Nicht ohne Risiko: Schmerzlinderung durch Paracetamol
Paracetamol kann bei Überdosierung zu akutem Leberversagen führen. Eine Multicenter-Studie in den USA hatte zum Ziel, Häufigkeit, Auslöser und mögliche Risikofaktoren zu eruieren.
An der Multicenter-Studie waren insgesamt 22 Zentren beteiligt, die Daten von 662 Patienten mit akutem Leberversagen über einen 6-Jahres-Zeitraum sammelten und analysierten.
Typische Symptome für akutes Leberversagen sind veränderte Leberwerte (Transaminasenerhöhung), Koagulopathien (Gerinnungsstörungen) und Enzephalopathien (nichtentzündliche Gehirnschädigungen, häufig durch erhöhten Hirndruck), die in 275 Fällen (42%) der schädigenden Wirkung von Paracetamol zugeschrieben werden konnten.
Während zu Beginn der Studie 1998 noch eine Häufigkeit von 28% Paracetamol-Schädigungen verzeichnet wurde, erreichte dieser Wert 2003 bereits 51%. Ungewollte Überdosierung führte bei 131 der insgesamt 662 Patienten (=48%) zu der Leberschädigung, 122 Patienten (=44%) hatten die Tabletten in suizidaler Absicht eingenommen; bei den restlichen Patienten konnte der Hintergrund nicht geklärt werden. 65% der Patienten überlebten das Leberversagen, 27% verstarben ohne Transplantation. Eine Lebertransplantation erfolgte bei 8%.
Die Blutkonzentrationen sind zwar bei ungewollter Überdosierung nicht so hoch gewesen, wie bei der absichtlichen, die Patienten litten aber häufiger unter schwerer Enzephalopathie. Während Patienten mit suizidaler Absicht bereits nach durchschnittlich einem Tag ärztlich behandelt werden (wahrscheinlich Auffinden durch Angehörige), dauert es bei den anderen bis zu vier Tage. Möglicherweise bringen diese Patienten ihren schlechten Gesundheitszustand nicht mit der Tabletteneinnahme in Verbindung, so dass die Schädigung durch Paracetamol länger unbehandelt bleibt und dadurch oft ernstere Auswirkungen hat. Für diese Annahme spricht auch, dass diese Patienten häufig mehrere Paracetamol-Präparate gleichzeitig eingenommen hatten, ohne sich über die genaue Zusammensetzung im Klaren zu sein. Insgesamt lag die zugeführte Dosis bei durchschnittlich 7,5 g täglich, also fast doppelt so viel, wie die empfohlenen maximal 4 g/Tag. Allerdings könnte bereits eine dauerhafte Einnahme von nur 7,5 mg/Tag mit erheblichen Risiken verbunden sein.
Die meisten Patienten (81%) hatten Paracetamol gegen ihre Schmerzen eingenommen, häufig waren chronische Rückenschmerzen oder Kopfschmerzen der Grund. 147 Patienten hatten sich ihre Tabletten im freien Verkauf besorgt, wobei es für dieses Medikament in den USA zur Zeit keine Beschränkung gibt. In Europa wird der Verkauf wesentlich restriktiver gehandhabt, es gibt im Vergleich zu den USA viel kleinere Packungsgrößen und die Tabletten liegen in Blisterverpackungen vor. Wer hat noch nicht einen amerikanischen Film gesehen, in dem sich ein Darsteller etliche Tabletten aus einer großen Dose in die Hand schüttet und runterspült. Da fehlt dann schnell die genaue Übersicht über die zugeführte Dosis.
Paracetamol-Vergiftung ist mittlerweile die häufigste Ursache für akutes Leberversagen in den USA. Besonders gefährdet sind Patienten mit begleitender Depression, chronischen Schmerzen, Alkohol- oder Schlafmittelmissbrauch und Verwender verschiedener Schmerzmittelkombinationen. Die Studienleiter hoffen, dass durch Beratung und Aufklärung der Bevölkerung, sowie einer eingeschränkteren Vermarktung von Paracetamol, diese Zahlen wieder rückläufig werden.
Literatur
Larson AM, Polson J, Fontana RJ, Davern TJ, Lalani E, Hynan LS, Reisch JS, Schiodt FV, Ostapowicz G, Shakil AO, Lee WM; Acute Liver Failure Study Group. Acetaminophen-induced acute liver failure: results of a United States multicenter, prospective study. Hepatology. 2005 Dec;42(6):1364-72.