MTX: Gefahr der Panzytopenie zu oft unterschätzt
Die Wichtigkeit der regelmäßigen Blutkontrolle unter Methotrexat-Therapie kann nicht deutlich genug hervor gehoben werden.
Dies konstatierte eine Gruppe von englischen Ärzten in der Juli-Ausgabe von „Rheumatology“. Eine ständige Kontrolle sei auch dann angezeigt, wenn der Patient über mehrere Monate eine gleichbleibende Dosierung bekommt.
Dr Anita Lim und ihre Kollegen vom „Norfolk and Norwich University Hospital“ in Großbritannien berichten über ihre Erfahrungen mit 25 Fällen in 5 Jahren Beobachtungsdauer. Die Panzytopenie führt nicht selten zum Tode; von den 25 Patienten, bei denen sie festgestellt wurde, starben 7, das entspricht einer Sterblichkeitsrate von 28%!
Panzytopenie ist eine starke Verminderung sämtlicher Blutzellen, es besteht also sowohl eine Anämie, als auch ein Leukozyten- und Thrombozytenmangel. Die Grenzwerte für die Zellzahlen liegen bei:
< 4500/µl für Leukozyten (weiße Blutzellen)
< 4 Mio./µl für Erythrozyten (rote Blutkörperchen)
< 150.000/µl für Thrombozyten (Blutplättchen).
Lim rät den behandelnden Ärzten, immer diese Grenzwerte im Auge zu behalten und ihre Patienten zu regelmäßigen Kontrollen in die Praxis zu bestellen. Auch wenn sie als Spätfolge auftritt, handelt es sich um eine sehr ernst zu nehmende Komplikation.
Da die toxische Wirkung von MTX auf die Zellen des Blutes zu jedem Zeitpunkt der Behandlung auftreten kann, muss die Blutkontrolle unbedingt während der gesamten Therapiedauer durchgeführt werden. Auch wenn bisher keine Auffälligkeiten im Blutbild zu finden waren, kann es jederzeit zu Veränderungen kommen.
In der Untersuchung der englischen Ärztegruppe betrug die mittlere Behandlungsdauer bei Auftreten der Panzytopenie 36 Monate; drei ernste Fälle fanden sich aber auch nach 84, 87 und 96 Behandlungsmonaten. Selbst noch 10 Jahre nach Behandlungsbeginn erlitt ein Patient eine zum Glück weniger schwere Komplikation.
Auf Grund der Anämie entwickelte ein Patient eine akute koronare Herzkrankheit, sieben zeigten erhöhte Blutungsneigung, neun Patienten wiesen Symptome einer Blutvergiftung auf und bei zehn der Untersuchten war die Mundschleimhaut entzündet.
Von den 25 Patienten hatten 6 keine regelmäßigen Blutkontrollen erhalten; auffällig war, dass diese Patienten alle in Altersheimen untergebracht waren.
Weitere 9 Patienten wurden nach den Empfehlungen der Britischen Rheumatologischen Gesellschaft regelmäßigen Blutuntersuchungen unterzogen. Diese Empfehlungen sehen vor: Blutzellzählung und Kontrolle der Leberwerte alle 14 Tage während der ersten 6 Behandlungsmonate sowie nach jeder Dosiserhöhung. Nach Erreichen einer gleich bleibenden Dosierung sollten die Untersuchungen regelmäßig einmal monatlich erfolgen.
Fast die Hälfte der Patientengruppe (12 von 25) erhielt Folsäurepräparate. Die Autoren betonen, dass die Gabe derartiger Medikamente zwar die Lebertoxizität von Methotrexat und Nebenwirkungen an Schleimhäuten und Magen-Darm-Trakt verringern kann, dass aber eine Verminderung des schädlichen Effektes auf die Blutzellen bisher in keiner Studie nachgewiesen werden konnte. Lim und ihre Kollegen begründen dies damit, dass diese Zellen offenbar besonders empfindlich auf MTX reagieren.
Trotzdem wird die Gabe von 5 mg Folsäure pro Woche für alle Patienten mit MTX-Behandlung empfohlen.
Aber auch andere Organe können auf MTX empfindlich reagieren: Eine Beteiligung der Nieren wird besonders bei älteren Patienten (über 75 Jahre) beobachtet. Auch ein niedriger Serum-Albumin-Spiegel (<28 g/dl), vorangeganger Folsäure-Mangel, ein allgemein schlechter Ernährungszustand, Einnahme vieler verschiedener Medikamente und Dosierungsfehler beim MTX bergen hier Risiken.
Besonders bei schwerwiegender Panzytopenie droht Sepsis als häufige Todesursache. Patienten unter MTX-Behandlung sollten daher bei Infektionserkrankungen mit der Einnahme pausieren.
Von den 25 Patienten der Untersuchung hatten 19 eine RA, der Rest litt an anderen entzündlichen Erkrankungen. Durch verschiedene Berechnungen (Erkrankungshäufigkeit, Bevölkerungszahlen, Behandlungsfälle) kamen die Ärzte zu dem Ergebnis, dass die Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer Panzytopenie bei etwa 1,9% liegt.
Dieser Wert ist höher als bisher angenommen und spricht dafür, dass engmaschige Kontrollen der Patienten während des gesamten Behandlungsverlaufes sinnvoll und notwendig sind, um eine nicht nur wirksame, sondern auch sichere Therapie zu gewährleisten.
Literatur
Lim AY, Gaffney K, Scott DG. Methotrexate-induced pancytopenia: Serious and under-reported? Our experience of 25 cases in 5 years. Rheumatology 2005; 44:1051-1055.
Weinblatt ME. Toxicity of low dose methotrexate in rheumatoid arthritis. J Rheumatol 1985; Suppl 12:35-39.