r-o-special: Leflunomid
Neue Behandlungsmethoden haben die Prognose der rheumatoiden Arthritis wesentlich verbessert. Mit neuen Medikamenten kann zielgerichtet in Mechanismen der Krankheitsentstehung eingegriffen und ein Fortschreiten der Erkrankung gehemmt werden. Im günstigsten Fall sind sogar anhaltende Remissionen möglich. Thema dieses r-o-Specials ist Leflunomid, eine in Deutschland entwickelte neuartige Substanz, die als krankheitsmodifizierendes Medikament eine wichtige Rolle bei den modernen rheumatologischen Therapiekonzepten spielt.
Die rheumatoide Arthritis äußert sich als eine chronisch verlaufende entzündliche Erkrankung im Bereich vieler Gelenke und anderer Strukturen des Bewegungssystems wie Sehnen und Schleimbeuteln. Außerdem kann sie innere Organe und Organsysteme wie Herz, Lunge, Leber oder Niere, das Nervensystem oder die Augen befallen. Im Verlauf kommt es zu einer fortschreitenden Gelenkzerstörung mit der Entwicklung von Gelenkfehlstellungen, Bewegungseinschränkungen und einer zunehmenden Behinderung. Die chronische Krankheit und die Behinderung führen zu tiefgreifenden Auswirkungen auf das tägliche Leben und gehen mit einer nachhaltigen Verminderung der Lebensqualität und einer erheblichen Einbuße an gesellschaftlicher Teilhabe einher.
Die Häufigkeit einer rheumatoiden Arthritis beträgt in der erwachsenen Bevölkerung etwa 1%. Damit sind in Deutschland rund 800.000 Menschen von einer rheumatoiden Arthritis betroffen. Mit etwa 70% ist der Anteil an Frauen deutlich erhöht.
Die genaue Krankheitsursache der rheumatoiden Arthritis ist unbekannt. Man vermutet eine ererbte Veranlagung, die in Verbindung mit einer Reihe von äußeren Faktoren zu einer Fehlregulation des Immunsystems und einer sogenannten Autoimmunreaktion führt. Forschungsergebnisse haben wesentlich zum Verständnis der entzündlichen Prozesse bei der rheumatoiden Arthritis beigetragen. Dadurch ist es heute möglich, mit Medikamenten gezielt in Schlüsselprozesse der Krankheitsentstehung einzugreifen und die Erkrankung langfristig zu kontrollieren.
Remission, d.h. das Fehlen von Symptomen und Krankheitszeichen, ist deshalb das neue Therapieziel in der Rheumatologie. Bahnbrechende Fortschritte in der medikamentösen Therapie spielen dabei eine wichtige Rolle. Eine in Deutschland entwickelte neuartige Substanz zur Therapie der rheumatoiden Arthritis und Psoriasis-Arthritis ist Leflunomid. Der gegenwärtige Kenntnisstand über dieses Medikament war ein Thema des 57. Grünwalder Gesprächs am 15. Mai 2007 in München. Prof. Dr. med. Gerd-Rüdiger Burmester, Direktor der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Rheumatologie und Klinische Immunologie an der Berliner Charité, eröffnete die Veranstaltung mit einem umfangreichen Überblick zur Studienlage und der praktischen Anwendung.
Leflunomid ist nach seinen Aussagen das erste traditionelle DMARD mit einem zielgerichteten Wirkmechanismus. Es reduziert die Zahl der aktivierten T-Zellen, die eine wichtige Rolle bei der Entstehung und dem Fortschreiten der chronischen Entzündung spielen.
Wir haben in den rheuma-online-News vom 16. Mai 2007 schon kurz über seine Präsentation berichtet. Im Folgenden gehen wir ausführlich auf die vom ihm vorgestellten Studienergebnisse ein.
Für moderne Behandlungskonzepte der rheumatoiden Arthritis sind aus der Sicht des Charité-Professors folgende Punkte besonders wichtig:
Etwa die Hälfte der Patienten mit noch undifferenzierter Arthritis und 2/3 aller Patienten mit einer frühen RA entwickeln im Verlauf von 5 Jahren eine wesentliche Funktionseinschränkung.
Bei einem Einsatz von krankheitsmodifizierenden Substanzen (DMARDs = disease modifying antirheumatic drugs) in den ersten 6 Monaten lässt sich das Risiko für einen solchen Funktionsverlust halbieren und die Chance für ein Stoppen der Erkrankung erheblich verbessern.
Das Auftreten von Erosionen (entzündlich bedingte Knochenschädigungen) kann umso eher verhindert werden, je früher eine wirksame antirheumatische Therapie mit DMARDs begonnen wird.
DMARDs hemmen das im Röntgenbild sichtbare Fortschreiten der Gelenkzerstörung (Röntgenprogression/radiologische Progression)
Das Risiko einer radiologischen Progression ist durch den frühzeitigen Einsatz von DMARDs signifikant reduzierbar.
Langzeitdaten zu Leflunomid in der Monotherapie:
Die Wirksamkeit von Leflunomid in der Indikation „Rheumatoide Arthritis“ (RA) wurde in drei großen randomisierten, doppelblinden, davon zwei placebokontrollierten Studien, mit insgesamt 1.865 Patienten über einen Zeitraum von zwei Jahren untersucht.
Im Behandlungszeitraum über 2 Jahre zeigte Leflunomid (LEF) in zwei der drei Studien eine signifikante Überlegenheit gegenüber Methotrexat (MTX) und Sulfasalazin (SSZ) in den ACR20-Responderraten und in der Verbesserung der Funktionalität (HAQ) und gesundheitsbezogenen Lebensqualität (SF-36) (ACR20-Response: MN 301: Leflunomid 82%, Sulfasalazin 60%, p< 0,05 vs. Sulfasalazin; US 301: Leflunomid 79%, MTX 67%, p< 0,05 vs. MTX; MN 302: Leflunomid 64%, MTX 72% n.s.).
Die Langzeitbeobachtung über eine mittlere Behandlungsdauer von 4,6 Jahren (maximale Behandlungsdauer 5,8 Jahre) zeigte, dass die in den ersten beiden Jahren erreichte gute Wirksamkeit über die gesamte Behandlungsdauer erhalten blieb. Die ACR-20-Response lag dabei im gesamten Zeitraum von über 4 Jahren konstant über 70%, circa die Hälfte der Patienten waren auch ACR50-Responder. Der mit Beginn der Behandlung festgestellte Rückgang der Zahl schmerzhafter und geschwollener Gelenke blieb ebenso wie die Verbesserung des HAQ-Scores und des C-reaktiven Proteins über die gesamte Zeit erhalten.
Gegenüber den ersten beiden Behandlungsjahren traten in der Folge keine neuen, bisher unbekannten unerwünschten Ereignisse auf. Die unter Leflunomid bekannten Ereignisse wurden in deutlich geringerer Häufigkeit beobachtet (Durchfall 5,6 %, Bluthochdruck 2,8%, erhöhte Leberwerte (Transaminasen/GPT) 2,8%).
In einer weiteren Analyse von Langzeit-Patienten (durchschnittliche Behandlungsdauer 4,3 Jahre) aus allen drei Studien (MN 301, MN 302 und US 301) wurden die Röntgenbilder der Patienten ausgewertet. Dazu wurde eine von dem US-amerikanischen Radiologen John Sharp entwickelte Methode in der Modifikation von Désirée van der Heijde verwendet.
Dabei zeigte sich unter Leflunomid eine deutliche und anhaltende Hemmung der im Röntgenbild sichtbaren Gelenkzerstörung.
Leflunomid in der Kombinationstherapie mit MTX:
Bei nicht ausreichendem Ansprechen auf Methotrexat wird in der Praxis häufig Leflunomid (LEF) mit Methotrexat (MTX) kombiniert, da wegen der unterschiedlichen Wirkmechanismen ein additiver Effekt möglich ist.
Grundlage für dieses Vorgehen ist eine multizentrische, doppelblinde, randomisierte, placebokontrollierte Studie, die an 263 Patienten mit aktiver rheumatoider Arthritis durchgeführt wurde. Alle Patienten hatten vorher für mind. 6 Monate eine stabile Dosis von MTX erhalten (durchschnittliche MTX-Dosis 16,5 mg pro Woche). Unter dieser Therapie war die Erkrankung nicht oder nicht ausreichend kontrolliert.
Bei denen mit MTX und Leflunomid behandelten Patienten zeigte sich nach 24 Wochen eine deutliche Überlegenheit der Kombinationstherapie. Sie erreichten eine ACR20, ACR50 bzw. ACR70-Response von 51,5%; 6,2% bzw. 10% gegenüber 23,3%, 6,0% bzw. 2,3% in der Placebogruppe.
Die Kombination wurde generell gut vertragen, die häufigsten unerwünschten Ereignisse in der Studie betrafen den Magen-Darmtrakt (Durchfall, Übelkeit). Erhöhte Leberwerte (mehr als das Dreifache des Normalwertes) normalisierten sich mit oder ohne Dosisreduktion oder nach Absetzen von Leflunomid.
Leflunomid in der Kombinationstherapie mit TNF-alpha-Blockern:
Randomisierte kontrollierte Studien haben einheitlich gezeigt, dass die Kombination von TNF-alpha-Blockern mit krankheitsmodifizierenden anti-rheumatischen Medikamenten (DMARDs) zu besseren Ergebnissen führen kann als Monotherapien. Methotrexat (MTX) ist dabei die bisher am häufigsten verwendete Hintergrund-Therapie. MTX reduziert das Risiko, das der Organismus Antikörper gegen den TNF-alpha-Blocker entwickelt.
Grundsätzlich ist ein solcher Effekt auch von Leflunomid zu erwarten. Bislang wurden dazu allerdings keine großen randomisierten, kontrollierten Studien durchgeführt. Jedoch lassen Daten aus einer Vielzahl prospektiver und retrospektiver Studien vermuten, dass eine Kombinationstherapie mit TNF-alpha-Blockern und Leflunomid sicher und wirksam ist.
Beispielsweise wurde in der Studie von Antoni et al. mit 72 Patienten zum Endpunkt nach 30 Wochen eine ACR20 Response von 47,1% der Patienten und eine ACR50-Response bei 21,4% der Patienten erreicht.
Offene Studien (z.B. die STAR-Studie und die ReAct-Studie) lassen vermuten, dass die Kombination von Leflunomid mit Adalimumab sicher und wirksam ist.
Prof. Burmester ging ausführlich auf die von ihm als Principal Investigator geleitete ReAct-Studie ein. Durch den großen Umfang dieser Studie, an der 6.610 Patienten teilnahmen, konnten statistisch aussagekräftige Ergebnisse nicht nur zur Kombinationstherapie von Adalimumab mit MTX, sondern auch mit anderen Kombinationen gewonnen werden. Mit Leflunomid als Kombinationspartner wurden 842 Patienten behandelt. Nach 12 Wochen erreichten sie eine ACR20-Response von 66 %, eine ACR50-Response von 37% und eine ACR70-Response von 14%. Bei der Verträglichkeit und Sicherheit unterschieden sich die Kombinationen nicht wesentlich. Ein Ergebnis dieser offenen Studie war, dass Leflunomid wahrscheinlich mit ähnlicher Sicherheit und Wirksamkeit mit Adalimumab kombiniert werden kann wie MTX.
Die Kombination von Leflunomid mit anderen Biologica wurde in verschiedenen kleinen prospektiven und retrospektiven Studien untersucht. Auch hier zeigte sich ein günstiges Nutzen-Risiko-Profil.
Das Fazit von Burmester zur Kombinationstherapie mit Biologica: Bei Patienten, die MTX nicht vertragen oder bei denen MTX aus medizinischen Gründen (z. B. Kontraindikationen) nicht gegeben werden kann, ist Leflunomid ein geeigneter Kombinationspartner.
Quellen:
Management der frühen rheumatoiden Arthritis. Klinische Leitlinie im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh). Letzte Überarbeitung: Juli 2004
Antoni et al. The Annual European Congress of Rheumatology EULAR 2004; Abstract FRI0093
Burmester GR, Mariette X., Montecucco C., Monteaudo-Saez I., Malaaise M., Tzioufas AG, Bijlsma JW., Unnebrink K., Kary S., Kupper H. Adalimumab alone and in combination with dieseas-modifying antirheumatic drugs for the treatment of rheumatic arthritis in clinical practice: The Research in Acrive Rheumatoid Arthritis (reAct) trial. Ann Rheum dis. 2007 Mar 20; (Epub ahead of print): Furst et al. J. Rheumatol 2003; 30(12): 2563-2571
Abstract