Neue Therapieansätze bei Autoimmunerkrankungen
Die Forschungsanstrengungen in der Immunologie haben in den letzten Jahren enorm zugenommen. Insbesondere biologisch hergestellte Antikörper konnten zu großen Fortschritten in der Therapie von Autoimmunerkrankungen führen. Anlässlich eines Kamingesprächs des biopharmazeutischen Unternehmens UCB stellten Experten vielversprechende neue Behandlungsoptionen sowie aktuelle Forschungsaktivitäten von UCB im Bereich der Immunologie vor.
Das anti-TNF Certolizumab Pegol, bereits zur Behandlung von Rheumatoider Arthritis (RA) zugelassen, wird derzeit daraufhin untersucht, ob es auch bei Patienten mit axialer Spondyloarthritis (axiale SpA) und Psoriasis Arthritis (PsA) wirksam ist.
Für die Behandlung des Systemischen Lupus Erythematodes (SLE) konnte der Wirkstoff Epratuzumab bereits erste Ergebnisse hinsichtlich Wirksamkeit und Verträglichkeit erzielen. Ein Sclerostin-Antikörper zur Therapie Postmenopausaler Osteoporose und Knochenfrakturen sowie ein weiteres Präparat zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen werden ab diesem
Jahr in Phase-II-Studien erprobt.
Die Immunologie ist eines der komplexesten medizinischen Themenfelder und als solches ein spannendes Forschungsgebiet. Für Patienten mit Autoimmunerkrankungen gibt es dank fortschreitender wissenschaftlicher Erkenntnisse immer mehr Therapieoptionen, die eine bessere Lebensqualität ermöglichen.
Infolgedessen haben sich beispielsweise bei der RA die Therapieziele essentiell verändert, wie Professor Dr. Jürgen Wollenhaupt, Schön Klinik Hamburg Eilbek verdeutlichte: „Wir wollen heute nicht nur die Krankheit unterdrücken, sondern dem Patienten eine höhere Mobilität und schnelle Rückkehr in den Alltag sowie die Erwerbstätigkeit ermöglichen.“
Durch den großen therapeutischen Fortschritt in den letzten zehn Jahren sei es zudem möglich, bei einem Großteil der RA-Patienten relativ schnell eine Remission oder niedrige Krankheitsaktivität (LDA) zu erreichen.
Prof. Wollenhaupt betonte des Weiteren, dass eine Remission oder niedrige Krankheitsaktivität bei RA so schnell wie möglich angestrebt werden sollte, um auch bessere strukturelle und funktionale Ergebnisse erzielen zu können: „Man weiß heute, dass auch die radiologische Progression deutlich abnimmt, je schneller man den Zustand der Remission erlangt. Der Patient kann davon langfristig bezüglich seiner Gelenkkraft, Mobilität sowie Erwerbstätigkeit profitieren“, so Prof. Wollenhaupt.
Um diese Ziele zu erreichen, sehen die im letzten Jahr aktualisierten EULAR-Empfehlungen vor, sofort nach Diagnosestellung eine Therapie mit Methotrexat (MTX) bzw. synthetischen DMARDs (Disease Modifying Antirheumatic Drugs) einzuleiten.
Bei unzureichendem Therapieerfolg sollen Biologika wie zum Beispiel Certolizumab Pegol zum Einsatz kommen. Dieses anti-TNF unterscheidet sich von anderen TNF-α-Inhibitoren durch sein Moleküldesign: Certolizumab Pegol besteht nur aus dem antigenbindenden Fab´-Fragment des Antikörpers, das PEGyliert wurde. Dadurch werden u. a. eine verlängerte Halbwertszeit, konstantere Wirkspiegel sowie eine hohe Bioverfügbarkeit des Wirkstoffes ermöglicht.
In der Phase-III-Studie RAPID 1 zeigte sich unter Certolizumab Pegol ein schnelles ACR 20/50/70-Ansprechen,[1] wobei die Mehrheit der Patienten bereits innerhalb von 6 Wochen eine ACR 20-Response erreichte.[2 ]
Dass Patienten mit schnellem Ansprechen langfristig stärker von der Therapie mit Certolizumab Pegol profitierten, belegen die Studiendaten nach 52 Wochen. Auch in Bezug auf die Verbesserung der Parameter Schmerz, Körperfunktionen und Fatigue ließ sich feststellen, dass Patienten, die sehr schnell ansprachen, auch langfristig stärker von der Behandlung profitierten.3
Certolizumab Pegol wird untersucht bei axialer SpA und PsA
Über den Einsatz in der RA hinaus wird Certolizumab Pegol derzeit für die Therapie der axialen Spondyloarthritis und Psoriasis Arthritis untersucht. Bei diesen beiden Erkrankungen aus dem Formenkreis der Spondyloarthritiden ist eine eindeutige Diagnose und Abgrenzung zu anderen Krankheiten wie der RA oft erschwert.
Zur Klassifikation der axialen SpA stellte Professor Dr. Jürgen Braun, Rheumazentrum Ruhrgebiet, die neuen ASAS-Kriterien vor: „Mit diesen neuen Kriterien ist es jetzt möglich, die axiale Spondyloarthritis früh zu diagnostizieren und eine entsprechende Therapie schnell einzuleiten“, betonte Prof. Braun.
Dies ist gegenüber den älteren New York-Kriterien ein großer Fortschritt, da bislang erst durch den radiologischen Nachweis einer Sakroiliitis die Diagnose als gesichert galt. Durch die neuen Kriterien kann aufgrund zweier Klassifikationsarme die axiale SpA auch ohne Bildgebung diagnostiziert werden.
Derzeit läuft zur axialen SpA und PsA jeweils eine klinische Phase-III-Studie mit Certolizumab Pegol. Bei der Studie zur axialen SpA finden erstmals die ASAS-Klassifikationskriterien Anwendung in einer klinischen Prüfung.
Insbesondere soll die Studie die Frage klären, ob eine frühzeitige Behandlung mit Certolizumab Pegol einen hemmenden Einfluss auf die Ankylosierung bei Patienten mit einer Frühform der axialen SpA haben kann. Primärer Endpunkt der Studie ist die ASAS 20-Response in Woche 12, ein wichtiger weiterer Endpunkt ist die Beurteilung der radiographisch sichtbaren Veränderungen an der Wirbelsäule.
Neue Therapieoption bei SLE in der Erforschung
Als eine besonders schwierig zu diagnostizierende Autoimmunerkrankung gilt der Systemische Lupus Erythematodes (SLE), der auch als „Krankheit mit den 1000 Gesichtern“ bekannt ist. „Aufgrund der Vielzahl an heterogenen Symptomen ist der Systemische Lupus Erythematodes schwer zu diagnostizieren. Darüber hinaus besteht aufgrund von eingeschränkten Therapiemöglichkeiten ein so genannter großer ‚unmet medical need’“, erklärte Professor Dr. Falk Hiepe, Charité Berlin.
Mit dem humanen monoklonalen Antikörper Epratuzumab ist ein vielversprechender Wirkstoff in der Entwicklung, der gegen CD22, einem Protein auf der Oberfläche der B-Zellen, gerichtet ist. „Die B-Lymphozyten spielen bei Lupus eine zentrale Rolle, denn aktivierte B-Zellen, die sich zu Plasmablasten differenzieren, sind für die Produktion von pathogenen Autoantikörpern verantwortlich.
Um diesen Prozess stoppen zu können, versucht man, therapeutisch diese aktivierten B-Zellen auszuschalten – entweder indem wir Zytokine hemmen oder indem wir die B-Zelle direkt angreifen.“
In der EMBLEM-Phase-IIb-Studie bekamen SLE-Patienten entweder Epratuzumab oder Placebo zusätzlich zu einer einheitlichen Standardtherapie verabreicht.[4] Bei Patienten unter Epratuzumab waren die Ansprechraten zu Woche 12 mehr als doppelt so hoch wie unter Placebo. Die Krankheitsaktivität verringerte sich unter Epratuzumab signifkant.
Gemessen wurde diese mittels eines kombinierten Responder-Index der klinischen Krankheitsaktivität, der als primärer Endpunkt verwendet wurde. Hinsichtlich der Verträglichkeit zeigen Daten aus der Studie, dass Epratuzumab gut toleriert wurde und schwere Nebenwirkungen und Infusionsreaktionen vergleichbar mit Placebo waren. Der Wirkstoff wird zurzeit in den beiden großen Phase-III-Studien EMBODY 1 und 2 getestet.
Weitere Wirkstoffe in der klinischen Erforschung
Zum Abschluss gab Dr. Hans-Joachim Kreutzenbeck, UCB Pharma GmbH, Einblicke in weitere aktuelle Pipeline-Projekte im Bereich Immunologie bei UCB: ein Sclerostin-Antikörper zur Behandlung von Knochenfrakturen und postmenopausaler Osteoporose, wird derzeit in einer Phase-II-Studie klinisch getestet. In präklinischen Studien zeigte sich mit dem Sclerostin-Antikörper eine verbesserte Frakturheilung; in einer Phase-I-Studie mit gesunden postmenopausalen Frauen zeigten sich gestiegene Marker der Knochenbildung.
Mit einem IL 6-Inhibitor zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen startet eine Phase-II-Studie noch in diesem Jahr. Der monoklonale Antikörper soll die Entwicklung von chronischen Entzündungen hemmen und könnte damit für Patienten mit Autoimmunerkrankungen eine aussichtsreiche Therapiealternative darstellen.
„UCB entwickelt eine Reihe von neuen Medikamenten zur Behandlung von schweren Autoimmunerkrankungen. Dank eigener Forschungsanstrengungen sowie Allianzen in Forschung und Entwicklung besitzen wir eine gut gefüllte Pipeline – dabei verlieren wir jedoch nie aus den Augen, dass der Patient für uns im Mittelpunkt steht. Schließlich wollen wir durch eine spezifische und effektive Therapie erreichen, dass dem Patienten eine bessere Lebensqualität ermöglicht werden kann“, so das Fazit von Dr. Kreutzenbeck.
Quelle: Pressemitteilung UCB Pharma GmbH
1 Keystone EC et al. Arthritis Rheum. 2008;58:3319-3329. Abstract
2 Keystone EC et al. Journal of Rheumatology. Epub 2011 March 1. Abstract
3 Burmester GR et al. Poster RA 1.9, DGRh 2009.
4 Wallace DJ et al. EULAR 2010 Poster # SAT0212;
Wallace DJ et al. 9th IC on SLE Poster # PO2.E.4.