Österliche Nachlese
Beim Aufräumen unseres Redaktionsschreibtisches haben wir eine Sammlung von Warnhinweisen zu Medikamenten gefunden, die in der Rheumatologie und klinischen Immunologie eingesetzt werden bzw. häufiger in der Begleitmedikation zu finden sind. Die beobachteten unerwünschten Wirkungen sind zwar extrem selten, dafür aber sehr ernst und folgenschwer. Deshalb hier die Zusammenstellung der wichtigsten Warnhinweise im rheumatologisch-immunologischen Kontext aus den Jahren 2008-2010. Betroffen sind (in alphabetischer Reihenfolge): Adalimumab (Humira), Clopidogrel (Iscover, Plavix), Efalizumab (Raptiva), Mycophenolatmofetil (CellCept), Natalizumab (Tysabri), Rituximab (MabThera) und Zoledronsäure (Aclasta).
Die Warnhinweise im einzelnen:
Adalimumab (Humira):
Zusammenfassend wird seit der Zulassung von Humira im Dezember 2002 bei Patienten unter Humira-Behandlung über drei Fälle von hepatosplenalem T-Zell-Lymphom (HSTCL) berichtet, einer seltenen und aggressiven Form des Non-Hodgkin-Lymphoms (Lymphdrüsenkrebs) mit schlechter Prognose.
Bei zwei dieser drei Patienten handelte es sich um junge Männer, die zur Behandlung einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung auch Azathioprin oder 6-Mercaptopurin erhielten. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei Patienten, die mit Humira behandelt werden, ein Risiko für die Entwicklung eines hepatosplenalen T-Zell-Lymphoms besteht.
Der Warnhinweis in der Produktinformation erfolgt als Maßnahme zur Risikominimierung.
Quelle und Link zum vollständigen Text des Rote-Hand-Briefes: Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft, Rote-Hand-Brief zu Humira (Adalimumab) vom 16.07.2008
Clopidogrel (Iscover, Plavix):
Zusammenfassend geht es um eine Wechselwirkung zwischen Clopidogrel und Protonenpumpeninhibitoren (PPIs, Medikamente zur Verringerung der Magensäure, die ihrerseits häufig zur Abschwächung des Risikos von Magengeschwüren unter einer Therapie mit cortisonfreien Entzündungshemmern (nicht-steroidalen Antirheumatika, NSAR) eingesetzt werden).
Die gleichzeitige Einnahme von Clopidogrelhaltigen Arzneimitteln und Protonen-Pumpen-Inhibitoren (PPIs) sollte vermieden werden, es sei denn, sie ist absolut notwendig. Clopidogrel kann bei Patienten, die diese Arzneimittelkombination erhalten, weniger wirksam sein.
Quelle und Link zum vollständigen Text des Rote-Hand-Briefes: Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft, Rote-Hand-Brief zu Iscover (Clopidogrel) vom Juli 2009
Quelle und Link zum vollständigen Text des Rote-Hand-Briefes: Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft, Rote-Hand-Brief zu Plavix (Clopidogrel) vom Juli 2009
Efalizumab (Raptiva):
Zusammenfassend empfiehlt die Europäische Zulassungsbehörde EMEA das Ruhen der Zulassung von Raptiva wegen eines ungünstigen Nutzen-/Risiko-Verhältnisses in der zugelassenen Indikation (Anwendung), insbesondere wegen Berichten über drei virologisch bestätigte Fälle und eines Verdachtsfalls von progressiver mulitfokaler Leukenzephalopathie (PML) bei Patienten mit chronischer Psoriasis (Schuppenflechte) vom Plaque-Typ, die ohne Unterbrechung mehr als drei Jahre lang mit Raptiva behandelt worden waren.
Zusätzlich wurde die Behandlung mit Raptiva bei anderen Patienten mit anderen schwerwiegenden Nebenwirkungen, einschließlich Guillain-Barré- und Miller-Fisher-Syndrom, Enzephalitis, Enzephalopathie, Meningitis (alles sehr selten entzündliche Erkrankungen des Nervensystems), Sepsis ("Blutvergiftung") und opportunistischen Infektionen (d.h. Infektionen, die üblicherweise nur bei Patienten mit einem geschwächten Immunsystem auftreten), in Verbindung gebracht.
Quelle und Link zum vollständigen Text des Rote-Hand-Briefes: Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft: Rote-Hand-Brief zur Empfehlung des Ruhens der Zulassung von Raptiva (Efalizumab) vom 23.02.2009
Mycophenolatmofetil:
Zusammenfassend wurden unter einer Therapie mit CellCept Einzelfälle von progressiver multifokaler Leukoenzephalopathie (PML) beobachtet (einer extrem seltenen "opportunistischen" Infektion des Gehirns). Die Fallberichte enthalten begleitende Faktoren, die eine Einordnung der PML erschweren, wie insbesondere die Art der Grunderkrankung, begleitende Immunsuppression und Latenz (verzögertes Auftreten) zwischen Anwendung von CellCept und Ausbruch der PML. Ein Beitrag von CellCept kann aufgrund des in einigen Fällen beobachteten zeitlichen Zusammenhangs nicht ausgeschlossen werden.
Quelle und Link zum vollständigen Text des Rote-Hand-Briefes: Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft, Rote-Hand-Brief zu CellCept (Mycophenolatmofetil) vom 18.02.2008
Ein weiterer Warnhinweis betrifft das Auftreten einer sehr seltenen Anämieform (Störung der Blutbildung von roten Blutkörperchen), nämlich einer Erythroblastopenie (PRCA = Pure Red Cell Aplasia). Zusammenfassend wurden Fälle von Erythroblastopenien bei Patienten beobachtet, die mit CellCept in Kombination mit anderen Arzneimitteln, darunter auch Immunsuppressiva, behandelt wurden. In einigen Fällen hatte eine Dosisreduktion bzw. ein Abbruch der Therapie mit CellCept einen Rückgang der PRCA in Folge.
Quelle und Link zum vollständigen Text des Rote-Hand-Briefes: Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft, Rote-Hand-Brief zu CellCept (Mycophenolatmofetil) vom 05.06.2009
Natalizumab (Tysabri):
Zusammenfassend wird auf insgesamt 31 Fälle (bis bis zum 20. Januar 2010) einer progressiven multifokalen Leukoenzephalopathie (PML) bei etwa 66.000 mit Tysabri behandelten Patienten mit einer Multiplen Sklerose (MS) hingewiesen. Das Risiko für die Entwicklung einer PML scheint mit zunehmender Behandlungsdauer anzusteigen. 23 der 31 bestätigten Erkrankungsfälle betrafen Patienten, die Tysabri zwei Jahre oder länger erhalten hatten.
Quelle und Link zum vollständigen Text des Rote-Hand-Briefes: Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft, Rote-Hand-Brief zu Tysabri (Natalizumab) vom 04.30.2010
Rituximab (MabThera):
Zusammenfassend geht es um das Auftreten einer progressiven multifokalen Leukoenzephalopathie als extrem seltene Komplikation einer Behandlung mit MabThera. Im September 2009 wurde ein Fall einer progressiven multifokalen Leukoenzephalopathie (PML) mit tödlichem Ausgang bei einem Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) berichtet, welcher zuvor keine Behandlung mit Methotrexat oder einem TNF-Antagonisten erhalten hatte. Dies ist der dritte bis zu diesem Zeitpunkt beobachtete Fall einer PML bei einem RA-Patienten unter MabThera-Therapie. Über PML-Fälle wurde auch bei Patienten mit anderen
Autoimmunerkrankungen, die mit MabThera behandelt wurden, berichtet. Der vorliegende Fall ist insofern bedeutsam, als jetzt erstmals eine PML bei einem Patienten ohne weitere Risikofaktoren (außer der Behandlung mit MabThera) gesehen wurde.
Quelle und Link zum vollständigen Text des Rote-Hand-Briefes: Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft, Rote-Hand-Brief zu MabThera (Rituximab) vom 09.11.2009
In einem weiteren Rote-Hand-Brief vom November 2008 war erstmals auf das Auftreten einer PML bei einem RA-Patienten im Juni 2008 hingewiesen worden.
Quelle und Link zum vollständigen Text des Rote-Hand-Briefes: Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft, Rote-Hand-Brief zu MabThera (Rituximab) vom 06.11.2008
Zoledronsäure (Aclasta):
Zusammenfassend kann es nach der Verabreichung von Aclasta zu Nierenfunktionsstörungen bis hin zum Nierenversagen kommen, insbesondere bei Patienten mit vorbestehender renaler Dysfunktion (vorbestehender Nierenfunktionsstörung) oder mit anderen Risiken, einschließlich fortgeschrittenem Alter, gleichzeitiger Anwendung von nephrotoxischen (für die Niere schädlichen) Arzneimitteln, gleichzeitiger diuretischer Therapie (Entwässerungsmittel) oder Flüssigkeitsmangel, der nach der Aclasta-Verabreichung auftrat.
Nierenfunktionsstörungen wurden bei Patienten bereits nach der ersten Verabreichung beobachtet. Ein dialysepflichtiges Nierenversagen (Nierenversagen, das den Einsatz einer künstlichen Niere erforderlich machte) oder Nierenversagen mit letalem (tödlichen) Ausgang trat selten auf.
Es ist wichtig, dass Aclasta bei Patienten mit einer Kreatinin-Clearance von < 35 ml/min nicht angewendet wird, dass die Patienten ausreichend mit Flüssigkeit versorgt worden sind und dass eine Überwachung der Serum-Kreatinin-Konzentration bei Risikopatienten in Betracht gezogen
wird.
Quelle und Link zum vollständigen Text des Rote-Hand-Briefes: Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft, Rote-Hand-Brief zu Aclasta (Zoledronsäure, 5 mg Infusionslösung) vom 12.03.2010