MTX und Kinderwunsch – Was sind die Facts?
Viele junge Frauen und Männer bekommen Methotrexat und haben einen Kinderwunsch. Dieses rheuma-online-special stellt die wichtigsten Infos dazu zusammen.
Methotrexat (MTX) ist weltweit mittlerweile der Goldstandard bei der Behandlung der rheumatoiden Arthritis und verwandter rheumatischer und immunologischer Systemerkrankungen. Viele junge Frauen und Männer bekommen MTX. Deshalb ist die Frage nach den Möglichkeiten für eine Schwangerschaft und den möglichen Risiken ein wichtiges Thema. Wir haben in diesem rheuma-online-special die wichtigsten Infos zu diesem Komplex zusammengestellt.
<h1 class="">Teil 1: Die Grundlagen</h1>
Methotrexat - Wie alles begann
Methotrexat wurde aus Verbindungen entwickelt, die Ähnlichkeit mit der Folsäure (einem Vitamin der B-Gruppe) haben.
Die Bedeutung der Folsäure bei der Blutbildung wurde zu Beginn der 40er Jahre erkannt, und 1946 konnte es erstmalig synthetisiert (künstlich hergestellt) werden. Der chemische Name ist Pteroyl-Glutaminsäure. Die Synthese und antibakterielle wie wachstumshemmende (antimetabolische) Wirkung seines Abkömmlings Aminopterin wurde dann bereits im folgenden Jahr beschrieben.
Krankheitserscheinungen, die bei Folsäure-Mangel beobachtet werden, treten auch bei anderen Erkrankungen auf. Hieraus schlossen die Forscher, dass Folsäure-ähnliche Substanzen bei der Therapie solcher Erkrankungen nützlich sein könnten. So wurde Aminopterin erstmals 1951 bei Patienten mit Gelenkerkrankungen verwendet, und 6 von7 Patienten zeigten positive Reaktionen. Damals urteilten die Autoren: „Die toxische Wirkung von Aminopterin begrenzt die Nutzung als Therapeutikum“, soll heißen, wenn es nicht so giftig wäre, könnte es weit häufiger verwendet werden.
Methotrexat (chem. Amethopterin) ist ein Abkömmling von Aminopterin und überholte wegen seiner größeren therapeutischen Breite, also geringeren Toxizität (““Giftigkeit““, schnell seinen Vorläufer in der Einsatzhäufigkeit.
Wirkmechanismus
Durch die Ähnlichkeit in der Struktur dient MTX als Folsäure-Gegenspieler (= Antagonist). Es greift durch Hemmung eines bestimmten Enzyms in den Zellstoffwechsel ein und verringert unter anderem die Bildung von Antikörpern. Beim Abbau von MTX im Körper kommt es zudem zur Entstehung von langlebigen Substanzen, die ihrerseits die MTX-Wirkung unterstützen, indem sie auch noch andere Folsäure-abhängige Enzyme hemmen.
Der genaue Mechanismus der Entzündungshemmung durch MTX ist noch unbekannt, aber es gibt offenbar mehrere Angriffspunkte im Entzündungsverlauf. Neben direkten Angriffen auf den Zellstoffwechsel wird auch die Aktivität von Zytokinen und die Bildung von Entzündungsmediatoren (Stoffe, die die Entzündung voran treiben) wie Lipoxygenase gehemmt.
Folsäure in der Schwangerschaft
Zur normalen Entwicklung des Fötus in der Schwangerschaft wird Folsäure benötigt - ein Mangel kann schädliche Auswirkungen haben.
Verschiedene Studien mit Tierversuchen zeigten hauptsächlich folgende Krankheitsbilder:
- erhöhte Sterblichkeitsraten bei den Embryonen
- Deformierungen wie
- Wolfsrachen (Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte)
- Verformungen der Gliedmaßen
- neurologische Missbildungen wie
- verminderte Hirnentwicklung
- Neuralrohrdefekte (unzureichende Entwicklung im Bereich des Rückenmarks)
Nach Abschluss der Organentwicklung hatte ein Folsäure-Mangel dagegen deutlich verminderte Auswirkungen.
Die Bedeutung eines Folsäure-Mangels in der Schwangerschaft beim Menschen mit schwersten Missbildungen von Hirn und Rückenmark wurde erst um 1965 erkannt. Nachfolgende Studien konnten aber einen Zusammenhang zwischen zusätzlicher Folsäure-Einnahme und Verhinderung solcher Missbildungen nicht immer belegen.
Erst 1991 konnte ein endgültiger Beweis geführt werde: Schwangere, die bereits ein missgebildetes Kind geboren hatten erhielten 4 mg Folsäure pro Tag bis zur 12. Schwangerschaftswoche. Das Risiko, ein zweites Kind mit Neuralrohrdefekt zu bekommen, wurde hierdurch um 72 % vermindert.
Trotz dieser Ergebnisse sind noch viel Fragen ungeklärt - so haben Frauen in Großbritannien keinen ausgesprochenen Folsäure-Mangel in der Nahrung, aber trotzdem eine der weltweit höchsten Raten an neurologischen Missbildungen bei Embryonen. Es scheinen also noch andere Faktoren eine Rolle zu spielen.
Die Forscher kamen letztendlich zu dem Ergebnis, dass eine zusätzliche Zufuhr von Folsäure in den ersten drei Schwangerschaftsmonaten auf jeden Fall zu befürworten ist.
Methotrexat und Schäden beim ungeborenen Kind – Verdachtsmomente
Wenn aber ein Folsäure-Mangel in der Schwangerschaft solch schwere Missbildungen auslösen kann, welche Auswirkungen muss dann ein Folsäure-Gegenspieler wie MTX haben?
Entwicklungsstörungen durch Folsäure-Hemmer wurden zuerst bei Küken beschrieben. Die beobachteten Missbildungen der Gliedmaßen wurden durch Störungen bei der Zellteilung hervorgerufen. Bei Katzen führte die Hemmung der Folsäure-Wirkung dagegen meist direkt zum Absterben der Embryonen.
Methotrexat wurde vor allem bei Ratten und Rhesus-Affen getestet. Während bei den Affen nur bei einem eine gestörte Knochenentwicklung festgestellt wurde, waren bei den Ratten Verformungen besonders der Brustwirbel bei 75% der Feten zu sehen.
Die Forscher stellten fest, dass der Transport bestimmter Kohlenstoff-Verbindungen gestört wurde. Wenn dieser Transport durch andere (zugeführte) Substanzen übernommen wurde, zeigte dies eine schützende Wirkung vor den MTX-Effekten.
Bei der Verwendung von Aminopterin bei Patientinnen im ersten Schwangerschaftsdrittel (1. Trimenon) entstand erstmals der Verdacht einer schädlichen Wirkung auf die Embryonalentwicklung beim Menschen. Es wurde der Begriff des „Aminopterin-Syndroms“ geprägt. Es kam bei den Feten zu verschiedenen Missbildungen des Schädels, z.B. verzögerte Verknöcherung, „Wasserkopf“, fehlgebildete Ohrmuscheln oder Gaumenspalte. Teilweise waren auch die Gliedmaßen von Anomalien betroffen.
Methotrexat ist häufiger Bestandteil einer Krebstherapie, besonders bei Leukämien und Lymphomen (Krebserkrankungen des Lymphsystems).
Natürlich werden schwangere Frauen nicht bewusst im Rahmen einer Studie mit MTX belastet, sondern Beobachtungsergebnisse können immer nur im Nachhinein beschrieben werden. Hierdurch kommt es meist nur zu kleinen Fallzahlen, die nicht immer deutlich Aufschluss über Gefährdungen geben. Auch liegen nicht immer in allen Fällen einer solchen Beobachtung genauere Daten über Einnahmedauer und –dosis vor. Wenn im weiteren Verlauf von „Studie“ die Rede sein wird, ist damit immer eine solche nachträgliche Bewertung des Schwangerschaftsverlaufs gemeint.
Die Fortsetzung folgt in den nächsten Tagen
Dabei geht es um die folgenden Themen:
- Studien zu möglichen teratogenen Wirkungen von MTX
- MTX im Vorfeld einer Schwangerschaft
- MTX in der Spät-Schwangerschaft
- MTX – Risiko beim Stillen?
- MTX – Langzeiteffekte der Behandlung von Schwangeren
- MTX bei Schwangeren mit entzündlichen Erkrankungen
- MTX – vermindert die Therapie die Fruchtbarkeit?
- MTX – Was müssen Männer beachten?
- Folsäure-Zufuhr in der Schwangerschaft – liegt hier die Lösung?
- MTX – Schlussfolgerungen im Klartext
Quellen und weiterführende Links:
- M.E. Lloyd, M. Carr, P. Mcelhatton, G.M. Hall and R.A. Hughes. The effects of methotrexate on pregnancy, fertility and lactation. From the Department of Rheumatology, Frimley Park Hospital, Frimley, Department of Rheumatology, St Peter's Hospital, Chertsey, and National Teratology Information Service, Newcastle-upon-Tyne, UK. Q J Med 1999; 92: 551-563
- rheuma-news-Sammlung: Rheuma und Schwangerschaft
- http://www.ncbi.nlm.nih.gov/entrez/query.fcgi
- http://www.ncbi.nlm.nih.gov/entrez/query.fcgi
- http://www.ncbi.nlm.nih.gov/entrez/query.fcgi#
- http://content.nejm.org/cgi/content/abstract/325/3/141
- http://www.ncbi.nlm.nih.gov/entrez/query.fcgi
- http://archinte.ama-assn.org/cgi/content/abstract/160/5/610
- http://de.wikipedia.org/wiki/Neuralrohr
- http://de.wikipedia.org/wiki/Spina_bifida
- http://de.wikipedia.org/wiki/Anenzephalie