis 22. September 2012 diskutieren Experten auf dem 40. Kongress der DGRh über neueste Erkenntnisse in der Therapie des entzündlichen Gelenkrheumas.
Im Zuge des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes (AMNOG) müssen die Pharmafirmen den Nutzen neu zugelassener Therapien im Vergleich zu bestehenden Behandlungs-möglichkeiten belegen, wenn die gesetzlichen Krankenkassen diese erstatten sollen. Im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) prüft das IQWiG zurzeit den Nutzen von Biologika bei RA-Patienten, wenn Standardtherapien versagen (‚Zweitlinientherapie‘). Die neun zugelassenen Biologika zeigen größtenteils einen Zusatznutzen im Vergleich zu herkömmlichen Therapien, ließ das IQWiG Ende Juni 2012 in einem Vorbericht verlauten.
DGRh fordert RABBIT-Registerdaten anzuerkennen
Die DGRh begrüßt diese Beurteilung, kritisiert jedoch grundsätzlich, dass Ergebnisse von RABBIT und anderen europäischen Registern (zum Beispiel aus Schweden, England, Spanien) nicht beachtet werden. Das IQWiG berücksichtigt ausschließlich Direktvergleiche und plazebokontrollierte Studien. Jedoch entsprechen nur etwa ein Drittel der Probanden in Zulassungsstudien der ‚real life‘-Studienpopulation des RABBIT-Registers.
„Die Datenbewertung des IQWiGs spiegelt den Nutzen für RA-Patienten daher nur partiell und insgesamt nicht realitätsnah wider“, warnt Braun. Bei chronisch erkrankten Rheuma-Patienten mit regelmäßigen Entzündungsschüben sei es ethisch nicht vertretbar, Doppelblindstudien durchzuführen, damit sie das IQWiG berücksichtigt. Gerade im Hinblick auf vom IQWIG selbst geforderte Daten zur Sterblichkeit und (Ko)Morbidität müssten die europäischen Registerdaten beachtet werden. „Daher fordert die DGRh, dass das IQWiG auch Ergebnisse der Versorgungs-forschung in seine Bewertung einbezieht,“ betont Braun.
Denn die RABBIT-Daten zeigen, dass die Sterblichkeit der mit Biologika behandelten Patienten im Vergleich zu konventionellen Therapien geringer ist. Die Zahl schmerzhafter, geschwollener Gelenke nehme im historischen Vergleich zu den Daten von vor zehn Jahren ab. Zudem konnten Ärzte und Patienten Glukokortikoide einsparen – Beides ein Zeichen einer im Mittel geringeren Krankheitsaktivität, erklären die DGRh-Experten.
Biologika vermindern damit auch Folgeerkrankungen wie Herz- und Gefäßleiden und eine dadurch bedingte kürzere Lebenserwartung bei RA-Patienten. „Leider hat das IQWiG seine negative Haltung zu Registern trotz dieser Fakten bei der vor wenigen Tagen erfolgten Experten-Anhörung zum Biologika-Nutzen ungeachtet aller von der DGRh und weiteren Experten vorgebrachten Argumente nochmals bekräftigt“, sagt Professor Dr. med. Klaus Krüger, Sprecher der Kommission Pharmakotherapie der DGRh, München.
Günstigere Preise für Biologika verhandeln
Ein anderes Problem seien die hohen Kosten: Eine Biologika-Therapien kostet die Krankenkassen bis zu 20 000 Euro pro Jahr und Patient. Auch deshalb sei es wichtig, dass der G-BA den Zusatznutzen der Biologika anerkennt. „Erst dann können Krankenkassen mit den Pharmafirmen die Preise neu verhandeln“, erklärt Braun und geht davon aus, dass die Medikamente in Zukunft günstiger werden. Dies liege auch daran, dass in den nächsten Jahren bereits Generika (Biosimilars) auf den Markt kämen.
Die Rolle der DGRh als medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaft bestehe darin, dem IQWIG und damit dem G-BA Empfehlungen auszusprechen und diese Organisationen erfahrungsbasiert zu beraten. Denn diese Ebene fehlt bei sozialwissenschaftlich orientierten Herangehensweise auf der reinen Basis von Evidence based Medicine (EBM). Welche Therapiestrategien die DGRh anhand ihrer Erfahrungen und der Registerdaten bei RA empfiehlt, ist auch Teil einer neuen Leitlinie, die Experten auf der Pressekonferenz am Donnerstag, dem 20. September 2012, im Rahmen des 40. Kongress der DGRh vorstellen.
Literatur:
Braun J, Krueger K, Genth E. Stellungnahme zum IQWIG. Z Rheumatol 2011 Dec; 70(10): 882–3
Terminhinweise:
Vortrag im Rahmen des DGRh-Kongresses:
Biologika-Register in- und außerhalb der Rheumatologie – Erfahrungen,
Ergebnisse, Entwicklungen
Termin: Samstag, 22. September 2012, 8.30 bis 10.00 Uhr
Ort: RuhrCongress Bochum
Quelle
Pressemitteilung
Kathrin Gießelmann/Christina Seddig
Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh)
Kongress-Pressestelle