r-o-Special: Certolizumab Pegol
Certolizumab Pegol (Cimzia) und Golimumab (Simponi) sind die jüngsten Mitglieder in der Familie der TNF-alpha-Blocker. Während Golimumab eine Weiterentwicklung der "klassischen" monoklonalen Antikörper darstellt, handelt es sich bei Certolizumab Pegol um den ersten pegylierten monoklonalen Antikörper gegen TNF-alpha, der für die Therapie der rheumatoiden Arthritis zugelassen wurde. Deshalb haben wir dieser neuartigen Substanz ein rheuma-online-Special gewidmet.
Certolizumab Pegol (Handelsname Cimzia) ist ein neu entwickeltes Arzneimittel aus der Medikamentenklasse der biologischen Medikamente (Biologika, „biologicals“), speziell der Klasse der TNF-alpha-Blocker.
Der Wirkstoff ist sogenannter monoklonaler Antikörper gegen TNF-alpha. Ein solcher Antikörper bindet gezielt an TNF-alpha, das von den TNF-alpha-produzierenden Zellen im Körper freigesetzt wird, und verhindert damit, daß TNF-alpha als Botenstoff (Zytokin) eine Entzündungsreaktion auslöst.
Der TNF-alpha-Antikörper unterbindet auf diese Weise als ein TNF-alpha-Blocker die biologische Wirkung von TNF-alpha, d.h. durch die medikamentöse Therapie wird zielgerichtet die rheumatische Entzündung und die weitere Gelenkschädigung verhindert.
Certolizumab ist der erste pegylierte monoklonale Antikörper gegen TNF-alpha. Pegylierung bedeutet, daß Polyethylenglycol (PEG)-Anteile in den Antikörper eingebaut werden. Dadurch kann die sogenannte Halbwertszeit, d.h. die Zeit, in der die Substanz im Körper wirkt, verlängert werden.
Bei den anderen Antikörpern sorgt ein Immunglobulin-Bestandteil, das Fc-IgG-Fragment, dafür, daß die Substanz nicht innerhalb von kürzester Zeit vom Körper abgebaut und ausgeschieden wird. Das Fehlen des Fc-IgG-Anteils wird insofern als Vorteil angesehen, als vermutlich einige mögliche Nebenwirkungen von monoklonalen Antikörpern mit dem Fc-Anteil in Verbindung stehen. Zugleich verändert sich durch die Pegylierung die sogenannte Pharmakokinetik des Antikörpers, d.h. das Verhalten des Medikaments im Organismus. Tierexperimentelle Untersuchungen zeigen, daß der TNF-Antikörper durch die Pegylierung schneller und gezielter in das entzündete Gewebe eindringt. Dies könnte auch der Grund für den schnellen Wirkungseintritt von Certolizumab Pegol sein.
Die Substanz wurde am 1. Oktober 2009 in den Ländern der gesamten Europäischen Union und damit auch in Deutschland offiziell für die Therapie der rheumatoiden Arthritis (chronischen Polyarthritis) zugelassen.
In den USA erfolgte die Zulassung durch die US-amerikanische Zulassungsbehörde FDA im April 2008 zunächst für den M. Crohn, im Mai 2009 erfolgte die Zulassung für die rheumatoide Arthritis.
Klinische Studien prüfen den Einsatz beim juvenilen M. Crohn (Kinder und Jugendliche zwischen 6 und 17 Jahren; Studienbeginn im Juni 2009, Abschluß geplant für Oktober 2013) und sind geplant für den Einsatz bei der juvenilen idiopathischen Arthritis (JIA, juvenile rheumatoide Arthritis, JRA) bei Kindern und Jugendlichen von 2 bis <17 Jahren (Studienbeginn geplant im Dezember 2010, Abschluß geplant für Oktober 2015).
Certolizumab Pegol ist vom Wirkmechanismus her ein langwirksames Antirheumatikum (LWAR, früher sogenanntes "Basismedikament"; DMARD = disease modifying antirheumatic drug) und wirkt damit nicht nur auf die Symptome der rheumatoiden Arthritis, sondern beeinflusst auch langfristig den Verlauf der Krankheit, beispielsweise hemmt es das im Röntgenbild sichtbare Fortschreiten der Erkrankung (sogenannte Röntgenprogression).
Da durch klinische Studien belegt ist, daß sich durch die Therapie mit Certolizumab Pegol die Röntgenprogression der rheumatoiden Arthritis vollständig stoppen läßt, gehört die Substanz in die neue Klasse der krankheitskontrollierenden Medikamente (DCARDs, disease controlling antirheumatic drugs).
Die Anwendung von Certolizumab Pegol erfolgt zur Behandlung von Erwachsenen mit einer mittelschweren bis schweren aktiven rheumatoiden Arthritis, bei der konventionelle krankheitsmodifizierende Antirheumatika (DMARDs, disease modifying antirheumatic drugs) einschließlich Methotrexat (Mtx) nicht oder nicht ausreichend angesprochen haben. Klinische Studien haben gezeigt, daß Cimzia in Kombination mit Methotrexat bei einer solchen Patientengruppe das Fortschreiten der im Röntgenbild nachweisbaren Gelenkschädigungen reduziert und die körperliche Funktionsfähigkeit verbessert.
Um eine maximale Wirksamkeit zu gewährleisten, wird Certolizumab in der Regel in Kombination mit Methotrexat eingesetzt. Patienten, die eine Unverträglichkeit gegenüber Methotrexat aufweisen oder bei denen die weitere Behandlung mit Methotrexat aus anderen Gründen nicht sinnvoll ist, können auch ohne Mtx allein mit Certolizumab in einer Monotherapie behandelt werden.
Die Therapie mit Certolizumab Pegol erfolgt als subkutane Injektion (s.c.), d.h. als Spritze unter die Haut. Wie bei anderen biologischen Medikamenten erfolgt dies nach entsprechender Einweisung und Schulung in der Regel durch die Patienten selber.
Bei der Therapie der rheumatoiden Arthritis beträgt die übliche Dosis 200 mg Certolizumab pro Injektion. Im Regelfall beträgt der Abstand zwischen zwei Cimzia-Injektionen jeweils zwei Wochen. In der Startphase der Therapie wird die Dosis verdoppelt, d.h. am ersten Tag werden 400 mg verabreicht (2 Spritzen á 200 mg gleichzeitig an zwei unterschiedlichen Injektionsorten), ebenso nach 2 und 4 Wochen, so daß insgesamt in den ersten 6 Wochen jeweils 400 mg im Abstand von 2 Wochen gegeben werden.
Die gegenüber konventionellen DMARDs überragende Wirksamkeit von Certolizumab ist für die Therapie der rheumatoiden Arthritis durch umfangreiche klinische Studien überzeugend belegt.
Certolizumab Pegol wirkt nach den Ergebnissen dieser klinischen Studien nicht nur auf die Symptome der Erkrankung, wie Schmerzen, Gelenkschwellung, Morgensteifigkeit, schnelle Ermüdung oder ausgeprägte Erschöpfung, sondern verbessert auch nachhaltig die funktionelle Kapazität, d.h. die Fähigkeit, mit den Anforderungen und Belastungen im täglichen Leben besser zurechtzukommen.
Die Therapie mit Certolizumab Pegol zeigte dabei in einem hohen Ausmaß auch bei solchen Patienten eine Wirkung, die zuvor auf konventionelle Behandlungen nicht oder nicht ausreichend angesprochen haben.
Für die rheumatoide Arthritis konnte in zwei klinischen Studien (Rapid-1-Studie und Rapid-2-Studie) gezeigt werden, daß unter der Therapie mit Certolizumab Pegol in Kombination mit Methotrexat bei mehr als zwei Drittel der Patienten ein völliger Stop der radiologischen Progression erreicht werden konnte, d.h. ein Stillstand der im Röntgenbild sichtbaren Gelenkveränderungen.
Die Wirkung von Certolizumab Pegol tritt sehr schnell ein. In den zulassungsrelevanten, placebo-kontrollierten klinischen Studien zeigte sich beim ACR-20-Ansprechen schon nach einer Woche ein signifikanter Unterschied zu Placebo. Ebenfalls bereits nach einer Woche war eine Verbesserung der funktionellen Kapazität zu verzeichnen. Die Auswertung einer Untergruppe von Patienten aus der RAPID-1- und RAPID-2-Studie deutet zudem darauf hin, daß auch die Hemmung der radiologischen Progression unter Certolizumab sehr schnell einsetzt. Danach ist dieser Effekt bereits bei der Röntgenkontrolle nach 16 Wochen nachweisbar und zeigt sich sogar unabhängig vom klinischen Ansprechen.
Die maximale klinische Wirksamkeit wird in der Regel nach 8-12 Wochen erreicht. Wenn innerhalb der ersten drei Monate kein therapeutisches Ansprechen zu verzeichnen ist, sollte über eine Fortsetzung der Therapie nachgedacht werden; allerdings wissen wir von anderen TNF-alpha-Blockern, daß bei einigen Patientinnen und Patienten ein relevantes Ansprechen erst in einem Zeitraum von 3-6 Monaten eintritt, so daß im Einzelfall darauf geachtet werden sollte, die Therapie nicht zu früh wegen angeblich unzureichender Wirksamkeit abzubrechen.
In den klinischen Studien konnte die anhaltende Wirkung einer kontinuierlichen Therapie mit Certolizumab Pegol gezeigt werden, wobei aus den klinischen Studien derzeit (Stand 02/2010) Erfahrungen über Beobachtungszeiträume von mindestens 2 Jahren vorliegen.
Die Verträglichkeit und Sicherheit von Certolizumab Pegol bei der Therapie der rheumatoiden Arthritis wurde in mehreren kontrollierten und offenen klinischen Studien bei mehr als 2.300 Patienten untersucht. Zusammengefaßt zeigen alle vorliegenden Daten, daß die Therapie der rheumatoiden Arthritis mit Certolizumab Pegol bei der Mehrzahl der Patienten insgesamt sicher und gut verträglich ist.
Gefährliche Nebenwirkungen sind selten. Unter einem regelmäßigen Therapie-Monitoring und Sicherheits-Monitoring sowie bei Indikationsstellung, Einleitung, Durchführung und Überwachung der Therapie durch einen spezialisierten Arzt, der eine entsprechende Erfahrung bei der Behandlung der rheumatoiden Arthritis und bei der Anwendung von biologischen Medikamenten besitzt, sind schwerwiegende Behandlungsfolgen oder bleibende Schäden in der Regel nicht zu erwarten.
Zu den häufigsten unerwünschten Ereignissen zählen Infektionen, wobei es sich bei dem erhöhten Infektionsrisiko meist um banale Infekte der oberen Luftwege wie normale Erkältungen, weiterhin auch Bronchitis, Halsschmerzen oder Nebenhöhlenentzündungen handelt.
Im Unterschied zu anderen TNF-alpha-Blockern, bei denen lokale Unverträglichkeiten am Injektionsort zu den häufigsten Nebenwirkungen gehören, liegt bei Certolizumab Pegol diese Rate unterhalb von Placebo oder nahe an Placebo, d.h., die Substanz scheint offensichtlich lokal sehr gut verträglich zu sein. Dies wird mit dem fehlenden Fc-IgG-Anteil des pegylierten Antikörpers in Verbindung gebracht.
Gefährliche, schwere Nebenwirkungen unter einer Therapie mit Certolizumab betreffen in erster Linie schwere Infektionskomplikationen. Schwere Infektionen unter einer Therapie mit Certolizumab sind allerdings glücklicherweise ebenfalls selten. Schwere Infektionen sind vor allem dann gefährlich, wenn sie nicht rechtzeitig erkannt und nicht angemessen behandelt werden.
Ein spezieller Warnhinweis bei der Certolizumab-Therapie betrifft das mögliche Auftreten von Tuberkulosen. Dabei handelt es sich in der Regel um eine Reaktivierung bereits vorhandener, latenter (verborgener) Tuberkulosen. Deshalb muss vor Beginn der Cimzia-Therapie ein Test auf Tuberkulose durchgeführt werden.
Vorsicht ist weiterhin bei Patientinnen und Patienten geboten, die einem erhöhten Risiko für eine Hepatitis-B-Virus-Infektion unterliegen (z.B. medizinisches Personal, Personen mit häufigem Kontakt zu Hepatitis-B-Infizierten, aber auch Personen mit häufigem und ungeschützten Geschlechtsverkehr etc.). Bei ihnen sollte vor Beginn einer Therapie mit Certolizumab pegol durch entsprechende Labortests untersucht werden, ob eine Infektion mit Hepatitis-B-Virus vorliegt. Eine besonders strenge Indikationsstellung gilt für HBV-Carrier, d.h. Personen, die zwar keine Symptome einer aktiven Hepatitis-B-Infektion aufweisen, aber Träger des Hepatitis-B-Virus sind. Bei ihnen ist auch eine sehr engmaschige Überwachung im Therapieverlauf notwendig.
Nicht eingesetzt werden darf Certolizumab bei Patienten mit mittelschwerer und schwerer Herzleistungsschwäche (Herzinsuffizienz, NYHA Grad III/IV) sowie bei Patienten mit unbehandelten, aktiven akuten oder chronischen Infektionen.
Damit eine hohe Therapiesicherheit unter einer Behandlung mit Certolizumab Pegol sichergestellt ist, sollte diese Therapie nur durch Spezialisten durchgeführt werden, die damit eine ausreichende Erfahrung haben. Dies sind in der Regel internistische Rheumatologen.
Unter der Therapie werden im Rahmen des Sicherheitsmonitorings regelmäßige Kontrolluntersuchungen durchgeführt, deren Art und Umfang sich u.a. nach dem Behandlungszeitpunkt (z.B. Therapieeinleitung, stabile laufende Therapie), der genauen Diagnose, der Art und Schwere der Erkrankung sowie möglichen Begleiterkrankungen richtet.
Referenzen:
EMEA-Dokumentation Cimzia / Certolizumab pegol
Cimzia: European Public Assessment Report (EPAR)
http://www.emea.europa.eu/humandocs/Humans/EPAR/cimzia/cimzia.htm
Produktinformation Cimzia / Certolizumab pegol
http://www.emea.europa.eu/humandocs/PDFs/EPAR/cimzia/emea-combined-h1037de.pdf
Summary for the public
Cimzia / Certolizumab Pegol
Zusammenfassung des EPAR für die Öffentlichkeit
Dok.-Ref.: EMEA/669576/2009 - EMEA/H/C/1037
http://www.emea.europa.eu/humandocs/PDFs/EPAR/cimzia/H-1037-de1.pdf
Conditions imposed on member states for safe and effective use
BEDINGUNGEN ODER EINSCHRÄNKUNGEN HINSICHTLICH DER
SICHEREN UND WIRKSAMEN ANWENDUNG DES ARZNEIMITTELS ZUR UMSETZUNG DURCH DIE MITGLIEDSTAATEN
http://www.emea.europa.eu/humandocs/PDFs/EPAR/cimzia/H-1037-Annex-de.pdf
FDA-Zulassung:
Certolizumab Pegol (marketed as Cimzia) Prescribing and Labeling Information (Label vom 18.11.2009)
http://www.accessdata.fda.gov/scripts/cder/drugsatfda/index.cfm?fuseaction=Search.Label_ApprovalHistory
Mehr Informationen zu Certolizumab pegol in rheuma-online:
- Certolizumab Pegol (Cimzia) in Stichworten
- Certolizumab Pegol (Cimzia) im Detail
- Klinische Studien zu Certolizumab Pegol
- Literatur zu Certolizumab Pegol
- Ausgewählte Links zu Certolizumab Pegol (Cimzia)
- Beiträge zu Certolizumab pegol (Cimzia) in rheuma-online (rheuma-news, rheuma-online.tv)