Orale Kontrazeption (Verhütung durch die Pille) bei systemischem Lupus Erythematodes möglich
Zwei brandneue Studien kommen zu dem Schluß, dass eine Verhütung durch die Einnahme der Pille (orale Kontrazeption) bei systemischem Lupus Erythematodes (SLE) nicht - wie bisher angenommen - zu einer Aktivierung der Erkrankung oder zu einem vermehrten Auftreten von Thrombosen führt.
Auf dem diesjährigen Treffen des American College of Rheumatology (ACR-Kongreß 2004 in San Antonio, Jahrestreffen des ACR, der Fachgesellschaft der US-amerikanischen Rheumaologen) wurden die Daten zweier Studien vorgestellt, die sich mit dem Thema der oralen Kontrazeption (Verhütung durch die Einnahme der Pille) bei Patientinnen mit SLE beschäftigten.
An der sogenannten SELENA-Studie (Safety of Estrogen in Lupus Erythematosus-National Assessment) nahmen 183 SLE-Frauen teil. Patientinnen mit einem nachgewiesenen Antiphosholipidsyndrom wurden auf Grund der erhöhten Thrombosegefahr unter Hormontherapie nicht in die Studie aufgenommen. Die Hälfte der Patientinnen wurde mit einem dreiphasigen oralen Kontrazeptivum behandelt, die andere Hälfte erhielt ein Placebo (Placebo ist ein Scheinpräparat, d.h. ein unwirksames Medikament, das so aussieht wie die echte Wirksubstanz, aber ohne darin enthaltenen Wirkstoff). Während der einjährigen Behandlungszeit ließ sich in den beiden Gruppen kein Unterschied hinsichtlich der Krankheitsaktivierung nachweisen. Milde und schwere Schübe waren in beiden Behandlungsgruppen in ähnlichem Ausmaß vertreten, sodaß sich kein statistisch signifikanter Unterschied herausstellte. Dr. Ellen Ginzler vom SUNY Downstate Medical Center in Brooklyn, New York sieht in den Ergebnissen der SELENA-Studie den Anbruch einer neuen Ära, weil sie mit alten Mythen über den SLE und seine Behandlung bricht.
Auch hinsichtlich der gefürchteten Thromboseneigung unter Hormontherapie trat in beiden Gruppen kein Unterschied zu Tage.
Eine der Patientinnen erlitt unter der Hormontherapie eine tiefe Beinvenenthrombose, allerdings entwickelte eine Frau aus der Placebogruppe eine Thrombose der Augengefäße, bei einer weiteren stellte sich eine oberflächliche Thrombophlebitis ein. Eine Teilnehmerin der Placebogruppe verstarb nach Beendigung der Studie.
Die Ergebnisse der zweiten Studie, die von Dr. J. Sanchez-Guerrero vom Instituto Nacional Nutricion Mexico vorgestellt wurden, sind ebenfalls vielversprechend. Er untersuchte den Krankheitsverlauf von 162 Frauen mit SLE unter einer Kontrazeption mit einem Östrogen/Gestagen-Mischpräparat, einer alleinigen Progestin-Therapie oder einer intrauterinen Spirale. In diesen drei Beobachtungsgruppen trat kein Unterschied bezüglich der Krankheitsaktivierung auf. Die Häufigkeit von Krankheitsschüben während der Antikonzeption unterschied sich nicht von der Schubhäufigkeit in der SELENA-Studie (in der es ja eine Placebogruppe gab).
Es ereigneten sich vier thrombotische Ereignisse, wobei zwei unter kombinierter Hormongabe und zwei unter alleiniger Progestin-Gabe auftraten. Zwei Teilnehmerinnen mit Spirale entwickelten eine septische Hirnhautentzündung.
Mit diesen zwei Studien ist der Meilenstein für einen neuen Umgang mit der Kontrazeption bei SLE- Patientinnen gelegt. Bedacht werden muß allerdings, dass circa 33% der SLE-Patienten Antiphospholipid-Antikörper aufweisen. Auf Grund der erhöhten Thrombosegefahr, die eine hormonelle Kontrazeption birgt, muß vor Beginn einer oralen Kontrazeption ein Antiphopholipid-Syndrom ausgeschlossen werden.
Literatur:
1. Petri M, Kalunian K, Grossman B et al, Combined oral contraceptives (OC) are not associated with an increased rate of flare in SLE Patients in SELENA. American College of Rheumatology 2004 meeting; October 16-21, 2004; San Antonio, TX; Abstract 523.
2. Sanchez-Guerrero J, Mestanza M, Jimenez ML, et al. Safety of use and effect on disease activity of three contraceptive methods in women with systemic lupus erythematosus: A one-year follow-up clinical trial. American College of Rheumatology 2004 meeting; October 16-21, 2004; San Antonio, TX; Abstract 1845.