MTX und Kinderwunsch - Was sind die Facts? Teil 2.
Mögliche Schäden beim ungeborenen Kind - MTX im Vorfeld einer Schwangerschaft - MTX und das Risiko von Fehlgeburten - MTX in der Spätschwangerschaft - MTX und Stillen
Studien zu möglichen teratogenen Wirkungen von MTX
Die Wissenschaft, die sich mit der Erforschung der Ursachen von Missbildungen während einer Schwangerschaft beschäftigt, nennt man Teratologie.
Ein teratogener, also keimschädigender Stoff, ist eine Substanz, die während der vorgeburtlichen Phase einen körperlichen oder funktionellen Schaden hervorrufen kann.
Der Transport von schädlichen Substanzen über den Mutterkuchen (Plazenta) erfolgt ab der 5. Woche nach der Befruchtung. Bei der Entwicklung des Kindes im Mutterleib gelten die ersten 3 Monate der Schwangerschaft (1. Trimenon) als besonders störungsanfällig.
Eine Studie berichtet über 47 Schwangere, die mit MTX behandelt wurden, davon 19 während des 1. Trimenons. Bei zwei Frauen kam zu Missbildungen der Feten. In einem der beiden Fälle wurden während der 8.-32. Schwangerschaftswoche jeweils 50 mg MTX/Woche verabreicht, das nach 34 Wochen geborene Kind hatte Deformationen des Kopfes und Kiefers sowie einen „Wasserkopf“ (Hydrocephalus).
Eine weitere Studie beschreibt Missbildungen der Feten von 3 Schwangeren im Zusammenhang mit MTX, von denen eine wegen Brustkrebs mit insgesamt 480 mg MTX ab der 7. Schwangerschaftswoche behandelt wurde.
Das Neuralrohr (später Sitz von Rückenmark und Gehirn) schließt sich etwa am 29. Tag nach der Befruchtung. Störungen in dieser Zeit führen zu Spaltbildungen in dieser Region (Spina bifida = offener Rücken). In den Wochen 4 bis 7 kann es besonders zu Fehlbildungen im Bereich der Arme und Beine kommen (Contergan war ein Beispiel dafür). Nach dem 1. Trimenon wirken sich teratogene Substanzen besonders nachteilig auf das Wachstum und die Hirnentwicklung der Feten aus.
Es scheint keine „sichere Phase“ während einer Schwangerschaft zu geben, zu der eine Zufuhr von MTX ohne Gefahr für das werdende Leben möglich ist. Auch die Höhe der Gesamtdosis sagt nichts über die möglichen Folgen aus. So haben einige Patientinnen mit relativ hohen MTX-Dosen gesunde Babys zur Welt gebracht, aber auch bei einer Dosis von nur 7,5 mg/Woche kam es zu Missbildungen des Kindes. Man kann hieraus wohl schließen, dass es auch eine individuelle Empfindlichkeit auf die Einwirkungen teratogener Stoffe geben muss. Das wird durch den Fall einer Frau mit zweieiigen Zwillingen bestätigt, von denen einer gesund, der andere mit verschiedenen Missbildungen geboren wurde.
Die Rate der Missbildungen liegt insgesamt bei etwa 5 %, weniger auffällige Erscheinungen werden dabei zum Teil auch erst im Laufe der Kindheit festgestellt.
MTX im Vorfeld einer Schwangerschaft
Nach der Zufuhr wird MTX in vielen Körpergeweben gespeichert, wobei die höchste Konzentration in Nieren, Milz, Gallenblase, Leber und der Haut zu finden ist. So kann MTX zum Beispiel in der Leber noch 116 Tage nach der Zufuhr nachgewiesen werden.
Es besteht also ein theoretisches Risiko für fetale Missbildungen (Missbildungen beim ungeborenen Kind), wenn bis zu 4 Monate vor einer Befruchtung MTX zugeführt wurde.
Eine Studie, die dieser Frage nachging (mit allerdings nur 9 Fällen), zeigte eine erhöhte Rate spontaner Fehlgeburten, ausgetragene Babys hatten aber keine Missbildungen.
Eine weitere Beobachtung von 368 Schwangerschaften, bei denen die Frauen entweder mit MTX alleine oder in Kombination mit anderen Chemotherapeutika behandelt wurden, zog sich über einen Zeitraum von 20 Jahren hin. Der durchschnittliche Abstand zwischen der Beendigung der Therapie und dem Beginn der Schwangerschaft betrug 2,7 Jahre, die durchschnittliche Gesamtdosis über den gesamten Therapiezeitraum lag bei 1,2 g (1.200 mg), die Höchstdosis bei insgesamt über 6 g (6.000 mg).
Festgestellt wurden:
· 2 Totgeburten mit schwersten Hirnmissbildungen (Anencephalus)
· 1 Spaltbildung im Rückenmarkbereich (Spina bifida)
· 1 schwerer Herzfehler (Fallot-Tetralogie)
· 1 Spitz-Klumpfuß (Pes equino varus)
· 1 Lungenkollaps
· 1 Nabelbruch
Ein Kind entwickelte einen Monat nach der Geburt eine chronisch entzündliche Erkrankung des Lungengewebes (fibrosierende Alveolitis). Dieselbe Frau bekam danach ein gesundes Kind, ein drittes Kind erkrankte aber ebenfalls an der Alveolitis.
Insgesamt ergab die Studie eine leichte Erhöhung sowohl der Zahl der Fehlgeburten, als auch der Zahl der angeborenen Missbildungen, so dass diese Autoren zu einer sicheren Schwangerschaftsverhütung bis ein Jahr nach Beendigung der Therapie raten.
Da die Hersteller der MTX-Präparate ihre Auswaschphasen (Zeitdauer, bis die Substanz den Körper vollständig verlassen hat) mit 3 bis 6 Monaten angeben, sollte daher mindestens ein entsprechender Zeitraum bis zum Eintritt einer Schwangerschaft abgewartet werden. Auf keinen Fall sollte eine Schwangerschaft eher als drei Monate nach einem MTX-Therapieende eintreten. Wenn man sicherer gehen will, sollte das Intervall mindestens 6 Monate betragen. Nach dieser Zeitspanne sollte auch keine Schädigung der Erbsubstanz des zu befruchtenden Eies mehr zu befürchten sein.
MTX – Risiko von Fehlgeburten?
Eine hohe Einzeldosis von MTX, die bis zur 8. Schwangerschaftswoche verabreicht wird, führt in 95% der Fälle zu einem Schwangerschaftsabbruch.
Diese Tatsache lässt vermuten, dass therapeutisch angewandtes MTX bei Schwangeren zu einer erhöhten Rate von Fehlgeburten führen kann.
Tatsächlich gibt es eine Arbeit über 8 Patientinnen, die mit niedrig dosiertem MTX behandelt wurden und in drei Fällen eine spontane Fehlgeburt hatten. Sonst lassen sich in der Literatur aber kaum Angaben zu dieser Auffälligkeit finden. Das könnte daran liegen, dass viele Frauen auf Grund ihrer Erkrankung und Behandlung unter Zyklus-Unregelmäßigkeiten leiden und daher weder die eingetretene Schwangerschaft, noch die Fehlgeburt überhaupt bemerkt haben.
MTX in der Spät-Schwangerschaft
Für diesen Zeitbereich gibt es nicht sehr viele Daten.
Bei einer Beobachtung von 3 Patientinnen, die MTX in unterschiedlichen Dosierungen zwischen der 16. und 38. Schwangerschaftswoche bekamen, konnten keine Auffälligkeiten festgestellt werden.
In einer Sonographie-Studie an 14 Patientinnen wiesen 2 Feten Spaltbildungen im Bereich der Wirbelsäule auf (sogenannte Spina bifida), allerdings gibt es hier keine genaueren Angaben zu Dosierung und Art der Medikation (es wurde nicht nur MTX, sondern auch andere Substanzen mit Folsäure-Hemmwirkung eingesetzt).
MTX – Risiko beim Stillen?
MTX wird in geringen Dosen in die Muttermilch abgegeben. Die Konzentration beträgt allerdings weniger als 10% des Blutwertes.
Es ist bisher nicht bekannt, ob diese geringen Mengen die Entwicklung des gestillten Kindes beeinträchtigen können. Da es zu einer Anreicherung von MTX in kindlichem Gewebe und damit zu einer ständigen Konzentrationserhöhung kommen kann, raten die Ärzte dazu, während der Stillzeit keine MTX-Therapie durchzuführen.
Es folgt Teil 3:
- MTX – Langzeiteffekte der Behandlung von Schwangeren
- MTX bei Schwangeren mit entzündlichen Erkrankungen