Neues aus der Forschung – Was bremst die Entwicklung neuer Medikamente gegen die Arthrose?
Entscheidend für den therapeutischen Fortschritt in der (medikamentösen) Arthrosebehandlung wird sein, die Erkrankungen des Bewegungsapparats, und insbesondere die Arthrose, in ähnlicher Weise wie andere Volkskrankheiten zum Gegenstand neuer, interdisziplinärer Forschungsinitiativen auf nationaler Ebene zu machen.
Die Osteoarthrose ist die häufigste Gelenkerkrankung überhaupt. Sie betrifft mehr als die Hälfte aller Menschen über 65 Jahren und ist durch die fortschreitende Zerstörung des Gelenkknorpels sowie den knöchernen Umbau betroffener Gelenke gekennzeichnet. Sie führt zu starken Schmerzen und zur Beeinträchtigungen der Beweglichkeit und damit zu einer nachhaltigen Verminderung der Lebensqualität.
Als bedeutende Volkskrankheit verursacht die Arthrose nicht nur sehr viel persönliches Leid, sondern ist für einen großen Teil der über 26 Milliarden Euro an Krankheitskosten verantwortlich, die Erkrankungen des Bewegungsapparats in Deutschland jährlich verursachen. Die hohe Belastung für den Einzelnen und die große sozioökonomische Bedeutung der Osteoarthrose stehen dabei im Widerspruch zu den bisher eher unbefriedigenden therapeutischen Optionen.
So sind in den vergangenen zwanzig Jahren kaum Fortschritte in Bezug auf die medikamentöse Therapie der Osteoarthrose gemacht worden. Nach wie vor stehen die symptomatische Behandlung der Schmerzen sowie die Therapie von Entzündungsschüben im Vordergrund. Der künstliche Ersatz betroffener Gelenke ist bisher der einzige Ansatz einer Heilung und die meisten Innovationen in der Arthrosetherapie gehen auf Verbesserungen in der Endoprothetik zurück.
Eine Ursache für das Fehlen wirklich an den Ursachen der Arthrose ansetzender medikamentöser Therapien besteht darin, dass trotz Fortschritt im Verständnis der Knorpelbiologie zentrale Aspekte der Krankheitsentstehung unverstanden sind.
So erhöht sich die Häufigkeit der Erkrankung zwar mit dem Alter, die genauen Zusammenhänge zwischen dem Alterungsprozess und der Arthrose sind jedoch unklar. Zudem handelt es sich bei der Arthrose wahrscheinlich nicht um eine einzige Erkrankung, sondern um die anfangs zwar komplexe, letztlich jedoch relativ ähnliche Reaktion des Knorpels auf verschiedene Formen der Gewebeschädigung.
Die zum Teil verbreitete Ansicht, dass es sich um eine altersbedingte „Abnutzung“ des Knorpels handelt, wird dabei durch eine Reihe von Beobachtungen infrage gestellt.
Insbesondere zeigen jüngste Forschungen, dass es bereits frühzeitig im Verlauf der Osteoarthrose zu einer Reaktivierung zellulärer Reaktionsmuster und Signalwege kommt, wie sie normalerweise während der Embyonalentwicklung, genauer während der Knochenbildung, gefunden werden.
Hierzu gehören sowohl der Abbau des Knorpelgewebes durch veränderte Knorpelzellen als auch die Verkalkung artikulärer Strukturen und die Neubildung von Knochen.
Obwohl die Gewebereaktionen während der Embryonalentwicklung einerseits und während der Arthrose andererseits wahrscheinlich Unterschiede aufweisen, ist es entscheidend, die zugrunde liegenden Mechanismen zu verstehen, um hieraus neue therapeutische Ansätze abzuleiten, die direkt in die krankhafte Knorpelreaktion eingreifen und mit einem präventivkurativen Anspruch verbunden sind.
Hierzu wird es erforderlich sein, die Erkrankungen des Bewegungsapparats, und insbesondere die Arthrose, in ähnlicher Weise wie andere Volkskrankheiten zum Gegenstand neuer, interdisziplinärer Forschungsinitiativen auf nationaler Ebene zu machen. Dies gilt umso mehr, als die Arthroseforschung durch die Beteiligung von Rheumatologen, Orthopäden und Naturwissenschaftlern in besonderem Maße interdisziplinären Charakter trägt und das Ziel, Fragmentierungen zu überwinden und Forschunsgkompetenz in übergreifenden Netzwerken zu bündeln, hier besonders vordringlich ist.
Quelle:
Vortrag Professor Dr. med. Thomas Pap, Sprecher des Kompetenznetzes Rheuma, Direktor des Instituts für Experimentelle Muskuloskelettale Medizin, Universitätsklinikum Münster (UKM)
Pressekonferenz anlässlich des 38. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh)
Donnerstag, 16. September 2010, 11.00 bis 12.00 Uhr, Hamburg