Radiosynoviorthese: Führt der neue "Einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM 2000Plus)" zu einer weiteren Verschärfung der Zwei-Klassen-Medizin bei Rheuma-Patienten?
Die Radiosynoviorthese (RSO) ist gefährdet. Diese Befürchtung äußert die Deutsche Gesellschaft für Nuklearmedizin e.V. in ihrer aktuell erschienenen Pressemitteilung. Mit einem außergewöhnlichen Schritt ruft sie alle Patienten auf, zusammen mit ihr für den Erhalt dieser wichtigen Behandlungsmethode zu kämpfen.
Die Radiosynoviorthese (RSO) ist gefährdet. Diese Befürchtung
äußert die Deutsche Gesellschaft für Nuklearmedizin e.V. in ihrer aktuell
erschienenen Pressemitteilung.
Würde der neue sogenannte Einheitliche Bewertungsmaßstab "EBM 2000 Plus" wie
in der jetzt vorliegenden Fassung von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung
(KBV) verabschiedet, so die nuklearmedizinische Gesellschaft, ginge für
Rheumapatienten vermutlich ein wichtiges Behandlungsverfahren verloren -
zumindest, wenn sie bei einer gesetzlichen Krankenkasse versichert sind.
Die Radiosynoviorthese (RSO) ist eine Behandlungsmethode, mit der einzelne,
besonders schwer betroffene Gelenke behandelt werden können (siehe dazu auch
unseren Beitrag in unserer Rubrik: "Was ist eigentlich..." ). In der
Pressemitteilung der Gesellschaft für Nuklearmedizin wird der Eingriff ganz
gut erklärt. Deshalb geben wir diese Passage im folgenden im Wortlaut
wieder:
"Bei diesem nuklearmedizinischen Verfahren, das bereits seit mehr als
dreißig Jahren erfolgreich angewendet wird, werden die entzündlichen und
sehr schmerzhaften Wucherungen der Gelenkschleimhaut (Synovia) mit Hilfe
sogenannter Radionuklide bekämpft und so der Entzündungsprozess oft über
Jahre gestoppt.
Radionuklide sind radioaktiv markierte Substanzen, deren Strahlung im Gelenk
bis zu 11 Millimeter weit reicht. Nach der Injektion direkt ins Gelenk
werden durch diese Strahlen die krankhaft wuchernden Zellen abgetötet, ohne
dass das umliegende Gewebe in Mitleidenschaft gezogen wird. Die Behandlung
kann ambulant durchgeführt werden. Lediglich ein Ruhigstellen des
betroffenen Gelenkes ist anschließend notwendig.
Die Radiosynoviorthese ist ein wichtiger Baustein im Behandlungskonzept
vieler Rheumapatienten, bei denen die Basismedikation allein nicht mehr
ausreicht, um besonders heftig in Mitleidenschaft gezogene Gelenke zu
behandeln. Hier sorgt die RSO nicht nur für Linderung von Schmerz und
Schwellung und eine Verbesserung der Beweglichkeit. Sie kann auch häufig
eine operative Gelenkversteifung oder Prothese noch erheblich hinauszögern."
Die nuklearmedinische Gesellschaft verweist nun auf die Probleme, die mit
den geplanten Regelungen in der neuen Vergütungsordnung für Kassenärzte
verbunden sind:
"Durch die Neuregelungen im EBM 2000 Plus wird dieses Verfahren jedoch für
Nuklearmediziner zu einem drastischen Zuschussgeschäft, das einige Praxen
ganz aus ihrem Leistungsangebot werden streichen müssen, andere nur noch
ihren Privatpatienten anbieten können. Denn für einige Gelenke übersteigen
allein die Radionuklidkosten die von den Kassen erstattete Summe um mehr als
das Doppelte. Im Extremfall werden z. B. 200 DM (102,26 EUR) für die RSO
eines Hüftgelenks mit 5 mCi Rhenium-186 erstattet. Der Nuklearmediziner hat
jedoch 584,05 DM (298,62 EUR) an die Lieferfirma zu überweisen.
Außerdem ist vorgesehen, dass täglich pro Patient nur ein Gelenk behandelt
werden darf. Was als kostensenkende Maßnahme gedacht ist, führt aber
lediglich dazu, dass Patienten mehrfach einbestellt werden müssen, wenn -
was häufig der Fall ist - mehrere Gelenke behandelt werden sollen. Gerade
bei Rheumapatienten ist dies nicht nur eine Zumutung für die Schmerzen
leidenden Betroffenen, sondern es generiert auch neue Kosten."
Die Gesellschaft für Nuklearmedizin ruft alle Patienten auf, zusammen mit
ihr für den Erhalt der Radiosynoviorthese auch als Behandlungsmaßnahme bei
Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung ("Kassenpatienten") zu
kämpfen.
Sie hat sich dazu sogar zu dem außergewöhnlichen Schritt entschlossen, nicht
mehr nur bei den Verantwortlichen der kassenärztlichen Bundesvereinigung
(KBV) selbst zu intervenieren. Sie wendet sich nunmehr auch in einem offenen
Brief direkt an die betroffenen Patienten, die auf die Verfügbarkeit der
Radiosynoviorthese angewiesen sind (der offene Brief ist auch unter
www.nuklearmedizin.de zu finden).
Weitere Informationen:
DGN e. V., Pressestelle
Heike Jordan
Tel. 0551/370753-85
info@nuklearmedizin.de
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(Der offene Brief im Original-Text)
Berufsverband Deutscher Nuklearmediziner
Arbeitsgemeinschaft Radiosynoviorthese
Deutsche Gesellschaft für Nuklearmedizin
Arbeitsgemeinschaft Therapie
Offener Brief an unsere Patienten:
Radiosynoviorthese nur noch für Privatpatienten?
Wehren Sie sich!
Sehr geehrte Patientin, sehr geehrter Patient,
leidvolle Erfahrungen mit Rheuma und anderen entzündlichen
Gelenkerkrankungen sind Ihnen nicht erspart geblieben. Im Kampf gegen die so
schmerzhaften Gelenkzerstörungen mit Bewegungseinschränkungen haben Sie
jedoch unverzichtbare Verbündete gefunden:
* Am wichtigsten ist zunächst die antirheumatische
Basismedikation. Dank der Fortschritte in der medikamentösen Therapie
gelingt es heute zumeist, die Lebensqualität auf einem ertragbaren Niveau zu
halten.
* In manchen Fällen lässt es sich nicht vermeiden, zusätzlich
die Hilfe des Rheumaorthopäden oder -chirurgen in Anspruch zu nehmen.
* Bislang konnten Sie sich auch auf den Dritten im Bunde gegen
den "Krieg im Gelenk" verlassen: die Radiosynoviorthese (RSO), ein
nuklearmedizinisches Verfahren zur Behandlung einzelner, besonders stark
betroffener Gelenke. Sie haben erlebt, wie das jeweils behandelte Gelenk
eine ganz wesentliche Linderung von Schmerz und Schwellung und Verbesserung
der Beweglichkeit erfuhr, oft für viele Jahre. Und wie auf diese Weise eine
Intensivierung der medikamentösen Therapie oder gar eine operative
Gelenkversteifung oder -prothese vermieden werden konnte.
Zusätzlich zu der Krankheit, unter der Sie ohnehin schon genug leiden, ist
jetzt ein weiterer Gegner Ihrer Gesundheit aufgetaucht: die Kassenärztliche
Bundesvereinigung (KBV), die Vertretung aller Kassenärzte in der
Bundesrepublik. Die KBV hat den Auftrag, einen neuen Gebührenkatalog für
alle Kassenärzte (EBM = Einheitlicher Bewertungsmaßstab) zu erstellen, in
dem für jede medizinische Leistung angegeben ist, wie viel Ihr Arzt dafür
mit den gesetzlichen Krankenkassen abrechnen darf. Dieser "EBM 2000 Plus"
soll "im Schweinsgalopp über die Hürden" (Deutsches Ärzteblatt) gejagt
werden und Januar 2003 in Kraft treten. Dabei ist Folgendes beabsichtigt:
* Nur ein einziges Gelenk pro Tag darf mit der RSO behandelt werden,
so dass Sie gegebenenfalls mehrmals einbestellt werden müssen.
* Die (Material-)Kosten für Radionuklide werden dem Arzt gesondert mit
einer Pauschale vergütet. Im Extremfall werden z. B. 200 DM (102,26 EUR) für
die RSO eines Hüftgelenks mit 5 mCi Rhenium-186 erstattet. Der
Nuklearmediziner hat jedoch 584,05 DM (298,62 EUR) an die Lieferfirma zu
überweisen. Für die meisten Gelenke, u. a. auch das in Deutschland am
häufigsten behandelte Kniegelenk, ist die Pauschale nicht kostendeckend,
sondern ein erschreckend unzureichender Zuschuss.
* Ein Ausgleich des Defizits über die Vergütung der (neu eingeführten)
"ärztlichen Leistung (AL)" und "technischen Leistung (TL)" ist wegen einer
krass abgefallenen Bewertung unmöglich. Wie Sie wissen, ist die Injektion
des Radionuklids nicht eine simple Gelenkpunktion, sondern meist mit
Durchleuchtung, Kontrastmitteluntersuchung und Röntgendokumentation
verbunden. Dieser in der medizinischen Leitlinie vorgeschriebene Aufwand,
welcher der RSO ihren hohen, fast völlig nebenwirkungsfreien
Qualitätsstandard garantiert, ist im neuen EBM unberücksichtigt (und damit
aus betriebswirtschaftlicher Sicht nicht mehr zu leisten).
Alle diese dramatischen Änderungen bedeuten das Aus für die
Radiosynoviorthese -: für Kassenpatienten. Und die Ärzte werden vom Eid zum
Meineid des Hippokrates vergewaltigt.
Seien Sie sicher: Wir Nuklearmediziner wollen Ihnen auch weiterhin helfen
und unternehmen alles, um diesen wahrlich verantwortungslosen Unfug der KBV
zu verhindern. Vermutlich werden wir keinen Erfolg haben, und rechtliche
Schritte sind zu langwierig.
Als betroffener Patient können Sie sich jetzt nur selbst helfen!
Schreiben Sie einen kurzer Protestbrief, in dem Sie die bisherige Bedeutung
der RSO und die schlimmen Konsequenzen der neuen Vorschriften für Ihr ganz
persönliches Leben schildern, an folgende Adresse:
An die
Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV)
z.Hd. Stellvertr. Hauptgeschäftsführer Dr. Köhler
Herbert-Lewin-Str. 3
50931 Köln
Nur so, nur mit Ihrer Notwehr als Patient, kann die Gleichgültigkeit der KBV
gegenüber dem Schicksal der Kranken durchbrochen werden. Diese
Patientenaktion findet bundesweit statt, und sie wird in unserer Demokratie
nur funktionieren, wenn sich jeder Betroffene engagiert. Sprechen Sie Ihren
Arzt darauf an, suchen Sie auch Kontakte zu anderen Patienten, zu Verbänden,
zu Politikern - es stehen Wahlen bevor! -, schicken Sie Kopien an diese
Stellen. Evtl. Kopien an uns möchten wir dazu benutzen, die Medien
bundesweit für die exemplarische Groteske in diesem kranken
Gesundheitssystem zu interessieren.
Man erduldet nur das, was man sich gefallen lässt!
Mit freundlichen Grüßen
Im Juli 2002
Im Auftrag:
Prof. Dr. med. Gynter Mödder
Max-Planck-Str. 27 a
50858 Köln Tel:
02234/23024
Fax: 02234/23025
Mehr zur Radiosynoviorthese im Internet: www.radiosynoviorthesis.com
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