Remicade-Warnhinweis: Jetzt bitte keine Panik!
Das Paul-Ehrlich-Institut (eine Bundesbehörde, die u.a. auch für die Arzneimittelsicherheit bei bestimmten Arzneimittelgruppen zuständig ist), hat am Freitag, dem 1. Februar 2002, die Änderung der Zulassung für Remicade (Infliximab) bekanntgegeben. Da dies mit Hilfe einer Notfallmaßnahme, der sogenannten 'Urgent Safety Restriction' (USR) geschah, kam es verständlicherweise in Verbindung mit den entsprechenden Berichten in der Presse zu einer erheblichen Aufregung unter den Patienten, die mit Remicade behandelt werden. Ein kleiner Ausschnitt aus der laufenden Diskussion ist ja in rheuma-online im Rheuma-Forum / Erfahrungsaustausch zu sehen.
Hintergrund der Zulassungsänderung sind Arzneimittelrisiken, die im Verlauf der Anwendung von Remicade® bekannt wurden. So sind von 1998 (Erstzulassung in den USA) bis Mitte 2001 weltweit 202 Todesfälle aufgetreten, bei rund 200.000 Patienten, die mit Remicade® behandelt wurden. Fast die Hälfte dieser Fälle waren die Folge von schweren Infektionen, darunter auch Fälle von Tuberkulose.
Jeder einzelne dieser Todesfälle ist natürlich schrecklich. Damit die Zahl aber eine Relation bekommt: Aus dem amerikanischen ARAMIS-Register (eine sehr umfangreiche rheumatologische Datenbank, in der im Verlauf von vielen Jahren die Krankheits- und Behandlungsdaten von amerikanischen Rheumapatienten dokumentiert werden), liegt beispielsweise eine Hochrechnung vor, dass es jährlich in den Vereinigten Staaten zu etwa 16.500 (!!!) Todesfällen in der Folge von Nebenwirkungen der sogenannten nicht-steroidalen Antirheumatika gibt (das ist die Gruppe der cortisonfreien Entzündungshemmer, mit der bekanntlich fast jeder Rheumapatient behandelt wird). Wenn man es einmal aus dieser Perspektive betrachtet, liegen die eigentlichen Risiken der Rheumatherapie nicht im Bereich der langwirksamen antirheumatischen oder remissionsinduzierenden, krankheitskontrollierenden Substanzen, sondern im Bereich der sogenannten symptomatischenTherapien. Dies ist ein Gesichtspunkt, der bei der Nutzen-Risiko-Abwägung von hochwirksamen Rheumamedikamenten auf keinen Fall aus den Augen verloren werden sollte. Nicht zuletzt auch deshalb, weil man beispielsweise für die chronische Polyarthritis / rheumatoide Arthritis sehr genau weiss, dass sie im Fall einer unzureichenden Behandlung allein als Krankheit selber mit einem sehr hohen Sterblichkeitsrisiko und einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung einhergeht.
Remicade ist ein hochwirksames Medikament, dass wie alle hochwirksamen Medikamente natürlich auch das Risiko unerwünschter und zum Teil auch sehr gefährlicher möglicher Nebenwirkungen beinhaltet. Nicht zuletzt deshalb gibt es ja in Deutschland für die Therapie rheumatischer Erkrankungen auch die Empfehlung, dass dieses Präparat nur durch rheumatologisch sehr erfahrene Ärzte, in der Regel internistische Rheumatologen, eingesetzt werden sollte.
Den Rheumatologen, die regelmäßig Kongresse besuchen und die sich auch sonst kontinuierlich fortbilden, war das Risiko von Remicade schon länger bekannt. Deshalb werden von uns auch besondere Vorsichtsmaßnahmen bei der Anwendung von Remicade getroffen. Beispielsweise wurde die jetzt vom Paul-Ehrlich-Institut bewirkte Zulassungsänderung, dass vor der Anwendung von Remicade eine Untersuchung auf Tuberkulose zu erfolgen hat, von allen mir bekannten internistischen Rheumatologen schon seit langem insofern in der Praxis vorweggenommen, als entsprechende Untersuchungen vor der Einleitung einer Remicade-Therapie durchgeführt wurden.
Außerdem sind uns die speziellen Risiken von Remicade schon aus den Zulassungsstudien und dem Sicherheitsmonitoring in der praktischen Anwendung bekannt. Alle mir bekannten rheumatologischen Anwender von Remicade sind deshalb für diese möglichen Komplikationen sensibilisiert und überwachen ihre Patienten entsprechend engmaschig. In meinem speziellen Erfahrungshorizont ist die Anwendung von Remicade unter den entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen eine vergleichsweise sichere Therapie und geht aus meiner Sicht auf keinen Fall über das Risiko früher angewendeterer Behandlungsmaßnahmen wie beispielsweise einer Behandlung mit Zytostatika hinaus, sondern dürfte sogar weit darunter liegen.
Dem Paul-Ehrlich-Institut wurden aus Deutschland bis zum 31.12.2001 im Rahmen der Spontanerfassung 29 Todesfälle gemeldet sowie vier Fälle von Tuberkulose. Dabei muss man jedoch nach Aussage des Paul-Ehrlich-Instituts bedenken, dass nicht bei allen Berichten mit tödlichem Ausgang ein Zusammenhang mit Remicade® zu sehen ist. Einige Patienten sind offensichtlich an anderen Erkrankungen oder an der Grunderkrankung verstorben. Zehn der Todesfälle traten nach einem sogenannten 'Off-label-Use' auf, also einer Anwendung außerhalb der zugelassenen Indikation. In den meisten dieser Fälle litten die Patienten unter lebensbedrohlichen Erkrankungen, so dass Remicade® dort offenbar als letzte zur Verfügung stehende Behandlungsmöglichkeit eingesetzt wurde.
Das Paul-Ehrlich-Institut bewertet insgesamt trotz dieser Risiken das Nutzen-Risiko-Verhältnis für Remicade® unter Berücksichtigung der vorgenommenen Zulassungsänderungen weiterhin als positiv.
So in der Pressemitteilung:
"Remicade® leistet einen wichtigen Beitrag in der Therapie der rheumatoiden Arthritis und des Morbus Crohn. ... Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass andere Therapien bei Patienten, die Remicade® erhalten, nicht angeschlagen haben."
Die Europäische Zulassungsbehörde (EMEA) bewertet Remicade in entsprechender Weise.
Alle Patienten, die bislang mit Remicade behandelt wurden, das Präparat gut vertragen haben und bei denen durch diese Behandlung eine gute Wirkung erzielt wurde, sollten sich durch die Pressemitteilung des Paul-Ehrlich-Instituts, die Berichte in der Presse und auch die Zulassungsänderung nicht verunsichern lassen. Insbesondere sollte eine Therapie mit Remicade nicht aus diesem Grund abgebrochen werden. Allerdings sollten Sie Ihre verständlichen Sorgen bei Ihrem behandelnden Arzt ansprechen und gemeinsam eine Strategie für das Sicherheitsmonitoring entwickeln, mit der das Risiko der Remicade-Therapie so weit wie möglich minimiert wird.
Die Pressemitteilung des Paul-Ehrlich-Instituts im Original:
Schwerwiegende Nebenwirkungen führen zur Änderung der Zulassung des Arzneimittels Remicade®
Mit Hilfe einer Notfallmaßnahme, der sogenannten 'Urgent Safety Restriction' (USR), ist am Freitag, 01. Februar 2002, eine Änderung der Zulassung für das Arzneimittel Remicade® (Infliximab) in Kraft getreten (siehe Anhang). In die Zulassungsänderung sind die Ergebnisse eines Expertengesprächs bei der Europäischen Arznei-mittelagentur EMEA eingegangen, an dem das Paul-Ehrlich-Institut maßgeblich beteiligt war. Remicade® ist ein monoklonaler Antikörper, der von der EU-Kommission für die Behandlung von zwei chronisch entzündlichen Erkrankungen zugelassen wurde (Morbus Crohn, eine Darmerkrankung, im August 1999, und rheumatoide Arthritis, eine Form von Gelenkentzündung, im Juni 2000). Die Indikationen umfassen nur solche Fälle, in denen die Patienten auf andere Therapieformen nicht oder nur unzureichend angesprochen haben. Die Essex Pharma GmbH informiert die Fachkreise mittels eines sogenannten 'Rote-Hand-Briefes' über die Zulassungsänderung. Die EMEA stellt auf Ihrer Homepage in einem 'Public Statement' ausführliche Informationen zu dieser Maßnahme zur Verfügung (http://www.emea.eu.int/pdfs/human/press/pus/003202.pdf) Das Paul-Ehrlich-Institut wird auf seiner Homepage Informationen für Ärzte und Apotheker anbieten. (http://www.pei.de/professionals/remicade_2002.htm) Der Grund für die Zulassungsänderung sind Arzneimittelrisiken, die im Verlauf der Anwendung von Remicade® bekannt wurden. So sind von 1998 (Erstzulassung in den USA) bis Mitte 2001 weltweit 202 Todesfälle aufgetreten, bei rund 200.000 Patienten, die mit Remicade® behandelt wurden. Fast die Hälfte dieser Fälle waren die Folge von schweren Infektionen, darunter auch Fälle von Tuberkulose. Wegen des Auftretens von Tuberkuloseerkrankungen hatte die EMEA bereits am 14. Dezember 2000 mittels einer USR die Fachinformation in den Rubriken 'Warnhinweise' und 'Nebenwirkungen' ergänzt (siehe dazu PEI-Homepage: www.pei.de/professionals/remicade_info.htm). Jetzt hat die EMEA die Warnhinweise zu Tuberkulose erneut umfangreich geändert. Bevor die Therapie mit Remicade® begonnen wird, muß jeder Patienten auf eine aktive oder inaktive (latente) Tuberkulose untersucht werden.
Dem Paul-Ehrlich-Institut wurden aus Deutschland bis zum 31.12.2001 im Rahmen der Spontanerfassung 29 Todesfälle gemeldet sowie vier Fälle von Tuberkulose. Dabei muss man jedoch bedenken, dass nicht bei allen Berichten mit tödlichen Ausgang ein Zusammenhang mit Remicade® zu sehen ist. Einige Patienten sind offensichtlich an anderen Erkrankungen oder an der Grunderkrankung verstorben. Zehn der Todesfälle traten nach einem sogenannten 'Off-label-Use' auf, also einer Anwendung außerhalb der zugelassenen Indikation. In den meisten dieser Fälle litten die Patienten unter lebensbedrohlichen Erkrankungen, so dass Remicade® dort offenbar als ultima ratio eingesetzt wurde.Remicade® leistet einen wichtigen Beitrag in der Therapie der rheumatoiden Arthritis und des Morbus Crohn. Daher bewertet die EMEA unter Berücksichtigung der vorgenommenen Änderungen das Nutzen-Risiko-Verhältnis für Remicade® nach wie vor positiv. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass andere Therapien bei Patienten, die Remicade® erhalten, nicht angeschlagen haben. Das Paul-Ehrlich-Institut arbeitet derzeit gemeinsam mit behandelnden Ärzten an einer Veröffentlichung des Nebenwirkungsprofils von Remicade®. Basis dafür sind die Meldungen, die das PEI aus Deutschland erhalten hat.
Anhang: Änderung der Zulassung von Remicade®
- Indikationseinschränkung bei der Behandlung von Morbus Crohn
- Umfassende Änderung des Warnhinweises (insbesondere in Hinblick auf Infektionen, Tuberkulose)
- Hinweis auf besondere Vorsicht bei Patienten mit Herzinsuffizienz
- Bestimmte Stadien der Herzinsuffizienz stellen eine Kontraindikation dar.
- Ab 01.02.2002 muss jeder Packung Remicade® eine Remicade®- Hinweiskarte für Patienten beigelegt werden. Sie enthält wichtige allgemeine Sicherheits-Informationen und individuelle Therapie-Angaben des Patienten.